Kooperation bei Abschiebungen
Deutschland will „freiwillige“ Rückkehr stärker fördern
Kanzlerin Angela Merkel will Abschiebungen von ausreisepflichtigen Tunesiern beschleunigen. Der tunesische Ministerpräsidenten Chahed sicherte Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu, zeigte sich stellenweise aber zurückhaltend.
Mittwoch, 15.02.2017, 4:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 16.02.2017, 17:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Engere Kooperation bei Abschiebungen, stärkere Unterstützung für freiwillige Rückkehrer: Bei ihrem Treffen in Berlin haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der tunesische Premierminister Youssef Chahed Eckpunkte vereinbart, um mehr abgelehnte Asylbewerber nach Tunesien zurückschicken zu können. Merkel sagte nach dem Treffen, im Gespräch sei ein neuer Ansatz, der die freiwillige Rückkehr durch Bildungsangebote und Starthilfe attraktiv machen soll. Auffanglager, vor denen Flüchtlingsorganisationen zuvor heftig gewarnt hatten, soll es nicht geben.
Merkel zufolge soll über Details der Rückkehrförderung am Mittwoch beim Treffen zwischen Chahed und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gesprochen werden. Auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) soll Vorschläge machen. Deutschland fördert die freiwillige Ausreise erfolgloser Asylbewerber bereits seit längerem über das sogenannte REAG/GARP-Programm. Im Februar startete zusätzlich die umstrittene Initiative „StarthilfePlus“, für die 40 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Laut der am Donnerstag erfolgten Vereinbarung mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer zum Thema Rückführungen bietet der Bund zudem weitere 90 Millionen Euro für solche Programme an.
In Deutschland lebten Ende 2016 rund 1.500 ausreisepflichtige Tunesier, rund 1.000 davon aus unterschiedlichen Gründen geduldet. 2016 kehrten Merkel zufolge nur 116 Tunesier in ihr Heimatland zurück. Das sei nicht genug, sagte die Regierungschefin.
Auffanglager umstritten
Chahed sicherte Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu, betonte aber auch, vor einer Rückführung müsse die Identität der Betroffenen zweifelsfrei feststehen. Bislang sind Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber in die Maghrebstaaten schwierig, auch weil die Herkunftsländer Sammelabschiebungen ablehnen. Der tunesische Premier zeigte sich offen für den Vorschlag, Rückkehrer zu unterstützen, damit sie Arbeit bekommen oder sogar Arbeit schaffen. Zudem äußerte er die Erwartung, dass sein Land vom Marshall-Plan für Afrika, den Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) angekündigt hat, mitprofitiert.
Zum Thema Auffanglager sagte Merkel, beim EU-Rat in Malta sei diskutiert worden, inwieweit solche Einrichtungen in Libyen entstehen könnten. Das Land, über das die meisten Flüchtlinge den Weg über das Mittelmeer nach Europa antreten, sei aber noch nicht so weit. Zunächst würde eine Einheitsregierung gebraucht, die die Kontrolle über das ganze Land hat. Über Tunesien käme dagegen nur ein Prozent der Flüchtlinge, die über das Mittelmeer Italien ansteuern, erklärte Merkel. Es sei nicht in dem Sinne Transitland. Daher sei über solche Einrichtungen auch nicht gesprochen worden. Auch Chahed, der Auffanglager in seinem Land in einem „Bild“-Interview zuvor ablehnte, betonte, dies sei kein Teil der Gespräche gewesen.
Opposition lehnt Deals ab
Vor dem Hintergrund eines neuen Berichts von Amnesty International über Folter und weitere Menschenrechtsverletzungen in Tunesien hatten Organisationen und Opposition zuvor eindringlich vor der Errichtung von Auffanglagern für Flüchtlinge gewarnt. Linke und Grüne lehnten aber auch andere „Deals“ mit dem nordafrikanischen Land ab.
Das EU-Türkei-Abkommen in der Flüchtlingspolitik zeige, „dass auch das eigenständige Handeln und die Souveränität der EU leiden, wenn man sich bei der Lösung eigener Probleme von anderen abhängig macht“, sagte der Vize-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Jan Korte. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte Merkel auf, sich stattdessen für eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik einzusetzen. Von diesem Versäumnis versuche die Kanzlerin abzulenken, sagte Göring-Eckardt. (epd/mig) Aktuell Politik
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