Diskriminierung

EuGH-Generalanwalt sieht kirchliche Einstellungspolitik kritisch

Nach Ansicht des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof können Beschäftigte bei kirchlichen Arbeitgebern auch konfessionslos sein. Die kirchlichen Träger könnten dennoch ihren Auftrag erfüllen. Dem EuGH liegt eine Klage gegen die Diakonie vor.

Freitag, 10.11.2017, 6:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 13.11.2017, 21:42 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) sieht die Einstellungspraxis kirchlicher Arbeitgeber in Deutschland kritisch. Der Ausschluss nicht-christlicher Bewerber bei der Vergabe von Jobs müsse im Einzelfall auf den Prüfstand, erklärte er am Donnerstag in Luxemburg.

In einem Fall aus Deutschland befand Generalanwalt Evgeni Tanchev, dass religiöse Organisationen wie das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung zwar grundsätzlich zu einer Ungleichbehandlung von Stellenbewerbern mit Blick auf Religion oder Weltanschauung berechtigt seien. Zugleich müssten Entscheidungen des Arbeitgebers von Gerichten geprüft und im Einzelfall zurückgewiesen werden könnten. Hier komme es wesentlich auf die genaue Tätigkeit der ausgeschriebenen Stelle an. (AZ: C-414/16). Von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) war zu der Entscheidung zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

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Kein Vorstellungsgespräch für konfessionslose Bewerberin

Geklagt hatte die konfessionslose Vera Egenberger. Diese hatte sich im November 2012 auf die beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung in Berlin ausgeschriebene Stelle als Referentin erfolglos beworben. Die befristete Tätigkeit umfasste die Untersuchung, inwieweit Deutschland die Antirassismuskonvention der Vereinten Nationen umsetzt. Voraussetzung war laut Ausschreibung die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder anderen christlichen Kirche „und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag“.

Die konfessionslose Bewerberin, die Gastautorin dieses Magazins ist, wurde nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie erhob Klage und forderte eine Entschädigung von rund 10.000 Euro. Sie sei nicht genommen worden, weil sie keiner Kirche angehöre. Dies sei eine Diskriminierung aus religiösen Gründen.

Landesarbeitsgericht hatte Entschädigung abgelehnt

Die Konfession sei für die konkrete Tätigkeit irrelevant gewesen. Ihr Anwalt plädierte dafür, dass kirchliche Arbeitgeber eine Konfession nur verlangen dürfen, wenn die Stelle direkt mit dem Glauben zu tun hat. Die Kirchen berufen sich dagegen auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg lehnte die verlangte Diskriminierungs-Entschädigung in seinem Urteil vom 28. Mai 2014 ab (AZ.: 4 Sa 238/14). Die Ungleichbehandlung der Klägerin sei daher gerechtfertigt, EU-Recht stehe dem nicht entgegen, urteilte das LAG.

Etappensieg

Da hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) jedoch Zweifel. Die Erfurter Richter legten das Verfahren am 17. März 2016 dem EuGH zur Prüfung vor (AZ: 8 AZR 501/14 (A[/efn_note]. Fraglich sei, inwieweit kirchliche Arbeitgeber christliche Bewerber vorziehen und Andersgläubige und Konfessionslose benachteiligen dürfen. Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ist die unterschiedliche Behandlung erlaubt. Die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie gilt hier als weniger kirchenfreundlich.

Egenberger errang nun einen Etappensieg. Den nach den Worten des Generalanwalts beim EuGH können die Kirchen und ihre Organisationen nicht in jedem Fall „verbindlich selbst bestimmen, ob sie eine bestimmte Religion eines Bewerbers“ verlangen können. Dies sei abhängig von der „Art der fraglichen Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung“, so der Generalanwalt. Je weniger eine Tätigkeit mit dem Verkündigungsauftrag des kirchlichen Arbeitgebers zu tun hat, desto weniger dürfe dieser Andersgläubige oder Konfessionslose benachteiligen.

Klägerin erfreut über Auftakt

Falls der EuGH in seinem in einigen Monaten erwarteten Urteil dem Gutachten des Generalanwalts folgt, muss das BAG prüfen, inwieweit die EU-Vorgaben nach deutschem Recht ausgelegt werden können. Besteht nach EU-Recht im konkreten Fall eine Diskriminierung, nach deutschem Recht aber nicht, kann die Klägerin von Deutschland für die fehlende Umsetzung europäischen Rechts eine Entschädigung verlangen.

Die Klägern Vera Egenberger zeigte sich erfreut über das Plädoyer des Generalanwalts an den EuGH. „Das war für mich ein schöner Auftakt. Ich schätze den weiteren Verfahrensgang vor den Gerichten sehr positiv ein“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst. Wenn der EuGH der Rechtsposition des Generalanwalts weitgehend folgen sollte, sieht Egenberger gute Chancen, für die Ablehnung ihrer Bewerbung bei der Diakonie finanziell entschädigt zu werden. (epd/mig) Aktuell Recht

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