Ausländerpolitik in den 80ern (6/9)
„Die Zuwanderung kann immer nur in dem Rahmen stattfinden, der von der Assimilierungskraft einer Nation gesteckt wird.“
Bonn, 4. Februar 1982. Im Bundestag debattieren die Parteien über Ausländerpolitik – Familienzusammenführung, Assimilation, Einbürgerung, Gettos oder auch darüber, wie man Türken “loswird”. MiGAZIN veröffentlicht in einer neunteiligen Serie die Debatte in voller Länge. Heute: Carl-Dieter Spranger (CSU)
Mittwoch, 14.08.2013, 8:27 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 15.08.2013, 23:05 Uhr Lesedauer: 16 Minuten |
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Info: Carl-Dieter Spranger (CSU) war von 1972 bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages, 1991 bis 1993 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und von 1993 bis 1998 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
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Angesichts dessen was die Sprecher von SPD und FDP aufgeworfen haben, drängen sich vor allem zwei Fragen nach vorn. Die erste Frage: Warum haben Sie das, was Sie heute an Vorschlägen und Ideen unterbreitet haben, eigentlich nicht schon längst politisch umgesetzt und praktiziert, nachdem Sie seit 1969 in Bonn die Regierung stellen?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die zweite Frage: Warum haben Sie angesichts dieser wohlklingenden Reden nichts dagegen unternommen, daß diese Probleme, die wir heute einmütig feststellen und diagnostizieren, in den letzten fünf, zehn Jahren sukzessive entstanden sind? Herr Kollege, Brandt, Ihre staatsphilosophischen Erörterungen hier sind zwar in literarischen Kreisen sicher angenehm zu hören,
(Wehner [SPD]: Damit Sie etwas zu besabbeln haben, Herr!)
doch für praktische Politik gerade in diesem Bereich sind sie wenig hilfreich.
(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Wir haben 4,7 bis – wenn man die Illegalen und die Dunkelziffer einbezieht – etwa 5 Millionen Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland. Der Anteil beträgt je nach den einzelnen Bereichen 8 bis 25 % der Gesamtbevölkerung. Der Anstieg seit 1978 beläuft sich auf etwa 650 000; das sind über 16 %. Über 80 % sind – das haben statistische Untersuchungen ergeben – nicht mehr rückkehrwillig. Das bedeutet – dies ist auch betont worden -, daß Deutschland praktisch zum Einwanderungsland geworden ist. Deutsch ist in vielen Schulen zur Minderheitensprache geworden. Der Anteil der ausländischen Straftatverdächtigen – das sollte man auch nicht herunterspielen – beträgt nun einmal im Jahre 1980 15 % und in bestimmten Deliktsbereichen bis 25 %. Daß der Mißbrauch unseres Sozialstaats, des Asylrechts, des Aufenthaltsrecht in weiten Bereichen unerträglich geworden ist, wissen unsere Mitbürger; das sollten auch wir hier im Bundestag als Grundlage unserer Diskussion nehmen.
„…das in der Vergangenheit vorbildliche Verhältnis zwischen Ausländern und Deutschen nachhaltig gestört ist, da sich – das haben alle betont – Ausländerfeindlichkeit breit macht. Nur, eines muß man doch sagen: Diese Stimmung in der Bevölkerung ist doch nicht Ausdruck einer nationalistischen Überheblichkeit oder einer rassistischen Unbelehrbarkeit der Deutschen, diese Ausländerfeindlichkeit beruht doch nicht auf einer ausländerfeindlichen Haltung der Deutschen…“
Wir müssen feststellen, daß sich Untätigkeit bitter gerächt hat, daß die Bundesregierung ein ausländerpolitisches Konzept weder entwickelt noch durchgesetzt hat, daß sich darüber alle Kommentatoren in der veröffentlichten Meinung einig sind. Meine Damen und Herren, schöne Reden helfen uns hier nicht. Es steht in der Bibel: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.
(Wehner [SPD]: An Ihnen erkennen wir ein Früchtchen!)
