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Wissenschaftler

„Klimawandel“ in der Bundeswehr nötig

Die Bundeswehr ist nach Einschätzung des Bielefelder Extremismusexperten Andreas Zick "eine attraktive Nische" für Extremisten. Eine diskutierte Wiedereinführung der Wehrpflicht taugt laut Zick jedoch nicht zur Verhinderung von Rechtsextremismus in der Armee. Stattdessen mahnt Zick im Gespräch einen "Klimawandel" in der Bundeswehr sowie spezielle Extremismusprävention an.

Von Holger Spierig Mittwoch, 17.05.2017, 4:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 18.05.2017, 23:18 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Militanter Rechtsextremismus in der Bundeswehr – ist das Ihrer Einschätzung nach ein Einzelfall oder die Spitze eines Eisberges?

Zick: Es ist längst kein Einzelfall mehr, das war auch nicht zu erwarten. Aktivisten wie Franco A. oder Maximilian T., die beide inhaftiert sind, bilden Zellen. Die Zellen haben ein Unterstützungsnetzwerk und dieses Unterstützungsnetzwerk beruft sich auf Gruppen und Stimmungen außerhalb der Bundeswehr. Das Problem ist jetzt, wie man den Eisberg vermessen kann. Um mal im Bild zu bleiben: Was liegt darunter? Warum gab es keinen Klimawandel in der Bundeswehr, der ihn zum Schmelzen brachte?

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Die Hass- und Gewaltwelle, die seit 2014 über das Land gerollt ist und die zu zahlreichen zellenförmigen radikalisierten Gruppen geführt hat, ist eben auch durch die Kasernen gerollt. Es gibt einsame radikalisierte Wölfe in Bereichen des Extremismus. Sie werden oft von außen durch eine enge und strenge Führung im Internet gesteuert. Das ist in der Bundeswehr kaum möglich. Die Bundeswehr ist in Gruppen organisiert, lebt vom Korpsgeist und in solchen Umgebungen muss man immer mit der Selbstorganisation und Radikalisierungen von Gruppen rechnen.

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Wie kommt es, dass rechtsextremistische Auswüchse in der Bundeswehr so lange ohne Folgen blieben?

Zick: Wenn sich das länger und ohne Gegenwirkungen entwickelt, verweist das auf zwei zusammenhängende Faktoren: erstens auf eine mangelnde Kontrolle und zweitens auf eine Duldung beziehungsweise ein Nicht-Ernstnehmen. Das ist in der Bundeswehr nicht anders als in der Zivilgesellschaft. Warum erwarten wir eigentlich, dass die Bundeswehr vor Radikalisierungen von Personen und kleinen Gruppen besser geschützt ist?

Die Bundeswehr ist als eine sogenannte totale Institution, die aus sich selbst heraus und in großen Teilen abgeschottet von der Zivilgesellschaft existieren muss, eine attraktive Nische für extremistisch orientierte Personen. Das ist bekannt und dafür hat die Bundeswehr Kontrollen entwickelt, die nicht wirken, weil sie nicht angewendet wurden oder schlichtweg schlecht sind. Meines Erachtens fehlt es der Bundeswehr an zuverlässigen Präventionsinstrumenten.

Was kann dagegen getan werden? Wäre eine Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht eine Lösung?

Zick: Die Frage nach der Wehrpflicht reiht sich ein in einen Aktivismus und eine Flickschusterei, die nichts bringen. Seit wann sind Pflichtmitgliedschaften in Institutionen zur Prävention von Extremismus gut? Die Schulpflicht garantiert auch nicht, dass wir lupenreine Demokraten sind. Die Eheschließung verhindert nicht häusliche Gewalt. Es ist ja gerade eher das Gegenteil, was helfen sollte: Die freiwillige Mitgliedschaft in einer demokratischen Armee des Parlaments wäre eigentlich ein gutes Nadelöhr. Außerdem haben sich Rechtsextreme noch nie von der Wehrpflicht abhalten lassen. Ihre Einführung würde geradezu noch mehr Extremisten in die Bundeswehr spülen.

Zudem haben die nun bekanntgewordenen Hintergründe gezeigt, dass man auf die Selbstheilung der Bundeswehr nicht mehr vertrauen kann. Sie muss von außen gestärkt werden. Das einzige, was jetzt hilft, ist ein grundsolides, planvolles und nachhaltiges Programm zur Prävention von Radikalisierungen, wie wir es in der Zivilgesellschaft auch kennen. Wir haben Wissen und Forschung, die helfen könnten, aber die muss man auch abrufen und einbinden. Und das alles bedarf auch mehr als nur einer Begleitstudie. (epd/mig) Aktuell Interview Politik

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