Buchtipp zum Wochenende
Das schwarze Leben scheint weniger wert
In den vergangenen 25 Jahren sind mehr als 35.000 Menschen auf der Flucht nach und in Europa ums Leben gekommen. Zum Internationalen Tag der Menschenrechte wurde die Liste der Toten in Buchform herausgeben, um der Debatte um Flucht und Tod wieder ein menschliches Antlitz zu geben. MiGAZIN veröffentlicht einen Ausschnitt aus dem Buchbeitrag von Lorenz Narku Laing.
Von Lorenz Narku Laing Freitag, 07.12.2018, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 10.12.2018, 15:48 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Noch heute gibt es eine eklatante Ungleichheit der globalen Bewegungsfreiheit zwischen Afrikanern und Europäern. Im Mittelmeer setzt sich diese koloniale Tradition konkret fort. Dem schwarzen Leben wird das Privileg eines sicheren Reisewegs in weit größerem Umfang entzogen als anderen Gruppen. In unserer heutigen Welt gilt noch immer, dass es in den Peripherien und Zentren des Westens noch immer gefährlicher ist, schwarz zu sein als weiß. Dies verdeutlichen die Schüsse auf schwarze Menschen in Italien, die Polizeigewalt in den USA und auch die gefährliche Reise übers Mittelmeer. Viele Menschen afrikanischer Herkunft streben noch immer nach der rechtlichen Gleichheit mit den Menschen des Westens.
Die mehr als 300 Buchseiten umfassende Liste wird um kurze Porträts von einigen der Gestorbenen, Berichten von Überlebenden sowie Beiträgen von Dr. Rolf Gössner (Int. Liga für Menschenrechte), Prof. Stephan Lessenich (Ludwig-Maximilians-Universität München), Bernd Mesovic (Pro Asyl), u. a, ergänzt.
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Wenn heute jemand behaupten würde, es würde im Mittelmeer faktisch weniger getan, um einen schwarzen Menschen vor dem Ertrinken zu retten als einen weißen Menschen, könnte man dem glaubhaft widersprechen? Glauben Sie, man würde eine zivile Seenotrettung von Briten in der Nordsee unterbinden? Daher ist nach dem bekannten Politiktheoretiker Achille Mbembe auch in der Gegenwart leider das schwarze Leben noch immer weniger wert. Das Leben eines Schwarzen kann nach Ansicht mancher Menschen ruhig zur Abschreckung für andere potentielle Reisende auf einem gekenterten Schlauchboot enden.
Manchmal ist es unabdingbar, über Kollektive zu sprechen. Gerade, wenn sie gemeinsame Leidenserfahrung zusammenbringen. Wiederkehrend wird auch in humanitären Kreisen über die Menschen nur in Kollektiven und Zahlen gesprochen. Es wird vergessen: Die Toten von heute sind die Lebenden von gestern. Würden die Ertrunkenen von gestern und die Ertrinkenden von morgen wieder als Individuen verstanden werden, dann würden wir zu einer besseren Balance zurückfinden. Daher ist es notwendig, ihre Geschichten zu hören und sie anzusehen.
Zur moralischen Ausgewogenheit gehörte der Konsens, Lebensrettern nicht im Wege zu stehen. Wie bei der Rettungsgasse auf der Autobahn. Sie gar als Helden zu betrachten. Wie beim mutigen Fassadenkletterer in Paris.
Denn wer den Tod in die Flucht schlug, auf den warteten Würdigung und Anerkennung. Doch leider haben wir Maß und Mitte verloren. Es sterben Menschen, die wir retten könnten. Denn durch die Verunmöglichung von privater Seenotrettung helfen wir weniger Menschen als wir könnten. Wir leisten Beistand unter dem Maß vorhandener Kapazitäten. Die Ehrenamtlichen auf dem Mittelmeer könnten die Gleichwertigkeit schwarzen Lebens mit ihren Taten in die Welt rufen. Aktuell Feuilleton Meinung
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