Interview mit Fatih Çevikkollu
„Gut gedacht und gut gemacht sind zwei verschiedene Galaxien“
Der Kabarettist Fatih Çevikkollu spricht in seiner neuen TV-Sendung „Fatihland“ über Themen, die Menschen in Deutschland bewegen. Mit MiGAZIN spricht er über seine neuartige Show, die in einem Friseursalon stattfindet.
Von Ananda Rani Bräunig Dienstag, 20.11.2012, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 18.05.2015, 17:17 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Fatih Çevikkollu hat es geschafft: „Fatihland“ heißt seine neue Comedy-Sendung bei ZDFinfo und dreht sich um Themen, die die Menschen in Deutschland bewegen. Und das an einem Ort, wo die verschiedensten Charaktere aufeinandertreffen: in einem türkischen Friseursalon. Wir trafen Fatih zum Frühstück in einem Kölner Café und sprachen mit ihm über Gott, Fatihland und die Welt.
Eine spanische Kellnerin serviert Fatih ein Joghurt-Müsli.
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MiGAZIN: Bisher sind drei Folgen Deiner neuen Show „Fatihland“ bei ZDFinfo ausgestrahlt worden. In der Show sitzt Du in einem türkischen Friseursalon und plauderst über aktuelle politische Themen.
Fatih Çevikkollu: Ja, wir holen diese große weite Welt in den Friseurladen und haben jedes Mal einen prominenten Gast. Passend zu aktuellen politischen oder gesellschaftlichen Themen. Wigald Boning zum Beispiel war in Afghanistan, Gundula Gause macht sich für Organspenden stark, Ralf Richter spricht in einer Folge über den Voyeurismus des Dschungelcamps.
MiG: Was unterscheidet diese Show von anderen? Es gibt einige Shows, die Aktuelles kommentieren und Prominente hinzu holen. „Fatihland“ hat aber einen etwas anderen Touch durch Deinen Migrationshintergrund.
Fatih: Genau, das fließt auch immer da mit ein. Der Migrationshintergrund ist da, aber wir kommentieren ihn nicht. Wenn ich sage, ich repräsentiere Deutschland, dann sind die Leute erst einmal verdutzt. Ich sage dann: ‚Ja, so sehen die jetzt aus.‘ Ich kann damit auch spielen, wenn ich sage: ‚Was wissen wir Deutschen eigentlich über uns Türken?‘ Diese Ausgangssituation öffnet Tür und Tor für Irritation. Und Irritation ist ganz wichtig, damit Du Gedankengänge noch einmal infrage stellen kannst, noch mal aufbrechen, verändern kannst.
Die Kellnerin serviert zwei Gläser Pfefferminz-Tee.
Fatih: Entschuldigung, eine Frage, das Müsli ist sehr kalt. Könnte ich da irgendwie einen Schluck heiße Milch drauf haben?
Kellnerin: Echt?
Fatih: Ja, echt.
Kellnerin: Normalerweise verkaufen wir das kalt.
Fatih: Ja, aber mir ist es zu kalt.
Die Kellnerin schaut ihn skeptisch an.
Fatih: Ja, ich weiß, ich bin ein Mädchen. Kann ich dann noch etwas Honig haben?
Kellnerin ab.
MiG: Du bist als Kabarettist auf offener Bühne erfolgreich geworden. Jetzt hast Du eine eigene Fernsehshow. Das ist ja noch mal eine ganz andere Nummer. Wie ist das für Dich?
Fatih: Bei „Fatihland“ arbeite ich mit einem sehr guten Autorenteam zusammen. Das kann man alleine nicht schaffen. Ich finde es auch sehr schön, mich mit den Autoren über verschiedene Themen auszutauschen. Das Drehbuch schreibt Michael Gantenberg. Er ist das Mastermind, der auch den Bogen der Serie spannt.
MiG: Wer kam auf die Idee für die einzelnen Elemente der Show? Da ist ja der alte, türkische Friseurinhaber, die junge Auszubildende, die vermummte Frau, die unter der Burka twittert…
Fatih: Ich hatte früher mal eine Mix-Show in einem Friseursalon. Weil diese Shows so Spaß machten, kam ich auf die Idee, dass ich eine Comedy-Show in einem Friseursalon machen möchte. Das gesamte Team fand die Idee super. Dann hat jeder eine Figur vorgeschlagen, die zu diesem Friseursalon passt, wie der türkische Friseurinhaber, der wie ein weiser Häuptling zuhört und selbst nie etwas sagt.
MiG: Und wer steckt hinter der Burka, ist das immer jemand anders oder ein und dieselbe Schauspielerin?
Fatih: Das ist ein freier Geist.
MiG: Es bleibt also geheim?
Fatih: Genau, denn freie Geister brauchen ihren Freiraum (lacht). Aber Du kannst mit ihr twittern unter @burkaleaks. Über Twitter kommentiert sie während der Sendung, was passiert.
MiG: Und der Zuschauer bekommt einige Zusatzinfos, zum Beispiel: Wigald Boning hat nach seinem Afghanistanaufenthalt eine gute Summe Geld gespendet.
Fatih: Die Idee der Show ist genau die: ernsthaft etwas Inhaltliches zu verhandeln. Da geht es nicht um Quatsch machen und ein Produkt in die Kamera halten, sondern darum, ein Thema zu verhandeln, das gerade aktuell und wichtig ist.
Die Kellnerin serviert das Müsli und ein Kännchen heiße Milch.
Kellnerin: Unser Küchenchef meinte, das kann man nicht in die Mikrowelle tun.
Fatih: Nein, das kann man auch nicht. Das ist Joghurt. Ist schon gut. Danke.
Kellnerin ab.
Fatih: Und der Honig –
MiG: Wigald Boning hat auch interessante Beispiele dafür gegeben, warum es nicht immer Sinn macht, in eine andere Kultur einzugreifen. So wie die Geschichte über den neuen Brunnen, der den Frauen ein Dorn im Auge war, weil sie lieber ins Tal liefen, um für sich zu sein.
Fatih: Gut gedacht und gut gemacht sind zwei verschiedene Galaxien. Wigald war klasse, der hat viel Interessantes erzählt. Bei der Deutschen Bundeswehr arbeiten ja auch Frauen. In Afghanistan sind die Frauen verhüllt und ziehen sich zurück, wenn Männer kommen. Eine deutsche blonde Bundeswehr Soldatin ist da ein starker Kontrast. Die Bundeswehr lässt die Soldatinnen bewusst unverhüllt ihren Job machen, damit alle sehen: Die Frauen führen die Panzerdivision an, sie sind vollmächtig, können auch über den Männern stehen.
MiG: Wie können Fans von „Fatihland“ helfen, dass sie weiter gesendet wird? Die drei Folgen bisher sind ja nur die Pilotfolgen.
Fatih: Die Show läuft bei ZDFinfo, man kann „Fatihland“ aber auch im Netz verfolgen und liken oder teilen. Es gibt die Clips auch bei Youtube. Wenn Dir die Show gefällt, einfach posten und kommentieren oder Mails an das ZDF schreiben.
Aktuell InterviewDie Kellnerin kommt und räumt das Müsli ab.
Kellnerin: Haben Sie noch einen Wunsch?
Fatih: Danke, nein.
MiG: Wir würden gerne bezahlen.
Fatih: Wir zahlen zusammen.
MiG: Ich kann das auch gerne bezahlen.
Fatih: Na gut (grinst).
MiG: Das war nur eine Höflichkeitsfrage! (lacht)
Kellnerin: Mein Gott, das war ein Fehler!
Alle lachen.
Fatih bezahlt.
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