Integrationsarbeit zum Nulltarif?
Migrantenverbände fordern mehr Geld für ihre Arbeit
Integrations-, Jugend- oder Elternarbeit, politische Bildung und Arbeitsmarkt. Das sind typische Tätigkeitsbereiche von Migrantenorganisationen. Geld fließt aber nur selten. Dagegen wehren sich jetzt acht Migrantendachverbände.
Dienstag, 17.04.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 23.04.2012, 0:59 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Für Projekte fehlt es Migrantenorganisationen meist am Geld. Denn nur die Wenigsten bekommen regelmäßige Zuwendungen aus EU-Mitteln, vom Bund, von Ländern oder Kommunen. Trotzdem sind Forderungen aus der Politik keine Seltenheit, Migrantenvereine sollten doch bitte Schüler und Jugendarbeit, Familien- und Elternarbeit, frauenpolitische Arbeit, bürgerschaftliches Engagement, politische Bildung, gesellschaftliche Integration im Allgemeinen oder Hausaufgabenhilfe für Schüler, Berufsorientierung für Jugendliche, Sprachkurse für Erwachsene oder Eltern-Kind-Schule-Kurse anbieten. Die Palette der Forderungen ist lang.
Dabei fehlt es Migrantenverbänden in nicht seltenen Fällen sogar an Vereinsräumen. Die Privatadresse des Vereinsvorsitzenden dient gleichzeitig auch als Vereinsadresse. Auch sonst fließt kein Geld. Die Arbeit wird überwiegend ehrenamtlich geleistet, was nicht einmal honoriert wird. Bei Förderanträgen wird das ehrenamtliche Engagement nicht als Eigenanteil berücksichtigt.
Schluss damit!
Aber vor allem bei der Inanspruchnahme von öffentlichen Fördermitteln stoßen Migrantenverbände auf Barrieren. Unzureichende Information über bestehende Fördermöglichkeiten, unzureichende Kenntnisse bei der Beantragung von Förderanträgen, formelle Hürden oder die Notwendigkeit der Erbringung hoher Eigenanteile. Während etablierte „deutsche“ Verbandsvertreter Fördermittel bei einer Tasse Kaffee „klarmachen“, müssen Migrantenvertreter seitenlange Anträge ausfüllen und – meist vergeblich – darauf hoffen, dass ein positiver Bescheid kommt.
Damit soll Schluss sein. Ein Zusammenschluss von bundesweit tätigen Migrantendachverbänden fordert mehr Geld für ihr gesellschaftliches Engagement. Die Identifikation mit Deutschland gelinge nur durch Chancengleichheit, Anerkennung und vor allem gleichberechtigte Teilhabe. Dies geht aus einem von acht Migrantendachverbänden ausgearbeiteten Positionspapier hervor, welches an Maria Böhmer (CDU) überreicht wurde.
Professionalisierung notwendig
„Migrantenorganisationen werden zunehmend Aufgaben übertragen, für die sie jedoch materiell und personell nicht ausreichend ausgestattet sind. Größere Verantwortung und stärkeres gesellschaftliches Engagement der Migrantenorganisationen, die von Politik, Wirtschaft, Forschung, Zivilgesellschaft, Stiftungen und Presse erwartet werden, können jedoch nur durch eine bessere Ausstattung dieser Organisationen realisiert werden“, sagte Mijo Marić im Namen der beteiligten Migrantendachverbände.
Download: Das Positionspapier und die Expertise stehen auf der Website des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zum Download zur Verfügung.
Die Verbände sind sich einig, dass stärkeres bürgerschaftliches Engagement nur mit Professionalisierung der Migrantenorganisationen einhergehen kann. Das Positionspapier zeigt die Arbeitsbedingungen und die Leistungen von Migrantenorganisationen auf und unterbreitet konkrete Vorschläge, welche ihnen eine langfristige Perspektive ermöglichen sollte.
Förderung der Grundausstattung
Konkret fordern sie eine generelle Förderung der Grundausstattung von Migrantenorganisationen. Das sei angesichts zukünftiger soziodemografischer sowie politisch-gesellschaftlicher Entwicklungen eine politische Aufgabe. „Für die zukünftige Stärkung der Verbände ist allerdings nicht nur eine strukturelle Förderung von bundesweit tätigen Migrantenorganisationen notwendig, sondern vielmehr eine Ausweitung der Angebote zur Qualifizierung von Migrantenorganisationen im Allgemeinen“, heißt es in dem Papier.
Notwendig sei der Ausbau von spezifischen, auf Belange von Migrantenorganisationen zugeschnittenen Fördermöglichkeiten auf Landes- und Ortsebene. In bestehenden Förderprogrammen könnten Migrantenorganisationen aufgrund der strukturellen Schwächen nicht mit etablierten Trägern konkurrieren.
Dabei zeigt eine Expertise zu „Stärken und Potentiale von bundesweit organisierten und tätigen Migrantendachorganisationen“, wie vielfältig Migrantenverbände trotz fehlender finanzieller Ausstattung tätig sind und dass sie die migrantische Community am besten erreichen. (es)
Gesellschaft Leitartikel
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