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Eheschließung © linh.ngân auf flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Valentinstag

Warum Liebe grenzenlos ist

Menschen, die sich über Landesgrenzen hinweg verlieben, müssen aufgrund bürokratischer und juristischer Hürden oft lange getrennt leben. Trotzdem nimmt ihre Zahl zu. Forscher sagen: Hormone spielen eine wichtige Rolle und können Entzugserscheinungen auslösen.

Von Lynn Osselmann Mittwoch, 14.02.2018, 6:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 19.02.2018, 15:19 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Es ist eine Geschichte wie im Film. Bei einer Reise durch Mexiko lernt Katrin über eine Dating-App Cesar kennen. Zwei Tage verbringen sie miteinander in Mexiko-Stadt, verstehen sich auf Anhieb gut. Dann muss Katrin abreisen. Anderthalb Jahre später – nach sechzehn gemeinsamen Tagen – zieht Katrin zu Cesar nach Mexiko. Einen weiteren Monat später sind sie verheiratet.

Die 31-jährige Katrin hat aus Liebe etwas getan, was die meisten als ziemlich verrückt beschreiben würden. Warum treffen Verliebte oft abenteuerliche Entscheidungen? Und warum fällt ihnen das so leicht?

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Trotz Ängsten und Sorgen

„Verliebtheit schränkt die Vernunft, die ‚Ratio’, ein“, sagt Helmut Schatz, Bochumer Hormonspezialist von der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Auch die Wahrnehmung von Verliebten sei eingeschränkt: „Sie haben einen verengten Blickwinkel und sehen die Realitäten oft nicht richtig.“

Valentinstag: Die Wurzeln des Valentinstags am 14. Februar reichen bis in die Antike. Die Römer feierten an diesem Tag ein Fest zu Ehren ihrer Göttin Juno, der Beschützerin von Ehe und Familie. Höhepunkt war eine „Liebeslotterie“: Alle zum Fest eingeladenen Frauen mussten einen Zettel mit ihrem Namen in ein Körbchen legen. Später zogen dann junge Männer einen Zettel mit „ihrer Valentine“. Für ein Jahr bestand dann zwischen beiden ein „scherzhaftes Liebesverhältnis“, bei dem der Mann die Frau mit romantischen Briefen und kleinen Überraschungen verwöhnte.

Als Katrin sich entscheidet, nach Mexiko auszuwandern, weiß sie kaum etwas über das Land. Spanisch spricht sie nicht. „Mir war auf jeden Fall bewusst, dass es schon etwas verrückt ist, innerhalb kurzer Zeit in ein Land auszuwandern, was ich nur aus einem zweimonatigen Urlaub kannte“, sagt sie. Getan habe sie es letztendlich trotzdem, „weil es sich einfach richtig angefühlt hat. Trotz vieler Ängste und Sorgen war ich tief in mir drin fest davon überzeugt, dass es die richtige Entscheidung ist“.

Entzugserscheinungen wie bei Süchtigen

Grund für die veränderte Wahrnehmung bei Verliebten sind Hormone. „Wenn jemand verliebt ist, wird Dopamin ausgeschüttet“, sagt Schatz. Starke Glücksgefühle seien die Folge. „Der Botenstoff sorgt gleichzeitig auch für Herzklopfen, der Puls wird beschleunigt.“ Paradoxerweise sinke aber das als Glückshormon bekannte Serotonin bei Verliebten: „Warum dies so ist, ist keineswegs schon genau erforscht beziehungsweise erklärbar.“

Belegt ist allerdings, dass der Serotoninspiegel auch bei Süchtigen sinkt. Doch nicht nur in dieser Hinsicht gibt es Ähnlichkeiten: Tatsächlich passiert bei Verliebten im Hirn dasselbe wie bei einem Alkohol-, Nikotin- oder Drogensüchtigen, wie Schatz erklärt. „Ist jemand verliebt, so konzentriert er sich nur auf den geliebten Menschen.“ Wenn das Objekt der Sucht, in dem Fall der Partner, abwesend sei, hätten Verliebe Entzugserscheinungen – genau wie Alkoholiker oder Drogensüchtige.

