"Hitler ist tot, aber wir leben!"
Moritz Bleibtreu spielt einen jüdischen KZ-Überlebenden
In "Es war einmal in Deutschland …" widmet sich der belgische Regisseur Sam Gabarski dem jüdischen Überleben in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Film ist Zeitgemälde und Schelmengeschichte zugleich.
Von Birgit Roschy Donnerstag, 13.04.2017, 4:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 18.04.2017, 17:44 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
„Hitler ist tot, aber wir leben!“ Und nur darauf kommt es an, will der KZ-Überlebende David Bermann (Moritz Bleibtreu) seinen sechs jüdischen Geschäftspartnern klarmachen, die er 1946 in einem DP-Lager in Frankfurt rekrutiert. Bermann, der einst mit seiner Familie ein Wäschekaufhaus in Frankfurt betrieben hat, will einen Handel mit feiner Aussteuerwäsche aufziehen. Doch er braucht Teilhaber, weil ihm die US-Militärregierung die Geschäftslizenz verweigert.
Um das Startkapital für die Auswanderung zu bekommen, lassen sich die seelisch und körperlich versehrten KZ-Überlebenden auf seine Geschäftsidee ein. Dank kreativer Schwindeleien ist ihr Klinkenputzen bei deutschen Hausfrauen schnell erfolgreich. So erweist sich „Es war einmal in Deutschland…“ als Schelmengeschichte und Zeitgemälde zur selben Zeit.
Parallel zu seinem florierenden Geschäft muss Bermann Verhöre bei der Army absolvieren, weil er im KZ einst als privilegierter Gefangener behandelt wurde. Deshalb verdächtigt ihn US-Offizierin Sara (Antje Traue) der Kollaboration mit den Nazis. Nun ist Bermann zwar ein begnadeter „Teilacher“, wie Hausierer im Jiddischen genannt werden, der Kundinnen eloquent um den Finger wickeln kann. Doch Sara tischt er eine Geschichte auf, die zu schön ist, um wahr zu sein. „Ohne Lügen“ aber, weiß der Alltagsphilosoph, „wäre das Leben nicht zu ertragen.“
Sam Garbarski, der unter anderem mit seinem Film „Irina Palm“ ein Händchen für vertrackte Geschichten bewies, adaptierte mit „Die Teilacher“ und „Machloikes“ zwei Schelmenromane von Michel Bergmann über jüdisches Leben im Nachkriegsdeutschland. Die im Film auf die Jahre 1946 und 1947 verdichteten Episoden gewähren jedoch nicht nur den vielen interessanten Charakteren zu wenig Spielraum, sondern gehen auch auf Kosten einer schlüssigen Handlung.
Wie gelang es jenen geschätzt 4.000 in Deutschland hängengebliebenen jüdischen Holocaust-Überlebenden, mitten im Feindesland aus Mitläufern und ehemaligen Tätern mit ihren Erinnerungen fertigzuwerden? Bermann verkraftet seine Traumata dank selbsttherapeutischer Schwindeleien. Und tatsächlich sind seine eskapistischen Obersalzberg-Geschichten ziemlich lustig.
Ohnehin kommt dem legendären jüdischen Humor als existenzphilosophischer Impfung gegen reale Ungeheuerlichkeiten eine Schlüsselrolle zu. Doch die Fallhöhe zwischen Tragik und Komik wird in der Inszenierung meist zu zaghaft ausgelotet. Selten baut sich jene humoristische Hochspannung auf, bei der einem das Lachen im Halse steckenbleibt.
Moritz Bleibtreu erinnert als Bermann gelegentlich an Groucho Marx und auch an seine ähnliche Überlebendenrolle in „Mein bester Feind“. Die jiddischen Dialogeinsprengsel und musikalischen Motive im Soundtrack sind ebenso erwartbar und aufgesetzt wie die schaufensterhafte Ausstattung und die görlitzeske Frankfurtkulisse ohne eine Spur wiedererkennbaren Lokalkolorits.
Ähnlich künstlich wirken Offizierin Sara, die statt als Frau aus Fleisch und Blut wie eine Drehbuchhilfskonstruktion und Stichwortgeberin daherkommt, und die Schlusswendung, in der ein gewisser Lubawitzer wie ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert und eine völlig neue Baustelle aufgemacht wird. Schon wegen der puren Menge an Anekdoten ist diese Tragikomödie aber nie langweilig, vermittelt abermitunter das Gefühl, dass hier mehr drin gewesen wäre. (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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