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Europäisches Parlament © Rouffignac Bernard

EU-Gipfel

Merkel kritisiert Tusks Flüchtlingspolitik

Noch vor wenigen Tagen schien es, dass der EU-Gipfel in Brüssel beim Thema Migration nur wenig Neues bieten würde. Dann schickte Ratspräsident Tusk ein Schreiben in die Hauptstädte, und plötzlich ist das Thema wieder in aller Munde.

Freitag, 15.12.2017, 6:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 17.12.2017, 14:06 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der EU-Gipfel in Brüssel hat mit einem neuen Streit um die Flüchtlingspolitik begonnen, bei dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und weitere Regierungschefs den Leiter des Treffens, Ratspräsident Donald Tusk, zum Teil heftig kritisierten. Es geht um das weiterhin ungelöste Problem, ob die Union einzelnen Mitgliedstaaten verbindlich auferlegen kann, eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen aufzunehmen und sich somit solidarisch gegenüber den übrigen Staaten zu zeigen.

Merkel sagte bei ihrer Ankunft im Europa-Gebäude, „dass die Beratungsgrundlagen, die wir von unserem Ratspräsidenten bekommen haben, heute noch nicht ausreichen“. Die EU benötigte nicht nur Solidarität bei der Migrationspolitik an den Außengrenzen, sondern auch im Inneren, erklärte Merkel. „Denn so eine selektive Solidarität kann es nach meiner Auffassung unter europäischen Mitgliedstaaten nicht geben.“

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Tusk gegen verbindliche Verteilungsquoten

Tusk hatte für die Beratungen des Gipfels ein Papier zur Flüchtlingspolitik angefertigt und den Hauptstädten zukommen lassen. Darin bezeichnete der Ratspräsident verbindliche Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen als unwirksames und die EU spaltendes Mittel.

Die EU-Kommission hat vor kurzem Ungarn, Polen und Tschechien verklagt, weil sie verbindliche Quoten nicht umgesetzt haben. Bei der Reform des Dublin-Systems, die in Brüssel auf der Tagesordnung steht, geht es im Kern um die Frage, ob verbindliche Aufnahmequoten dauerhaft eingeführt werden. Derzeit gibt es sie nicht, weshalb vor allem Griechenland und Italien von der Flüchtlingskrise belastet wurden. Merkel betonte: „Das jetzige Dublin-System funktioniert überhaupt nicht, und deshalb brauchen wir hier auch nach innen solidarische Lösungen. “

Tusks Papier „inakzeptabel“

Auch der österreichische Bundeskanzler Christian Kern stellte sich gegen Tusk. Er sei „über die Formulierung von Tusk wirklich unglücklich“. Schließlich bestehe Europa darin, „dass wir die Vorteile gemeinsam haben, und auch allfällige Bürden gemeinsam tragen“. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte wandte sich gegen „ein System, in dem Länder sich das holen, was sie an der Europäischen Union mögen, während sie nicht willens sind, die nötige Solidarität zu zeigen“.

Bereits im Vorfeld hatte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos Tusks Papier als „inakzeptabel“ bezeichnet. In Berlin erklärte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt: „Die Aufgabe von Herrn Tusk ist es, diejenigen, die versuchen, sich aus der Solidarität auszuklinken, an ihre gesamteuropäische Verantwortung zu erinnern.“

Zusammenarbeit mit Libyen unstrittig

Gegen verbindliche Aufnahmequoten stellen sich vor allem osteuropäische Länder. Die Regierungschefs von Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei kamen am Donnerstag vor dem Gipfel mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zusammen, um ihre Unterstützung für Maßnahmen der EU beim Schutz der Außengrenzen zu besprechen. Sie seien bereit, über 30 Millionen Euro zum Schutz der Außengrenzen und für die EU-Maßnahmen in Libyen zu geben, sagte Ungarns Viktor Orban nach dem Treffen. Es sei dieses Element der EU-Migrationspolitik, das bisher funktioniert habe, sagte Orban. Die sogenannte Solidarität nach außen, also etwa bei der Zusammenarbeit mit Drittstaaten wie Libyen, ist in der Union weitgehend unstrittig.

Die kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie forderten mit Blick auf den Gipfel eine „Teilung der Verantwortung und der mit den Asylverfahren verbundenen Lasten unter den EU-Mitgliedsstaaten“. Dies sei die Voraussetzung dafür, „dass Europa als Raum der Freizügigkeit und der internationalen Verantwortung glaubwürdig und zukunftsfähig bleibt“. (epd/mig) Aktuell Politik

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