Beruhigend und stressmindernd

Bei Verliebten wird zudem Oxytocin ausgeschüttet, oft „Kuschelhormon“ genannt. Es sorgt für Vertrauen und hilft beim Aufbau einer engen zwischenmenschlichen Bindung. Gleichzeitig wirkt es beruhigend und stressmindernd.

Valentinstag: Der Valentinstag erinnert auch an den früheren Bischof der nördlich von Rom gelegenen Stadt Terni. Der später heiliggesprochene Valentin soll auf Anweisung des römischen Kaisers Claudius II. (um 270) als Märtyrer hingerichtet worden sein, weil er seinem Glauben nicht abschwören wollte. An der nördlich von Rom verlaufenden Via Flaminia errichtete Papst Julius (337-352) eine Basilika mit dem Grab des Märtyrers. Die Verehrung des Heiligen ist etwa ab dem Jahr 350 nachweisbar: Er galt als Patron der Bienenzüchter sowie der Verliebten und Brautleute. Als Fest der Jugend und der Liebenden wurde der Valentinstag seit dem späten 14. Jahrhundert zunächst in Frankreich und England begangen, breitete sich aber auch in andere europäische Länder und mit den Auswanderern nach Nordamerika aus. In Deutschland erklärten 1950 die Blumenhändler den Valentinstag zum „Tag der offenen Herzen“.

Aber noch längst sind nicht alle beteiligten Hormone und ihre Wechselwirkungen bekannt oder geklärt, wie Schatz sagt. Denn die wichtigen Botenstoffe würden im Hirn selbst gebildet und könnten dort auch auf die Nachbarzellen wirken. Im Blut könne man sie nicht messen, im Gegensatz zu anderen Substanzen wie dem Hormon Insulin.

Emotionaler Ausnahmezustand

Entzugserscheinungen bekam auch Katrin nach ihrer Abreise aus Mexiko. Cesar und sie blieben über WhatsApp und Skype in Austausch: „Allerdings mit Höhen und Tiefen, denn der ständige Kontakt per Telefon war anstrengend.“ Als Cesar sie dann spontan zwei Wochen bei ihr in Hamburg besuchte, war für beide klar, dass eine Fernbeziehung für sie keinen Sinn macht. „Nach diesen sehr intensiven zwei Wochen und einem tränenreichen Abschied am Flughafen stand für uns beide fest, dass wir noch im gleichen Jahr zusammenleben wollen.“ Direkt nach Cesars Abreise habe sie sich über die Auswanderung ins nichteuropäische Ausland informiert.

Die Veränderungen im Hormonsystem bei Verliebten beeinflussen auch das Seelenleben, wie der Diplom-Psychologe und Paartherapeut Robert Eckert aus Hofheim am Taunus erklärt. „Ein Mensch der verliebt ist, befindet sich in einem emotionalen Ausnahmezustand.“ In diesem Ausnahmezustand ließen Verliebte manchmal sogar spontan Dinge zu, die sie normalerweise nie tun würden. Auch sähen sie oft nur das, was sie gern möchten – „und ignorieren dabei alles andere konsequenterweise.“

Normalität kommt schnell

Doch der Zustand sei meist nicht von langer Dauer: „In der Regel findet man schneller wieder zur Normalität zurück, als einem liebt ist, und viele trauern dann sozusagen ihrer Verliebtheit nach, da sie sich einfach besser angefühlt hat als der triste Alltag“, sagt Eckert.

Katrin lebt seit September 2017 in Mexiko. Bereut hat sie ihre Entscheidung nicht – obwohl sie zuvor noch nie etwas derart Außergewöhnliches für die Liebe getan hatte. „Ich war vorher nie bereit, für eine Beziehung in eine andere Stadt zu ziehen oder meine Gewohnheiten und meinen Alltag zu ändern.“ Wahrscheinlich, so vermutet sie, war sie zuvor nie wirklich verliebt. (epd/mig) Feuilleton Leitartikel

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