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Die Europäische Flagge © fdecomite auf flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Bekämpfung von Fluchtursachen

EU-Länder drücken sich vor Zahlungen

Erst im November beschlossen EU-Länder, die Fluchtursachen in afrikanischen Ländern mit Entwicklungszahlungen zu bekämpfen. Davon möchte heute kaum ein Land etwas wissen. EU-Parlamentspräsident Schulz mahnt mehr Solidarität an.

Montag, 18.01.2016, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 08.01.2024, 8:48 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die EU beklagt bei den Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise eine mangelnde Hilfsbereitschaft der Mitgliedsländer. Der für Entwicklungspolitik zuständige Kommissar Neven Mimica forderte die Mitgliedsstaaten auf, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. „Wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, ist mehr Engagement der Mitgliedstaaten bei den Einzahlungen in den Afrika-Treuhandsfonds und auf anderen Feldern nötig“, sagte Mimica der Die Welt. Für den EU-Nothilfefonds zur Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika hätten die Länder bisher erst 81 Millionen Euro zugesagt.

Die Europäer hatten den Fonds im vergangenen November auf dem EU-Afrika-Gipfel in Valletta in Malta beschlossen. Er soll die Entwicklungszusammenarbeit ergänzen und konkrete Projekte in afrikanischen Ländern finanzieren, beispielsweise zur Berufsausbildung von Jugendlichen, zur Konfliktprävention oder zur Ernährungssicherung. Damit soll der Treuhandfonds dazu beitragen, dass Menschen nicht mehr aus ihrer Heimat fliehen müssen.

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Deutschland wehrt sich gegen Vorwurf

„Die EU-Kommission hat 1,8 Milliarden Euro zugesagt, in der Erwartung, dass die Mitgliedstaaten einen ebenso hohen Betrag bereitstellen“, sagte Mimica. Von den 28 EU-Mitgliedsstaaten beteiligen sich bisher 25 Länder, außerdem Norwegen und Schweden. Die höchsten Beiträge kommen laut Mimica aus den Niederlanden (15 Millionen Euro), Italien und Belgien (jeweils zehn Millionen Euro). Deutschland und Frankreich hätten jeweils drei Millionen Euro beigesteuert.

Ein Sprecher des Bundesentwicklungsministeriums wies die Kritik am Donnerstag zurück und sagte, Deutschland komme seinen Verpflichtungen von Valletta eins zu eins nach. Die Länder hätten dort zu keiner Zeit Zusagen über 1,8 Milliarden Euro gemacht, wie sie Mimica nun fordert. Zudem sei Deutschland im Bereich der Fluchtursachenbekämpfung bereits aktiv und stelle beispielsweise 38 Millionen Euro bereit, um in Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union Ernährungs- und Bildungsprojekte in Ländern wie Äthiopien, Kamerun oder dem Sudan zu fördern.

Schulz: Krise wäre keine Krise

Kritik an der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen in der Flüchtlingskrise kommt auch vom Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD). „Wir haben gute Vorschläge“, sagte Schulz am Donnerstag in Brüssel. „Noch besser wäre es, wir hätten eine gute Umsetzung.“ Er dringt deshalb auf eine stärkere Zusammenarbeit in der Europäischen Union.

Die Staats- und Regierungschefs hatten im Sommer vergangenen Jahres beschlossen, 160.000 Flüchtlinge, die in Griechenland und Italien ankommen, in andere Länder zu bringen. Laut den jüngsten Zahlen vom Mittwoch wurden jedoch erst 272 Personen tatsächlich umgesiedelt. „Die Flüchtlingsfrage ist eine Solidaritätskrise untereinander“, sagte Schulz. „Die Flüchtlingsfrage wäre keine Krise, wenn sich alle Staaten an der Aufnahme und Verteilung beteiligen würden“, unterstrich der EU-Parlamentspräsident.

Özdemir fordert „Flüchtlings-Soli“ für Verweigererländer

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir schlägt einen „Flüchtlings-Soli“ vor. „Entweder ein EU-Staat nimmt Flüchtlinge auf oder er muss einen Obolus bezahlen“, sagte Özdemir dem Bonner General-Anzeiger. EU-Staaten, die nicht bereit seien, Flüchtlinge aufzunehmen, müssten dann in eine Umlage einzahlen und sich so an den Kosten jener Länder beteiligen, die zusätzlich Flüchtlinge aufnehmen, forderte der Grünen-Politiker.

„Es kann nicht sein, dass alle Partnerstaaten gerne in Fördertöpfe greifen, einige Staaten sich aber verweigern, wenn es um Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme geht“, kritisierte Özdemir. Der Parteichef erklärte zugleich, dass Deutschland „nicht jedes Jahr eine Million Flüchtlinge aufnehmen“ könne. „Das war ein außergewöhnlicher Kraftakt, den darf man auch nicht klein reden.“ Integration sei „hoch anstrengend für alle Beteiligten“.

Schäuble schlägt europaweite Benzin-Abgabe vor

Nach Vorstellung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) können Autofahrer mit einer Sonderabgabe auf Benzin zur Deckung der Kosten des Flüchtlingszuzugs beitragen. Wenn die Mittel in den nationalen Haushalten und im EU-Etat nicht ausreichten, könnten die EU-Mitgliedsstaaten vereinbaren, auf jeden Liter Benzin eine Abgabe zu erheben, sagte Schäuble der Süddeutschen Zeitung.

Um die Flüchtlingssituation einzudämmen, dürfe keine Anstrengung gescheut werden, sagte der CDU-Politiker. „Warum sollen wir das nicht europäisch verabreden, wenn die Aufgabe so dringend ist? Wir müssen die Schengen-Außengrenzen jetzt sichern. Die Lösung dieser Probleme darf nicht an einer Begrenzung von Mitteln scheitern“, unterstrich Schäuble. (epd/mig) Aktuell Politik

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