Erneut Skandal

Irmer-Zeitung bezeichnet Roma in Berlin als „Zigeunerproblem“

Der „Wetzlar Kurier“ sorgt erneut für Aufregung. In einer aktuellen Ausgabe werden die Roma in Berlin als „Zigeunerproblem“ bezeichnet. Brisant: Herausgeber ist der CDU-Landtagsabgeordneter Hans-Jürgen Irmer. SPD und Linke fordern nun Konsequenzen.

Donnerstag, 11.08.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 17.08.2011, 1:37 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Der „Wetzlar Kurier“, ein Anzeigenblatt mit einer Auflage von über 100 000, wird kostenlos an private Haushalte in Hessen verteilt. Soweit alles normal, wenn das Blatt nicht in immer wieder mit antimuslimischen und ausländerfeindlichen Parolen und Inhalten von sich reden machen würde.

Schlagzeilen wie „Siegeszug des Islam geht über die Kreissäle“, „Verschärfte Überwachung von Moscheen gefordert“, „Islamischer Religionsunterricht ist das Einfallstor für die Fundamentalisten“, „Für Europa, gegen Eurabien“, „Die schleichende Islamisierung Deutschlands und Europas ist im vollen Gange“ scheinen für den Herausgeber kein Problem zu sein (wir berichteten). Brisant dabei ist, dass dieser kein Geringerer ist, als der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecher der hessischen CDU, Hans-Jürgen Irmer.

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Zigeuner
In einer aktuellen Ausgabe der Wetzlar Kurier nehmen sich die Verantwortlichen nun die Roma vor: „Der Wille das ‚Zigeunerproblem‘ in Neukölln zu lösen, scheint dem rot-roten Senat zu fehlen“, heißt es darin. Dabei wird der Begriff „Zigeuner“ seit den 1970ern nicht mehr verwendet. Eine in diesen Jahren entstandene Bürgerrechtsbewegung hat den Begriff „Zigeuner“, durch „Roma“ abgelöst, um für die Roma eine neue, nicht diskriminierende Perspektive durchzusetzen.

Wie es scheint, hat sich das nicht bis zum CDU-Politiker Irmer durchgesprochen. Zwar ist der Verfasser des Artikels anonym, doch für den integrationspolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Gerhard Merz, spielt das keine Rolle. „Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes ist für diesen Artikel ist der Chefredakteur des Blattes, Hans-Jürgen Irmer. Er verlässt mit dieser Formulierung eindeutig den Pfad des demokratisch Legitimen und lehnt sich an einen Sprachstil an, der an die braune Geschichte Deutschlands erinnert“, so Merz gestern in Wiesbaden. Der SPD-Politiker fordert die CDU auf, „sich umgehend von derlei Hetzgeschmiere zu distanzieren“. So etwas dürfe „eine sich der demokratischen Grundordnung verschriebene Partei nicht akzeptieren.“

Rassistisch, unerträglich, widerwärtig
Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Hessischen Landtag, Janine Wissler, sieht das ähnlich: „Die Beschimpfung der Roma als ‚Zigeuner‘ ist nicht nur rassistisch, die Formulierung ein ‚Problem zu lösen‘, ist in Bezug auf ethnische oder religiöse Minderheiten angesichts der deutschen Geschichte und der Verfolgung und Ermordung der Roma im Dritten Reich unerträglich und widerwärtig.“

Damit bediene sich der Wetzlar Kurier einmal mehr dem Jargon der NPD. Erst kürzlich wurde einem NPD-Abgeordneten im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern nach mehrmaliger Benutzung des Begriffs „Zigeuner“ das Rederecht entzogen worden.

Offenbar genieße Hans-Jürgen Irmer aber „Narrenfreiheit in der CDU. Aber leider ist Irmer nicht nur ein Narr, sondern ein Brandstifter, der rassistische Stimmungen schürt und keine Berührungsängste nach Rechtsaußen hat. Angesichts der Zunahme rechtsextremistischer Gewalt in Europa muss Hetzern wie Irmer endlich Einhalt geboten werden“, so die Linkspolitikerin. Sie fordert die Hessen-CDU auf, „endlich Konsequenzen aus den wiederholten rassistischen Ausfällen“ Irmers zu ziehen. (bk)
Leitartikel Politik

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  1. Fikret sagt:

    Diese Irmer-Zeitung scheint ein grösseres Problem zu sein. In dem sie ein Problem ethnisiert , erweist sie Deuschland kein guter Dienst.

  2. Marike sagt:

    Die Sintiallianz nimmt zum Begriff Zigeuner wie folgt Stellung.

