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Leere Ränge im Bundestag © leolumix @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Amadeu Antonio Stiftung

„AfD gibt dem Hass in Parlamenten eine Stimme“

Der absehbare Einzug der Alternative für Deutschland (AfD) in den Bundestag wird die politische Kultur in Deutschland nach Überzeugung der Amadeu Antonio Stiftung massiv verändern. Der Bundestag müsse sich vorbereiten auf die Rechtspopulisten.

Von Corinna Buschow Donnerstag, 24.08.2017, 4:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 27.08.2017, 1:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Verleumdung, Demagogie, Beleidigungen: Die AfD stellt Politik und Zivilgesellschaft vor neue Herausforderungen in der Debattenkultur. Sachlichkeit wird zurückgedrängt, Emotionalität bestimmt inzwischen oftmals den Ton. Viele Initiativen ringen momentan um einen Umgang mit der AfD, die mit der Wahl am 24. September in den Bundestag einziehen könnte. Auch die Abgeordneten der etablierten Parteien im Parlament müssen sich positionieren, forderte die Amadeu Antonio Stiftung am Mittwoch in Berlin. Sie warnt vor einem Verlust demokratischer Kultur durch die Partei im Bundestag.

Zu befürchten seien eine Diskursverschiebung, eine Gewöhnung an menschenfeindliche Inhalte und Demokratieverachtung, sagte Geschäftsführer Timo Reinfrank am Mittwoch in Berlin. Er zitierte Schlagworte der AfD wie „Merkel-Diktatur“ und „Systemsklaven“, die Respekt vor dem Gegenüber vermissen ließen und Politikverachtung förderten. „Die AfD gibt dem Hass in den Parlamenten eine Stimme“, sagte der Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Thüringen, Matthias Quent.

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Gemeinsam mit dem Verein „Miteinander“ aus Sachsen-Anhalt präsentierten Reinfrank und Quent eine Broschüre mit Handlungsempfehlungen an Politik, Zivilgesellschaft und Verwaltung zum Umgang mit der AfD. Die Amadeu Antonio Stiftung versucht darin, die Strategie von Rechtspopulisten zu entlarven. Sie hielten sich einerseits an die Spielregeln der parlamentarischen Demokratie, sagte Reinfrank. Trotzdem richteten sich Rechtspopulisten gegen zentrale Elemente dieser Demokratie wie die Pressefreiheit und den Schutz von Minderheiten.

Parlament als Bühne

Ziel der AfD, ist Reinfrank überzeugt, sei vor allem die Provokation. Die AfD nutze das Parlament als Bühne. Der Thüringer Experte Quent verwies unter anderem auf den Auftritt einer AfD-Abgeordneten im dortigen Landtag in Vollverschleierung, um auf eine angebliche Islamisierung hinzuweisen – „bei einem Anteil von 0,6 Prozent Muslimen im Land“, sagte Quent. Die Provokation lässt sich Quent zufolge auch statistisch nachweisen. 72 Ordnungsrufe des Parlamentspräsidenten habe es bis zur Hälfte der Wahlperiode im Thüringer Landtag gegeben – mehr als doppelt so viele wie in der Legislatur davor. Maßgeblich seien sie auf das Konto von AfD-Abgeordneten gegangen.

Ein konkretes Rezept zum Umgang mit der AfD präsentiert Amadeu Antonio Stiftung in ihrer neuen Broschüre nicht. Sie gibt eher Tipps für Politik, Verwaltung, Schule und Medien. Enthalten ist auch der Appell, zu widersprechen, zu kommentieren und zu hinterfragen.

Nicht provozieren lassen

Die Strategie der Amadeu Antonio Stiftung, selbst oft Ziel von verbalen Attacken der AfD, beschreibt Reinfrank so: „Wir versuchen uns zu entziehen, reagieren nicht auf Provokation.“ Gegen Verleumdungen wehrt sich die Stiftung auf rechtlichem Weg. Als AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel nach den Krawallen beim G20-Gipfel in Hamburg die Stiftung mit Linksterrorismus in Verbindung brachte, beantragte die Stiftung eine einstweilige Verfügung. Die Äußerung ist inzwischen gelöscht. Nach Angaben des Geschäftsführers gab es mehrere Fälle, in denen die AfD „stillschweigend“ Erklärungen, Tweets oder Facebook-Posts habe zurücknehmen müssen.

Mit Blick auf den möglichen Einzug der AfD in den Bundestag forderte Reinfrank die etablierten demokratischen Parteien auf, eine Form der Auseinandersetzung zu finden. Selbst eine Absprache der Parteien untereinander hält er für wünschenswert. Zöge die AfD mit den derzeit in Umfragen gemessenen acht Prozent der Wählerstimmen in den Bundestag ein, stünden ihnen rund zwölf Millionen Euro an Fraktionsgeldern zu, rechnete Reinfrank vor. In dieser Größenordnung könnte die Fraktion außerdem vier Vorsitzende in Ausschüssen des Parlaments stellen. „Landtage und Kommunalparlamente werden sich daran orientieren, wie der Bundestag damit umgeht“, sagte Reinfrank. (epd/mig) Aktuell Politik

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