Antragstau nicht akzeptabel
BAMF-Chef Weise wagt optimistischen Ausblick auf 2016
Flüchtlinge warten wochenlang auf einen Termin - Asylverfahren dauern viele Monate. Das Bundesamt für Migration steht in der Kritik. Behördenchef Weise trat bei einer ersten Bilanz dennoch selbstsicher auf. 2016 soll alles schneller gehen.
Montag, 08.02.2016, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 08.02.2016, 16:31 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Hans-Jürgen Weise, zeigt sich überzeugt, dass das Flüchtlingsamt in Laufe des Jahres bis zu 1,2 Millionen Asylanträge abarbeiten kann. Weise zog am Freitag in Berlin eine Bilanz des Vorjahres und wagte einen optimistischen Ausblick auf 2016. Der Antragsstau beim Bundesamt wird von den Ländern und Kommunen derzeit als größtes Problem bei der Versorgung von Flüchtlingen gesehen.
Weise gab der Kritik an den schleppenden Verfahren Recht: „Diese Situation ist nicht akzeptabel“. Es sei schlimm für die Menschen, so lange zu warten. Der Antragsstau sei auch für jede Integrationsperspektive schlecht und verstärke das Gefühl, „dass rechtsstaatliche Ordnung fehlt“. Kritik an seiner Behörde wies er gleichwohl zurück. Hinweise aus der Politik, es müssten Schichtdienste eingeführt oder mehr gearbeitet werden, seien wenig professionell, sagte er.
Gegenüber dem Vorjahr würde das Bundesamt seine Kapazitäten vervierfachen, wenn es das selbstgesteckte Ziel erreicht. 2015 wurden 280.000 Asylanträge entschieden. Die Zahl von bis zu 1,2 Millionen setzt sich Weise zufolge zusammen aus 370.000 bereits gestellten Anträgen. Hinzu kommen 300.000 bis 400.000 Flüchtlinge, die sich in Deutschland befinden, aber noch keinen Antrag gestellt haben oder stellen konnten. Eine präzise Zahl gibt es nicht, da Doppelregistrierungen möglich sind oder Flüchtlinge auch in andere Länder weitergereist sein können. Gegenwärtig gibt es vielerorts Wartezeiten von mehreren Wochen für einen ersten Termin bei den Außenstellen des Flüchtlingsamts.
Darüber hinaus hätte das Bundesamt Weise zufolge 2016 noch Kapazitäten für 500.000 Neuankömmlinge. Im vorigen Jahr sind mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Prognosen über Zahl und Zusammensetzung der Flüchtlinge in diesem Jahr wollte der Behördenchef nicht geben: „Nach vorne keine Sicht“, sagte er.
Das Personal des Bundesamts soll bis Mitte dieses Jahres auf 6.300 Beschäftigte plus weitere 1.000 abgeordnete Mitarbeiter aus anderen Behörden aufgestockt werden. Bis Ende März soll Weise zufolge die Zahl derer, die über die Asylanträge entscheiden, auf 1.500 steigen. Anfang 2015 gab es nur 360 Entscheider, Ende des Jahres rund 1.000.
Die Asylverfahren werden gegenwärtig umstrukturiert. Inzwischen werde pro Tag über 2.000 Anträge entschieden, sagte Weise. In der ersten Jahreshälfte 2015 seien es noch knapp 900 gewesen. Um die selbstgesteckten Ziele zu erreichen, müssten täglich 6.000 Entscheidungen fallen.
Von Februar an soll die neue Ausweiskarte einsatzbereit sein. Damit soll jeder Flüchtling einmal registriert und seine Daten bei allen zuständigen Behörden erfasst werden. Nur mit dem Ausweis gibt es staatliche Leistungen. Die neue Ausweiskarte bedeute einen Durchbruch, sagte Weise. Sie beende die Doppel- und Dreifachregistrierungen der Vergangenheit. Es werde allerdings bis in die zweite Jahreshälfte dauern, bis alle Flüchtlinge einen solchen Ausweis haben.
In jedem Bundesland soll es künftig ein Ankunftszentrum geben, in dem die Verfahren eingeleitet werden. Weise rechnet damit, dass die Hälfte der Anträge direkt dort entschieden werden können. Nach der Antragsstellung sollen nicht mehr als 48 Stunden vergehen. In komplizierteren Fällen werden die Verfahren in den Außenstellen des Bundesamts fortgeführt.
Der Vorsitzende der Innenminister-Konferenz und saarländische Innenminister Klaus Bouillon (CDU) bescheinigte dem Bundesamt Forschritte. Er sagte im Hessischen Rundfunk, Weise habe das Nebeneinander von Bund, Ländern und Kommunen beendet. Mit durchschnittlich fünf Monaten dauerten die Asylverfahren aber noch zu lange.
Die grüne Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstagsausgaben) Deutsch- und Integrationskurse für alle Flüchtlinge. Man könne nicht Integrationsbereitschaft fordern und zugleich viel zu wenige Plätze in den Kursen bereitstellen, kritisierte die Grünen-Politikerin. Das Bundesamt rechnet Weise zufolge damit, dass in diesem Jahr rund 430.000 Flüchtlinge an Integrationskursen teilnehmen werden, doppelt so viele wie 2015. (epd/mig) Aktuell Politik
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