NSU-Reformen

Fraktionsübergreifender Minimalkonsens

Mit einem fraktionsübergreifenden Vorstoß sollen die Forderungen des NSU Untersuchungsausschusses umgesetzt werden. Mehr Zusammenarbeit, mehr Kontrolle, mehr Kompetenz sind die Kernthemen des Minimalkonses. Linke und Grüne würden viel weiter gehen.

Donnerstag, 20.02.2014, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 24.02.2014, 0:09 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste verstärken, die Tätigkeit von V-Leuten neu regeln, die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden intensivieren: Solche und andere Reformideen finden sich in einem von allen vier Parteien vorgelegten Antrag, der die Umsetzung der Forderungen des Untersuchungsausschusses zu der Mordserie anmahnt, die dem sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) angelastet wird. Der fraktionsübergreifende Vorstoß soll heute im Plenum beraten und verabschiedet werden.

Der in der zurückliegenden Legislaturperiode eingesetzte Untersuchungsausschuss sollte das staatliche Versagen bei den jahrelang erfolglosen Ermittlungen zu der Erschießung von neun türkisch- oder griechischstämmigen Kleingewerbetreibenden und einer deutschen Polizistin durchleuchten. Die kritische Analyse der Fehlgriffe und Pannen von Verfassungsschutz und Polizei nahm das parlamentarische Gremium zum Anlass, Konsequenzen aus diesem Desaster zu ziehen und im Abschlussbericht auch 50 konkrete Verbesserungsvorschläge für die Arbeit der Sicherheitsbehörden zu präsentieren.

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Mehr interkulturelle Kompetenz
Der Antrag der vier Fraktionen ruft die Regierung auf, „diese Empfehlungen zügig und umfassend umzusetzen“. Der Bundestag unterstütze, wie es in dem Entwurf heißt, die Bemühungen der Regierung, zusammen mit den Ländern Wege für die Verwirklichung der Reformvorschläge auch im Zuständigkeitsbereich der Länder zu entwickeln. Die zuständigen Ausschüsse des Bundestags würden sich ebenfalls „kontinuierlich und mit Nachdruck“ für die Umsetzung der Empfehlungen engagieren.

Im Hinblick auf die Polizeiarbeit etwa wird in dem Antrag gefordert, künftig in allen Fällen von Gewaltkriminalität mögliche politisch motivierte Hintergründe „eingehend“ zu prüfen. Außerdem müssten mehr Menschen unterschiedlicher Herkunft für den Polizeiberuf gewonnen werden und interkulturelle Kompetenz müsse fester Bestandteil der Ausbildung werden. Gleiches gelte auch für den Verfassungsschutz.

Zentralisierung von Informationen
Der Untersuchungsausschuss hatte ebenfalls großen Wert darauf gelegt, die „interkulturelle Kompetenz“ als festen Bestand zu verankern. Dazu gehöre es auch, sich mit den Gründen zu befassen, die zum Scheitern der Ermittlungen bei der dem NSU zugerechneten Mordserie führten. Eine wesentliche Einsicht des Untersuchungsausschusses war, dass bei den diversen Polizeibehörden und Verfassungsschutzämtern auf Landes- und Bundesebene zu den zehn Erschießungen durchaus eine Vielzahl von Informationen vorlag, diese aber zum Teil nicht weitergeleitet und teils auch nicht adäquat analysiert wurden.

Künftig müssten Erkenntnisse von länderübergreifendem Gewicht zentral zusammengeführt und gründlich ausgewertet werden. Das Gremium plädierte dafür, bei Fällen von länderübergreifender Bedeutung eine „zentrale ermittlungsführende Dienststelle mit klar geregelten Weisungsbefugnissen“ einzurichten. Mit einer solchen Aufgabe müsse nicht unbedingt das Bundeskriminalamt beauftragt werden, auch eine Landespolizei könne in Frage kommen. Generell machte sich der Ausschuss dafür stark, die Kooperation von Geheimdienst- und Polizeiinstanzen zu vertiefen.

Minimalkonsens
Neu geregelt werden müssten, wie es im Abschlussbericht des Gremiums heißt, die Kriterien für Eignung, Auswahl und Tätigkeit von V-Leuten. Der jetzt vorgelegte gemeinsame Antrag weist indes darauf hin, dass zwischen den Fraktionen zur Rolle des Verfassungsschutzes und zu V-Leuten auch unterschiedliche Auffassungen existieren. Nach dem Willen von Linken und Grünen sollen etwa grundsätzlich keine Spitzel mehr eingesetzt werden. Die Linke wollen zudem, dass der Verfassungsschutz komplett abgeschafft wird, die Grünen eine Auflösung und Neustrukturierung. Angesichts dieser Meinungsverschiedenheiten seien die im Antrag genannten Empfehlungen als „Minimalkonsens“ zu verstehen.

Nun bleibt es abzuwarten, wie die zumindest im Antrag verankerten Punkte vorangetrieben und tatsächlich umgesetzt werden. Spannend wird vor allem sein, woran die Forderungen nach einem Mentalitätswechsel und interkulturelle Kompetenz im Sicherheitsapparat gemessen werden sollen. In einem offenen Brief jedenfalls hatten Nebenklägervertreter im NSU Prozess und Angehörige der Ermordeten eine ernüchternde Zwischenbilanz gezogen und den politischen Verantwortlichen „das große Abhaken“ vorgeworfen. Sie kritisieren die Ablehnung einer Neuauflage des NSU Untersuchungsausschusses, obwohl viele Fragen unbeantwortet geblieben sind. (hib/KOS/MiG) Aktuell Politik

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