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Die Justizia © Manu_H @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Oberlandesgericht Dresden

Haftstrafen und Freispruch im Prozess gegen rechtsextreme „Gruppe Freital“

Das Oberlandesgericht Dresden hat die "Gruppe Freital" als terroristische Vereinigung eingestuft und hohe Freiheitsstrafen verhängt. Einer der acht Angeklagten verlässt das Gericht aber als freier Mann.

Donnerstag, 08.03.2018, 6:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 18.03.2021, 17:36 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Das Oberlandesgericht Dresden hat am Mittwoch die rechtsextreme „Gruppe Freital“ als terroristische Vereinigung verurteilt. Der Gruppenwille und der Zweck der Vereinigung, Sprengstoffanschläge zu verüben, ließen sich klar formulieren, die Gesinnung der Gruppe sei rechtsradikal, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Fresemann zur Begründung. Die Kammer verhängte für die insgesamt acht Angeklagten im Alter von 20 bis 40 Jahren Haftstrafen zwischen vier und zehn Jahren.

Die beiden Rädelsführer Patrick F. und Timo S. sollen demnach für neuneinhalb beziehungsweise zehn Jahre ins Gefängnis. Der jüngste Angeklagte, Justin S., wurde nach Jugendstrafrecht zu vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Sein Haftbefehl wurde aber aufgehoben. Er rechne damit, dass S. Strafe auf Bewährung ausgesetzt werde, sagte Fresemann. Über die Bewährung muss ein Jugendrichter entscheiden.

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Justin S. hatte zu Prozessbeginn ein ausführliches Geständnis abgelegt und darin auch Mitangeklagte belastet. Seine Aussagen habe er unter einem „Bedrohungsszenario abgegeben“, was nicht einfach gewesen sei, sagte Fresemann. Der 20-Jährige war im April 2016 verhaftet worden.

Richter: Terroristische Vereinigung

Die sieben Männer und eine Frau hätten als terroristische Vereinigung in festen Strukturen, organisiert und konspirativ gehandelt, sagte Fresemann in der Urteilsbegründung. Grund dafür sei ihre „asyl- und fremdenfeindliche Haltung“ und bei einem Teil der Gruppe eine „ausgeprägte rechtsextremistische nationalsozialistische Gesinnung“. Die Gruppe habe sich 2015 in kürzester Zeit, in nur drei Monaten, radikalisiert.

Sie habe sich für versuchten Mord beziehungsweise Beihilfe zum Mord, gefährliche Körperverletzung und das Herbeiführen von Sprengstoffexplosionen sowie Sachbeschädigung zu verantworten. Anschlagsziele waren dem Gericht zufolge Flüchtlingsunterkünfte sowie politische Gegner in Freital und Dresden. Der einjährige Prozess hatte am 7. März 2017 begonnen. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die das Verfahren im April 2016 an sich zog, hatte auf fünf bis elf Jahre Freiheitsentzug plädiert.

Gruppen-Chat: Nazi-Terror

An der Urteilsverkündung nahmen auch Angehörige und Bekannte der Täter teil. Fast alle der 152 Plätze für Besucher und Journalisten waren belegt. Fresemann zufolge haben die acht Verurteilten vor ihren Taten im Berufsleben gestanden, zum Teil in Partnerschaften gelebt und waren sozial eingebunden. Bis auf einen hatte keiner der Verurteilten eine Vorstrafe. Gleichwohl hätten sie sich zu den Taten entschlossen, die „weder spontan noch jugendtypisch“ seien, sagte der Richter.

Die Taten seien aus der Überzeugung ausgeführt worden, „man könne nicht mehr abwarten, man müsse handeln“. Sie seien mit Tötungsvorsatz begangen worden, sagte Fresemann. In der mehrstündigen Urteilsbegründung zitierte der Richter auch aus Chats der Gruppe. Dort hieß es unter anderem: „Wichtig ist, dass der Nazi-Terror weitergeht“.

Prozess in künftiger Flüchtlingsunterkunft

Der Prozess fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft am Stadtrand statt. Zwei Verteidiger kündigten an, gegen das Urteil in Revision zu gehen. Michael Sturm, Verteidiger des Rädelsführers Timo S., sagte, der Tatbestand einer terroristischen Vereinigung sei nicht erfüllt. Durch „lokale Aktionen war die Bundesrepublik Deutschland nicht als Ganzes geschädigt“. Zudem sei der vom Senat beschriebene Tötungsvorsatz „aus seiner Sicht falsch“, sagte Sturm.

Die Opferberatung RAA Sachsen begrüßte das Urteil. „Das Gericht hat heute die Taten klar als rechten Terror benannt“, erklärte Geschäftsführer Robert Kusche. Er setze darauf, „dass das Urteil entsprechende Signalwirkung entfaltet“. (epd/mig) Aktuell Recht

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