    Originalbrief der Sinti Allianz Deutschland an den Schweriner Landtag

    Betrifft: 101. Landtagssitzung vom Juli 2010

    Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,

    dass der Vizelandtagspräsident Herr Hans Kreher Herrn Tino Müller, NPD, einen Ordnungsruf erteilt hat, weil dieser in der vorbezeichneten Sitzung im Verlauf seines Antrages eine Gruppe von Flüchtlingen aus dem Kosovo aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit als Zigeuner bezeichnet hat, hat nicht nur eine bis heute anhaltende Diskussion in unserem Bevölkerungsteil verursacht, sondern auch Besorgnis hervorgerufen.

    In unserer Gemeinschaft wird diese Vorgehensweise als höchst problematisch erachtet, weil die Verwendung des Begriffs Zigeuner nicht zu einem Ordnungsruf führen sollte.
    Dies trägt dazu bei, dass die Volksbezeichnung von ca. zwölf Millionen Menschen, die in Europa leben, tabuisiert wird.

    Die Sinti Allianz Deutschland erachtet es daher als notwendig, Ihnen die Auffassung unserer Gemeinschaft bezüglich des Gebrauchs der Bezeichnung Zigeuner – zu denen auch die autochthone Volksgruppe der Sinti zählt – zur Kenntnis zu bringen, da es zwischen den Dachverbänden, dem Zentralrat deutscher Sinti und Roma und der Sinti Allianz Deutschland unterschiedliche Auffassungen zum Begriff Zigeuner als wertfreie Sammelbezeichnung bzw. Oberbegriff gibt.

    Ergänzend ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass der größte Teil der deutschen Zigeunerbevölkerung nicht in Vereinen der Volksgruppe organisiert ist, sondern Fragen der angestammten Kultur, Sprache und Identität bis heute im Rahmen der Stämme und Familienverbände diskutiert werden.

    Nach unserer Erkenntnis wird die Bezeichnung Zigeuner von der Mehrheit der Betroffenen Außenstehenden gegenüber selbst verwandt. Selbst Überlebende der Nazi-Diktatur benutzen diese Bezeichnung in ihren Biographien als Überbegriff und auf Grabmalen wird die Bezeichnung Zigeuner häufig als Inschrift gewählt. Es wird nicht die Sammelbezeichnung Zigeuner als diskriminierend und beleidigend empfunden, sondern die ausgrenzende Bezeichnung Sinti und Roma, weil dadurch die Existenz hunderttausender anderer Zigeuner geleugnet wird und diesen damit ihr Selbstbestimmungs- und Vertretungsrecht abgesprochen wird.

    Die Beschränkung auf Sinti und Roma bedeutet zudem, dass die Anliegen und Bedürfnisse derer, die weder Sinti oder Rom sind, keine Berücksichtigung finden.

    Zum Begriff Zigeuner vertreten die Angehörigen der Sinti Allianz Deutschland aus Respekt vor allen anderen Zigeunervölkern die Auffassung, dass mangels eines von allen Zigeunervölkern akzeptierten neutralen Überbegriffs auf die eineinhalbjahrtausend Jahre alte historische Bezeichnung Zigeuner nicht verzichtet werden kann, sofern diese wertfrei benutzt und die Nennung der ethnischen Herkunft als notwendig erachtet wird.

    Eine Zensur oder Ächtung des Begriffs Zigeuner, durch wen auch immer, sollte und darf es in unserem freiheitlichen Land nicht geben.

    Im Übrigen sind wir der Auffassung, dass nicht die Bezeichnung Zigeuner geändert werden muss, sondern die Einstellung gegenüber Zigeunern muss sich ändern.

    Ein Rassist, der Zigeuner hasst, wird sie nicht lieben aufgrund einer „Namenstilgung“ zugunsten fragwürdiger, unwissenschaftlicher und ausgrenzender Ersatzformeln wie Sinti und Roma.
    Eine positive Einstellung zu uns und unseren Kulturen erreichen wir nicht, in dem wir leugnen, Zigeuner zu sein und jedem mit Strafverfolgung drohen, der den Begriff Zigeuner wertfrei verwendet. Die Entgleisungen von Herrn Müller wären nicht dadurch akzeptabler gewesen, wenn er statt von Zigeunern von Roma gesprochen hätte.

    Um Missverständnisse zu vermeiden, möchte die Sinti Allianz Deutschland darauf hinweisen, dass wir Herrn Hans Kreher, FDP, und Herrn Peter Stein, CDU, unseren Dank aussprechen für ihr Engagement im weiteren Verlauf der 101. Landtagssitzung vom Juli 2010, in dem sie Herrn Müller, NPD, die Grenzen aufgezeigt haben, wo Meinungsfreiheit endet und wo Missachtung und Herabwürdigung von Menschen beginnt.

    Das entschiedene Eintreten durch die Herren Kreher und Stein für die Unantastbarkeit der Menschenwürde zeigt, dass ein Herr Tino Müller und andere der NPD nahe stehenden Gesinnungsgenossen in unserem Land keine Chance haben, für ihre mitunter menschenverachtende Gesinnung Mehrheiten zu gewinnen.