Das ist hier auf die Bundesregierung anwendbar.
Meine Damen und Herren, daran läßt sich auch mit irgendwelchen Selbstverständlichkeiten, die hier zum Ausdruck gebracht werden, nichts ändern. Wenn hier die Kollegen sagen, man müsse die Verdienste der Ausländer und unsere humanitären Verpflichtungen ihnen gegenüber anerkennen: Kein Mensch in diesem Hause oder von irgend einer Partei hat dies bestritten oder leugnet die Verantwortung für die ausländischen Mitbürger, aber Tatsache ist doch auch, daß sie zu uns gekommen sind, ohne daß man sie dazu gezwungen hat, daß sie nach Deutschland gekommen sind, um hier Arbeit, Brot und Auskommen zu finden, und daß auch die Deutschen einen Anspruch darauf haben, daß die Bundesregierung ihre Interessen durch entsprechende Entscheidungen berücksichtigt.
(Zuruf von der FDP: „Volk ohne Raum“!)
Der Herr Bundesinnenminister hat dann den Personen, die sich im karikativen Bereich zugunsten der Ausländer eingesetzt haben, Anerkennung ausgesprochen. Auch das ist eine Selbstverständlichkeit. Niemand verweigert den betroffenen Personen diese Anerkennung, aber deswegen kann die Bundesregierung ihre Untätigkeit doch nicht mit der Tätigkeit dieser karikativen Organisationen entschuldigen. Sie entbindet die Bundesregierung nicht davon, ihrerseits die Verantwortung und die Möglichkeit zu nutzen, die sie in der Ausländerpolitik hat, die sie allerdings nicht wahrgenommen hat.
Noch ein Wort zum Bundesinnenminister. Herr Bundesinnenminister, wer die Haushaltsdebatte nachgelesen und heute Ihre Rede verfolgt hat, der kann eines feststellen: Sie versuchen mit banalen Fragen und mit überflüssigen Selbstverständlichkeiten über die Runden zu kommen.
(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)
„Einige kurze Bemerkungen zum Antrag von SPD und FDP. Er steht unter der Maxime: Eingliederung, Integration, Assimilation aller Ausländer nahezu um jeden Preis. Es wird nicht gesagt, mit welchem finanziellen Aufwand und mit welchen konkreten Methoden dieses Ziel erreicht werden soll. Es wird auch nicht die Tatsache berücksichtigt, daß bestimmte große Ausländergruppen wie die Türken, die Asiaten und die Afrikaner nicht integrierbar sind und auch nicht zwangsgermanisiert werden wollen.“
Wenn Sie in der Haushaltsdebatte Fragen aufwerfen und damit Ihre Ausländerkonzeption scheinbar zu bestreiten versuchen, indem Sie sagen: Wie halten wir es mit den Ausländern?, was ist das für ein Phänomen?, haben wir den Mut zu ehrlichen Lösungen?, dann ist das für mich eine peinliche Banalität, weil sonst nichts kommt. Auch heute haben Sie zum Ausdruck gebracht: Wir haben es mit Menschenschicksalen zu tun; den Stein der Weisen haben wir nicht gefunden. – Das sind Dinge, die so selbstverständlich sind, daß man sie im Grunde hier von diesem Podium nicht vortragen sollte.
(Beifall bei der CDU/CSU – Wehner [SPD]: Aber Ihre Rede sollten Sie auch nicht vortragen! Hören Sie doch auf mit Ihrem Senf!)
Was wir von Ihnen verlangen, ist eine Politik, die die Probleme angreift, anpackt und löst und sie nicht so schleifen läßt, wie es im Bereich Umwelt, innere Sicherheit und Energiepolitik zum Kennzeichen Ihrer Politik insgesamt geworden ist. Auf Sie ist das Wort von Schiller anwendbar: Zu schlimmer Tat schön reden ist nicht gut, Das heißt Gerechtigkeit und Tugend höhnen. Aktuell Politik
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