Ehrenamt

Flüchtlingshilfe wird immer komplexer

Der Einsatz vieler Ehrenamtlicher in der Flüchtlingshilfe ist ungebrochen - auch weil längst persönliche Beziehungen gewachsen sind. Für die Kooperation mit Hauptamtlichen oder Behörden bringt das auch Herausforderungen mit sich.

Von Karen Miether Mittwoch, 13.12.2017, 6:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 14.12.2017, 16:35 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Bei Kaffee und Lebkuchen geht es im Wohnzimmer von Klaus-Peter Harneit im niedersächsischen Bad Fallingbostel um Chancen und um Sorgen. Laith Al‘ Hamidi (22), Abdul Rahman (34) und dessen jüngerer Bruder Ammar (24) haben erfolgreich einen Deutsch-Kurs abgeschlossen. Nun erörtern die drei Syrer gemeinsam mit Harneit, wie es für sie weitergehen kann. „Sprache, Arbeit, Freundschaft, das ist wichtig für die Integration“, zählt Harneit auf. Er gehört zu den Ehrenamtlichen, die sich gleich im September 2015 engagiert haben, als viele Flüchtlinge ins Land kamen. Er ist dabei geblieben. „Das hat eine Eigendynamik bekommen“, sagt der 69-Jährige, der für die drei Männer an seinem Kaffeetisch so etwas wie ein väterlicher Freund geworden ist.

Die Willkommenskultur in Deutschland vom Herbst 2015 ist nach einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Institutes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kein Strohfeuer gewesen. Auch im April war nach der letzten Erhebung das Engagement Ehrenamtlicher für Geflüchtete ungebrochen. Nicht nur für Harneit sind dabei allerdings die Herausforderungen vielfältiger und zugleich die persönlichen Bindungen tiefer geworden. Er freut sich mit Laith über dessen Schnupperpraktikum bei der Sparkasse. Und er bangt mit Abdul Rahman um Frau und Kinder, die in den Arabischen Emiraten festsitzen.

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„Die Aufgaben werden komplexer“, sagt Vivien Neugebauer von der Evangelischen Akademie Loccum. Umso wichtiger sei ein möglichst reibungsloses Zusammenspiel zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen. Noch bis zum Sonntag veranstaltet die Akademie eine Tagung, bei der beide Seiten gemeinsam mit Experten über gelungene Beispiele sprechen und darüber, wo es hakt.

Kooperation mit Behörden schwierig

Der Konfliktforscher Thomas Praßer von der Uni Bielefeld unterstreicht, dass die Ehrenamtlichen zunächst sehr selbstständig handeln konnten und oft auch mussten. „Je mehr Staat, kommunale Verwaltung und Träger alles in Form gegossen haben, desto mehr hat das Ehrenamt einen Wandel erlebt.“ Wechselseitige Erwartungen oder mangelnde Anerkennung können zwischen Ehrenamtlichen und Geflüchteten zu Problemen führen, auch die Kooperation mit Behörden sei für Ehrenamtliche oft schwierig, hat Praßer in einer bisher unveröffentlichten Studie erforscht, die er in Loccum vorstellen will.

Unter anderem hat die von der Bundesbeauftragten für Migration geförderte Studie ergeben, dass eine Verstetigung der Zusammenarbeit etwa mit festen Zeiten und Räumen hilfreich ist. Die Ehrenamtlichen fühlten sich dadurch in ihrem Einsatz ernst genommen. Und es gebe Konflikte, die sich schwer auflösen ließen, sagt Praßer. „Vor allem Abschiebungen von betreuten Geflüchteten führen zu großem Frust unter Ehrenamtlichen. Sie können die aktuell vollzogene Rechtspraxis häufig nicht nachvollziehen.“

„Als Ehrenamtlicher hat man auch eine große Verantwortung“

Auch Klaus-Peter Harneit hat sich immer wieder schlau gemacht. Als schließlich Schulungen für die Ehrenamtlichen angeboten wurden, habe er längst als Experte gegolten, erinnert er sich. Von den drei syrischen Männern haben zwei mit Erfolg einen vollen Flüchtlingsschutz eingeklagt. Ammar, der dritte, ist zwar gemeinsam mit seinem älteren Bruder nach Deutschland gekommen, für ihn steht die Gerichtsentscheidung aber noch aus. „Für diese Zufälligkeiten könnte ich noch andere Beispiele nennen“, sagt Harneit.

Dass Frau und Kinder des älteren Bruders Abdul Rahman noch immer kein Einreisevisum bekommen haben, kann er ebenfalls nicht nachvollziehen, weil anerkannte Flüchtlinge das Recht hätten, ihre Familie nachzuholen. Der Flüchtlingshelfer hat Einspruchsschreiben verfasst und schließlich eine Anwältin eingeschaltet. „Als Ehrenamtlicher hat man auch eine große Verantwortung.“

Persönliche Schicksale mit Abstand betrachten

Vieles schultert er gemeinsam mit anderen Mitgliedern der „Willkommensinitiative“ und mit Hauptamtlichen aus der Flüchtlingshilfe. Doch Laith Al‘ Hamidi unterstreicht: „Ohne ihn hätten wir keine Fortschritte machen können. Er hat alles erklärt, was wir nicht verstanden haben und uns Ideen mit auf den Weg gegeben.“

Harneit hat inzwischen auch etwas für sich selbst getan und ein Beratungsangebot der Diakonie wahrgenommen, bei dem sich Helfer unter Anleitung eines Psychologen austauschen konnten. Ob es ihm gelinge, künftig persönliche Schicksale mit mehr Abstand zu betrachten, wisse er nicht, sagt er. „Wenn ich jemanden gut kenne, ist das schwierig.“ (epd/mig) Aktuell Panorama

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