Flucht und ihre Ursachen
Werden die Parallelen zwischen Konflikt und Flucht tatsächlich gesehen und angegangen?
2014 waren 60 Millionen Menschen auf der Flucht - die Meisten vor gewaltsamen Konflikten. Obwohl Fluchtursachenbekämpfung von der Bundesregierung immer wieder betont wird, wird sie vernachlässigt. Seit Jahren. Mit fatalen Folgen.
Von Prof. Dr. Ulrike Krause und Dr. Johannes M. Becker Mittwoch, 19.08.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 24.08.2015, 17:30 Uhr Lesedauer: 7 Minuten |
In dem aktuellen Global Trends Report betont UNHCR den weltweiten verheerenden Anstieg von Fluchtbewegungen innerhalb von Ländern sowie über Landesgrenzen hinweg. Laut UNHCR gab es Ende 2014 38,2 Millionen Binnenvertriebene, 19,5 Millionen Flüchtlinge und 1,8 Millionen Asylsuchende. Das sind knapp 60 Millionen Menschen, ein Anstieg von 2006 um knapp 60 Prozent. 1
Die meisten Personen flohen vor gewaltsamen Konflikten und Verfolgung; täglich durchschnittlich ca. 42.500 Menschen.
In einem anderen Beitrag wies Ulrike Krause auf die in 2014 mit der höchsten Notfallstufe klassifizierten Länder hin: „Syrien, Irak, Südsudan und die Zentralafrikanische Republik […]. Bereits diese vier Länder ergeben ca. 17 Mio. Flüchtlinge und Binnenvertriebene, wobei Menschen weltweit in und aus 185 Ländern und Territorien fliehen.“
Konflikte als hauptsächliche Fluchtursache
Als Friedens- und KonfliktforscherInnen fällt auf der Suche nach den Ursachen der scheinbar plötzlichen Fluchtwelle eine fatale Parallele ins Auge. Unter den stärksten Herkunftsländern der aktuellen Fluchtbewegung finden sich Syrien, Afghanistan, Somalia, Sudan, Süd-Sudan, Demokratische Republik Kongo, Irak. Auch aus Libyen und dem Kosovo flohen viele Menschen. In all diesen Ländern bestanden oder bestehen jahrelange gewaltsame Konflikte.
In Syrien hat die Bundesrepublik und haben einige NGOs (z.B. „adopt a revolution„) für eine Verschärfung des Konfliktes gesorgt, unter anderem wurde dazu aufgerufen, Geld für die Bewaffnung der Opposition gegen die syrische Regierung zu spenden. Namhaften Mahnern gegen diese Politik wie beispielsweise den Ex-Mitgliedern des Bundestags Todenhöfer und Wimmer (CDU) wurde nur unzureichend Gehör geschenkt. Auch andere Länder wie die USA, Frankreich und Großbritannien beteiligten sich an der Unterstützung der Opposition, dies sogar durch Waffenlieferung. Weite Teile Syriens liegen nun in Schutt und Asche. 6.575.699 Menschen sind auf der Flucht – im Land und über Landesgrenzen hinweg.
Deutschlands unrühmliche Rolle im Afghanistan-Krieg wurde bereits mehrfach thematisiert, diskutiert und kritisiert. Afghanistan ist in einer desaströsen Lage, seit Jahren. Im ersten Halbjahr 2015 fanden 5.000 Zivilistinnen und Zivilisten den Tod. Seit 2001 sind es sogar 68.000 Tote. Der Wiederaufbau verläuft schleppend und die Gewalt flammt immer wieder auf. 1.226.170 Menschen sind auf der Flucht, seit Jahren.
Der Irak wurde von der Kriegsmaschinerie der USA und ihrer ‚Koalition der Willigen‘ zerlegt und der Krieg hat durch sein divide et impera das Land islamisiert. Derzeit bestehen Kämpfe von und gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat„. 1.894.505 Menschen sind auf der Flucht.
Somalia gilt als Failed State. Obwohl einige Landesteile mittlerweile wieder befriedet sein sollen, hält die Gewalt und die Kontrolle durch Al-Shabaab an. 903.774 Menschen sind auf der Flucht, seit Jahren. Und durch die Anschläge von Al-Shabaab in Kenia verschärft der kenianische Präsident den Umgang mit somalischen Flüchtlingen. In den nächsten fünf Jahren sollen 425.000 Personen repatriiert werden.
Im Sudan, Süd-Sudan und Osten der Demokratischen Republik Kongo herrschen seit vielen Jahren gewaltsame Konflikte. Obwohl Peace Keeping Missionen der Vereinten Nationen in den Ländern etabliert wurden, hält die Gewalt an und flammend immer wieder auf. Millionen sind auf der Flucht, seit Jahren (Sudan: 3.982.684; Südsudan: 1.403.650; DRC: 2.820.131)
Libyen erlitt nach dem Missbrauch des UN-Mandats zum Schutze der Zivilbevölkerung ein ähnliches Schicksal wie Afghanistan. Ein unüberschaubares Desaster hat einen Staat abgelöst, in dem für das absolute Gros der Bevölkerung Bildung, medizinische Versorgung, Trinkwasser und anderes mehr Normalität waren. 41.000 Menschen sind auf der Flucht.
Dem Kosovo versprach der Westen nach der Herauslösung aus Jugoslawien eine gute Zukunft. Das Land bietet den Menschen keine Gegenwart, von einer Zukunft ganz zu schweigen. In Serbien, Montenegro und Kosovo sind 180.466 Menschen sind auf der Flucht, nichtsdestotrotz unterlässt die Bundesregierung scheinbar keinen Versuch, Kosovo und andere Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer zu klassifizieren.
- Alle Daten über die Anzahl der Fliehenden in den unterschiedlichen Ländern sind von UNHCR (Stand: 12. August 2015).
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