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Tschechiche Flagge © Sébastien Avenet @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Tschechien

Lernen aus dem sozialdemokratischen Rechtspopulismus

Die AfD ist mit ihren rassistischen Äußerungen im Fokus der Medien, ebenso die FPÖ in Österreich oder die Fidesz-Partei um Viktor Orban in Ungarn. Kaum jemand spricht aber über den tschechischen Präsidenten Zeman. Weil er "Sozialdemokrat" ist? Von Jan Komár

Von Mittwoch, 06.07.2016, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 07.07.2016, 20:37 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Nur knapp hat in Österreich der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer das Rennen um das Bundespräsidentenamt verloren. Da erst merkte man, wie schnell Rechtspopulisten in hohe Staatsämter kommen können. Die Erleichterung – auch in Deutschland – war sichtlich, als das Unheil in letzter Minute doch noch abgewendet wurde. Kaum Beachtung fand und findet allerdings, dass das Unheil in anderen europäischen Ländern seit Jahren gelebte Realität ist.

Der ungarische Staatsoberhaupt Viktor Orbán und seine Fidesz-Partei beispielsweise sind in Europa bekannt als Vertreter einer extrem Islam- und Flüchtlingsfeindlichen Politik. Aktuellen Umfragen zufolge ist Tschechien in diesen Disziplinen aber längst Vorreiter. Dort sind vermeintliche Alternativen mit ihren populistischen bis zu rechtsextremen Positionen nicht nur en vogue, sondernlängst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Es gibt sogar einen Schulterschluss mit den regierenden Sozialdemokraten, die den Präsidenten stellen.

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Miloš Zeman gewann – anders als in Österreich – die Wahl zur tschechischen Präsidentschaft im Jahre 2013 dank einfacher, populistischer Parolen. Sein Kontrahent war der damalige Außenminister Karel Schwarzenberg. Das Wahlergebnis war sehr interessant: Schwarzenberg wurde mehrheitlich im kosmopolitischen Prag gewählt. Außerdem wurden die nordböhmische Stadt Liberec, die Stadt Plzeň im Westen Böhmens und die größte mährische Stadt Brno Hochburgen seiner Anhänger. Im Rest Tschechiens gewann der populistische Zeman.

Schwarzenberg war als „Ausländer“ – er ist Aristokrat mit Wurzeln in Österreich – eher eine unattraktive Wahl für die Menschen außerhalb der großen Städte. Parallelen zu einem Phänomen, das wir aus Deutschland kennen, konnte auch bei dieser Wahl beobachten werden: Menschen aus Gegenden, in denen wenig Kontakt zu Menschen anderer Kulturen stattfindet, haben eher rechts gewählt.

Zeman steht weder Orbán noch Hofer in nichts nach. Ein paar Beispiele: Er würde es begrüßen, wenn Israel die Muslime in Palästina so vertreibe, wie es die Tschechen mit den Sudetendeutschen nach dem 2. Weltkrieg getan haben; er stempelte den gesamten Islam als einen Feind der Vernunft und Zivilisation ab und verglich alle Muslime mit Terroristen; bei seiner Weihnachtsansprache 2015 bezeichnete er die Flüchtlingskrise als eine „organisierte Invasion“ und man müsse sich als Europäer gegen diese verteidigen, indem man Syrer deportiert. Kurz: Zeman hetzt seit Jahren gegen Minderheiten auf einer Stufe, wie Geert Wilders, Marine Le Pen oder HC Strache es tun.

Bei Demonstrationen des „Blocks gegen den Islam“ (Blok proti islámu) ist Zeman ein gern gesehener Gast. Der Block wurde vom Entomologen und Dozenten an der südböhmischen Universität, Martin Konvička, gegründet und trägt seit dem dazu bei, dass sich die Debattenkultur in Tschechien immer mehr gen rechts bewegt. Der Schulterschluss des Blocks mit Pegida spricht für sich, ebenso zahlreiche Auftritte von Lutz Bachmann und Tatjana Festerling an diversen Block-Veranstaltungen.

Der Unterschied zwischen dem Tschechen Zeman und den Österreicher Hofer ist, dass erstere als sozialdemokratischer Kandidat antrat, bei FPÖ-Hofer hingegen gab es keine Diskrepanz zwischen ihm und dem Parteiprogramm. Dieser Vergleich zeigt, dass die Grenzen zwischen den Extrema nicht nur fließend sind, sondern sich Positionen und Stellungnahmen vollkommen unterschiedlicher politischer Ideologien sogar überlappen können. Daher gilt: nicht nur auf die Parteifarbei gucken, sondern auf die Kandidaten und deren Inhalte. Aktuell Meinung

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