Grundgesetz, Würde, Menschen, Rechtsstaat, Verfassung
Art. 1 Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar © MiG

Menschenrechte

Was das „Wir“ zusammenhält

Menschenrechte und Religionen - geht das zusammen? Eine Gruppe mit Wissenschaftlern aus der ganzen Welt hat dazu jahrelang geforscht - darunter auch ein Theologe aus Würzburg. Sein erstes Fazit: Es braucht in den Schulen mehr Menschenrechtsbildung. Von Pat Christ

Donnerstag, 22.11.2018, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:42 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Abstrakt für Menschenrechte zu sein, ist einfach. So sind viele prinzipiell dafür, dass Flüchtlinge Schutz erhalten sollen. „Die Zustimmung kann allerdings leicht umschlagen, wenn plötzlich 5.000 Flüchtlinge an der deutschen Grenze stehen“, sagt der katholische Würzburger Religionspädagoge Hans-Georg Ziebertz. Das zeigt, wie abhängig das „Ja zu Menschenrechten“ von konkreten Lebensumständen ist. Doch das, findet Ziebertz, dürfe eigentlich nicht sein.

Seit sechs Jahren leitet der Würzburger Professor eine internationale Forschergruppe, die sich mit Einstellungen zu Menschenrechten befasst. Dabei wird insbesondere untersucht, welche Rolle die Religiosität eines Menschen bei der Zustimmung oder Ablehnung von Menschenrechten spielt. Europäische, afrikanische, asiatische und südamerikanische Wissenschaftler sind am Projekt beteiligt. Allmählich gelangt die Initiative des Würzburger Theologieprofessors auf die Zielgerade: Im Oktober 2019 findet in Würzburg die Abschlussveranstaltung statt.

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„Wir brauchen mehr Menschenrechtsbildung“

„Wir brauchen mehr Menschenrechtsbildung“, erläutert Ziebertz die zentrale Erkenntnis seiner Arbeit anlässlich des 70. Jahrestags der Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte am 10. Dezember 1948. Seit Monaten ist der Religionspädagoge viel in Sachen Menschenrechte unterwegs. Dabei traf er unter anderen Studierende verschiedener Fächer. „Natürlich haben alle das Wort ‚Menschenrechte‘ schon mal gehört“, sagt Ziebertz. Doch was Menschenrechte eigentlich sind, welche Bedeutung sie haben und was der Begriff alles umfasst, davon hätten die meisten nur eine vage Vorstellung.

„Wie gering das Wissen ist, erstaunt“, sagt der Theologe. Es fehle an einer fundierten Menschenrechtsbildung. Das sei bedenklich. Denn was außer der Zustimmung zu den Menschenrechten als Wertefundament sollte die zunehmend zersplitterte Gesellschaft zusammenhalten? Früher, als 85 Prozent der Bevölkerung einer Kirche angehörten, war das Christentum die zentrale Wertebasis. Das sei spätestens seit der Wiedervereinigung nicht mehr so. Inzwischen liegt der Anteil der Christen in Deutschland unter 60 Prozent. Millionen Menschen in Deutschland gehören dem Islam an.

Frauen nicht gleichgestellt

Wie beurteilen diese Menschen die Menschenrechte? Das Projekt „Religion und Menschenrechte“ lieferte ein Ergebnis, das kaum erstaunt. Ziebertz: „Wir haben zum Beispiel herausgefunden, dass muslimische Jungen große Schwierigkeiten haben, Frauenrechte anzuerkennen.“ Womit sie keine Ausnahme seien. In keiner Weltreligion seien Frauen völlig gleichgestellt. Gerade auch die katholische Kirche diskriminiere Frauen und damit die Hälfte ihrer Mitglieder, indem sie ihnen wichtige Ämter vorenthalte. Das sei – jenseits jeder theologischen Begründung – aus der Perspektive der Menschenrechte kritisch zu sehen.

Religionen seien nie große Streiter für Menschenrechte gewesen – im Gegenteil seien diese oftmals gegen den Widerstand von Religionen durchgesetzt worden. Innerhalb des Christentums gebe es inzwischen zwar eine weitgehende, jedoch keine ungeteilte Zustimmung. Auch weigert sich der Vatikan als einer der wenigen Staaten bis heute, die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen zu unterschreiben. Zunehmende Brisanz kommt laut Ziebertz dem Thema der Religionsfreiheit zu. Die wachsende religiöse Vielfalt setze die bisherigen Gewohnheiten in puncto Religionsfreiheit unter Druck.

Muezzin selbstverständlich

„Viele Menschen denken immer noch, der Islam gehöre nicht zu uns.“ Dem Recht auf Religionsfreiheit zufolge müsse es jedoch akzeptiert werden, wenn um 5 Uhr morgens der Muezzin ruft. Das müsse genauso selbstverständlich sein wie das morgendliche Läuten der Kirchenglocken. Religionsfreiheit bedeutet außerdem, dass jeder seine Religion wechseln kann. Dies sei im Islam aber teilweise mit Strafen verbunden. Kompliziert werde das Menschenrecht auf Religionsfreiheit schließlich dadurch, dass es das Recht einräumt, von Religion völlig unbehelligt zu bleiben – also keine Kirchenglocken, keine Kreuze und keine Muezzine.

Obwohl das Thema „Kirche und Menschenrechte“ ein heikler Punkt ist, halten Hans-Georg Ziebertz und sein Kollege Alexander Unser aus dem Forschungsprojekt den Religionsunterricht für einen guten Ort zur Menschenrechtsbildung. Auch nach Abschluss des Forschungsprojekts werden die beteiligten Wissenschaftler weiter zusammenarbeiten, ein neues Projekt soll nahtlos folgen: „Diesmal wollen wir wissen, inwieweit Religion ein Faktor ist, der positiv zu einer aktiven Bürgerschaft und zum Engagement für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhang beiträgt“, sagt Unser. Oder ob sie daran eher hindert. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft Studien

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