Pro und Kontra
Sollen Lehrerinnen an Schulen ein Kopftuch tragen dürfen?
Vor 20 Jahren begann der sogenannte Kopftuchstreit: Am 13. Juli 1998 wurde die Referendarin Fereshta Ludin in Baden-Württemberg nicht in den Schuldienst übernommen, weil sie ein Kopftuch trug. Heute sieht die Situation anders aus. Von Judith Kubitschek
Von Judith Kubitschek Freitag, 13.07.2018, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 15.07.2018, 21:04 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht von 2015, das ein pauschales Kopftuchverbot als nicht vereinbar mit dem Grundgesetz sieht, haben die meisten Bundesländer vereinzelt kopftuchtragende Lehrerinnen in den Schuldienst aufgenommen. Einzig Berlin hält am Kopftuchverbot fest: Wegen des Neutralitätsgesetzes sind religiöse Symbole und Kleidungsstücke dort insgesamt nicht erlaubt. Die unterschiedlichen Regelungen in den Ländern zeigen, wie umstritten die Frage ist, ob muslimische Lehrerinnen an staatlichen Schulen ein Kopftuch tragen dürfen. MiGAZIN gibt eine Übersicht über die Argumente für und gegen das Kopftuch:
PRO
Muslimische Frauen sollten das Recht haben, an Schulen ein Kopftuch zu tragen, ist die Frankfurter Publizistin Khola Maryam Hübsch überzeugt. „Wenn eine Kopftuchträgerin die Gebote ihrer Religion ernst nimmt, warum kann das nicht auch bedeuten, dass sie die Gebote des staatlichen Gesetzes ebenfalls ernst nimmt und neutral unterrichtet?“ Die Neutralität des Staates sei dann gewährleistet, wenn er keine Religion und Weltanschauung privilegiere oder diskriminiere, sondern alle gleich behandele, sagt die Autorin des Buches „Unter dem Schleier die Freiheit“. Eine Bekenntnisneutralität gelinge nicht durch die Verbannung religiöser Symbole, sondern wenn staatliche Einrichtungen die religiöse Pluralität der Gesellschaft widerspiegelten.
„Ein Kopftuchverbot dagegen diskriminiert einseitig muslimische Frauen – und ist damit auch ein Verstoß gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau“, sagt die Ahmadiyya-Muslimin. Das Kopftuch einer Lehrerin könne dagegen auch als ein Bekenntnis zum säkularen Staat und der Gleichberechtigung von Mann und Frau gelesen werden, weil sie sich als Beamtin zum Gesetz bekenne und von der grundsätzlichen Vereinbarkeit ihrer Religion mit dem zivilen Gesetz überzeugt sei. Letztlich zementierten Kopftuchverbote Barrieren im Kopf, betont Hübsch.“Das Tuch auf dem Kopf trägt die Putzhilfe, nicht die Lehrerin“, kritisiert sie.
KONTRA
Kopftuchtragende Lehrerinnen an Schulen sind nach Ansicht der Moschee-Gründerin Seyran Ateş ein „völlig falsches Signal“. Ein unbefangenes Verhältnis zwischen den Geschlechtern könne so nicht funktionieren, sagt die Anwältin, die das Land Berlin im juristischen Streit um kopftuchtragende Lehrerinnen an staatlichen Schulen vertritt. Denn mit dem Kopftuch gehen laut Ateş zwei sexualisierte Rollenbilder einher: „Der triebgesteuerte Mann, der sich nicht unter Kontrolle halten kann und die Frau, die sexuelle Reize hat, die sie verbergen muss, um den Mann nicht zu verführen.“ Dabei sexualisiere erst das Kopftuch die Frau, weil sie damit suggeriere, dass sie etwas unter dem Kopftuch verberge, was Männer sexuell anregen könnte, so die Gründerin der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin-Moabit.
Lehrerinnen und Lehrer sollten als Staatsdiener in Religions- und Weltanschauungsfragen neutral sein, unterstreicht Ateş. Um diese Neutralität zum Ausdruck zu bringen, müsse auch eine Muslimin ihr Kopftuch als Religionssymbol ablegen. Sonst sei die Religionsfreiheit der Schülerschaft, aber auch die Gleichberechtigung der Geschlechter in der Schule infrage gestellt, sagt Ateş. Zudem würden Lehrerinnen, die mit Kopftuch unterrichten, den kollektiven sozialen Druck traditionell-konservativer Muslime auf Mädchen ohne Kopftuch weiter verschärfen. „Man darf die Beeinflussung durch ein solches Symbol auf die Schülerschaft nicht unterschätzen“, warnt die Frauenrechtlerin. (epd/mig) Aktuell Panorama
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