    Wir bitten unser Schreiben nicht als Kritik zu verstehen, sondern als Beitrag zur Aufklärung und zum besseren Verständnis!

    Für etwaige Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung und verbleiben

    mit freundlichen Grüßen

    Natascha Winter
    Vorsitzende
    Quelle: http://www.sintiweb.de

  3. Korrektor sagt:

    Steht da im „Wetzlar Kurier“ wirklich „Der Sieg des Islam geht über die KREISSÄLE“?

    Anzunehmen ist es, da ja schon der Name der Zeitung die bindestrich- und somit sinnfreie Aneinanderreihung eines Ortsnamens – eben nicht als Ortsadjektiv „Wetzlarer“ – und eines Substantivs darstellt.
    Liest sich etwa „Hamburg [PAUSE] Zeitung“ weniger schrill?

    In der Tat:
    http://wetzlar-kurier.eu/index.php?option=com_content&task=view&id=57&Itemid=92

    Der Kreißsaal kommt bekanntlich vom Verb „kreißen“, also gebären, und nicht etwa von der (Land-)Kreis-Klinik o.ä.

    Nach Diphtong steht hier zwangsläufig ß, welches niemals mit einem nachfolgenden s „verschmolzen“ werden darf, und erst recht nicht in irgendwelcher Anlehnung an die gute alte Doppel-F-„Schiffahrt“-Rechtschreibung.

    Daher, werter Herr Irmer:
    Hier einen auf deutschnational machen wollen, und dabei nicht einmal die eigene Sprache zu beherrschen, ist sowas von grenzenlos peinlich, die ganze Hetze schrumpft im Nu zu erbärmlichem Halbwüchsigengeschrei.

  4. tinab sagt:

    Ich bitte hier nur zu bedenken, dass nicht alle Sinti oder Roma die Haltung der Sintiallianz teilen. Frau Natascha Winter vertritt eine von mehreren möglichen Meinungen.

  5. Snillisme sagt:

    @ Fikret
    Sie haben völlig recht. Alles einfach laufen zu lassen ist sowieso das Beste und irgendwie auch alternativlos. Die Politik sollte sich nicht einbilden für alle Probleme eine Lösung bieten zu können, das entspricht einfach nicht der Wirklichkeit. Irmer wollte halt auch mal was dazu sagen, soweit ich weiß kam aber das Ding deshalb ins Rollen weil sich das linksalternative Klientel eines Cafes am Görlitzer Platz von den Roma belästigt fühlte. Die sind natürlich über den Vorwurf erhaben, daß sie Rassisten sein könnten.

  6. Marike sagt:

    @ SNILLISME
    In der Tat sind die Leute vom Görlitzer Platz keine Rassisten. Wer mit diesem Begriff Rassisten leichtfertig umgeht hat nie verstanden was Rassismus bedeutet, die Geschichte nicht verstanden!
    Probleme zu verdrängen und schönzureden oder gar tot zu schweigen, erweist allen Betroffenen auch keinen guten Dienst. Dann erheben nämlich wieder die „Sarrazine“ das Wort.

  7. Die Bezeichnung „Zigeuner“ wird hierzulande gleichgesetzt mit „herumziehendem Gauner“.
    Das ist nicht korrekt.
    Der Ausdruck stammt von dem altpersischen Wort „ciganch“, das bedeutet „Musiker“ und hat mit dem Wort „Gauner“ nichts zu tun.
    Die Sinti stammen, meines Wissens, aus der Provinz Sindh, dem „S“ im Kunstnamen PakiStan“. P steht übrigens für „Punjab“, A für „Afghanistan“,K für „Kashmir“ , I für das „Indus Tal“, und S eben für „Sindh“.

  8. Daut sagt:

    Selbstverständlich wird der Begriff „Zigeuner“ weiter verwendet weil es legal ist ihn zu verwenden! Unter anderem auch von der Mobilenethnischenminderheit selber: http://www.spiegel.de/video/video-1148725.html

  9. MoBo sagt:

    Es geht ja auch nicht wirklich darum, ob man „Zigeuner“ oder „Roma“ sagt, es geht darum dass hier in Bezug auf eine ethnische Minderheit von „Problem lösen“ gesprochen wird. Die Art wie das in dem Artikel formuliert wurde ist nun einmal Nazi-Deutsch.

    „Mobilenethnischenminderheit “ ist übrigens rassistisch konnotiert, denn Sinti sind i.d.R. nicht nomadisch und wurden historisch auch eher zur Mobilität gezwungen wie damals (ich meine vor 1800) bei den Juden in Europa.

    Das ein Begriff legal ist, heißt nicht dass man ihn zwanghaft verwenden muss wenn es bessere Begriffe gibt. Nun ist es zwar richtig, dass es „Zigeuner“ gibt, die keine Roma sind, das ist aber in Deutschland die Minderheit.

    (für die Quellen-Fans: ich beziehe mich im wesentlichen auf Dotschy Reinhardts Autobiographie)

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