Bundessozialgericht
Geringere Asylleistungen bei fehlender Mitwirkung zu Abschiebung
Asylbewerbern dürfen die Sozialleistungen gekürzt werden, wenn sie sich weigern, fehlende Passpapiere zu besorgen. Dies gilt auch dann, wenn der Betroffene mit Passpapieren abgeschoben werden kann. Die Linke kritisieren Urteil als perfide und zynisch.
Montag, 15.05.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 18.05.2017, 23:17 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Behörden dürfen nach einem höchstrichterlichen Urteil Asylbewerbern Sozialleistungen kürzen, wenn diese die Kooperation mit ihnen verweigern. Im konkreten Fall kümmerte sich ein abgelehnter Asylbewerber für seine Abschiebung nicht aktiv um neue Passpapiere. Daraufhin wurden ihm die Asylbewerberleistungen gekürzt. Zu recht, wie das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am Freitag urteilte. Er habe damit lediglich Anspruch auf Leistungen zur Deckung seines rein physischen Existenzminimums. (AZ: B 7 AY 1/16 R)
Vor Gericht ging es um einen aus Kamerun stammenden Mann, dessen Asylantrag 2004 abgelehnt wurde. Die Abschiebung scheiterte daran, dass der Mann keine Passpapiere hatte.
Ausländergesetz verpflichtet zur Beschaffung von Papieren
Nach dem Ausländergesetz wäre er verpflichtet gewesen, an der Beschaffung neuer Papiere mitzuwirken. In der Zeit von 2004 bis April 2013 forderte die Ausländerbehörde den Mann daher mindestens 19 Mal auf, sich um einen neuen Pass zu kümmern. Bei Vorführungen in der kamerunischen Botschaft hüllte sich der Mann bei der Identitätsfeststellung in Schweigen.
Wegen der fehlenden Mitwirkung wurden ihm die Asylbewerberleistungen gekürzt. Er erhielt lediglich Kleidung als Sachleistung und Wertgutscheine in Höhe von 167 Euro monatlich für das Allernötigste wie die Nahrung. Untergebracht war er in einer Gemeinschaftsunterkunft.
Gericht: Betroffener hätte mitwirken müssen
Der Asylbewerber sah mit der Kürzung sein Existenzminimum gefährdet. Ihm stehe auch das soziokulturelle Existenzminimum zu. Ihm müssten daher weitere Barleistungen in Höhe von monatlich bis zu 137 Euro zur Deckung seiner persönlichen Bedürfnisse wie Telekommunikation oder Freizeitaktivitäten gewährt werden.
Das BSG urteilte, dass der Mann nur Anspruch auf das „unabweisbar Gebotene“ habe. Der Gesetzgeber sei nicht daran gehindert, Sozialleistungen mit ausländerrechtlichen Pflichten zu verknüpfen. Dies sei auch mit dem Grundgesetz vereinbar. Hier hätte der Kläger jederzeit höhere Leistungen erhalten können. Voraussetzung hierfür wäre nur gewesen, dass er aktiv an der Beschaffung seiner Passpapiere mitwirkt.
Jelpke: Gericht hat Chance vertan
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, kritisiert das Urteil. Das Bundessozialgericht habe die Chance vertan, ein Gesetz, das gegen die Menschenrechte verstößt, zu korrigieren. Das Gericht habe „der perfiden Praxis der Ausländerbehörden, abgelehnte Asylsuchende zur Mitwirkung an der eigenen Abschiebung zu zwingen, seinen Segen erteilt“. Es sei zynisch, Menschen vor die Wahl zu stellen, „entweder in Hunger, Elend oder Krieg abgeschoben, oder unters Existenzminimum gedrückt, entrechtet und entwürdigt zu werden. Auch für abgelehnte Asylsuchende müssten die Grundrechte uneingeschränkt gelten.
Diese Entscheidung sei auch für die Aufnahmegesellschaft nicht gut, denn die Integration von Menschen, die oft seit vielen Jahren in Deutschland leben, werde damit „konsequent und erbarmungslos“ verhindert, erklärt Jelpke. Die Linkspolitikerin hoffe auf eine Korrektur durch das Bundesverfassungsgericht, das 2012 festgestellt hatte, dass sich die Menschenwürde nicht migrationspolitisch relativieren lässt. (epd/mig) Leitartikel Recht
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