Antidiskriminierungsstelle

Anonyme Bewerbungen sollen trotz positiver Bilanz freiwillig bleiben

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zieht eine durchweg positive Zwischenbilanz zum Pilotprojekt „Anonymisierte Bewerbungsverfahren“. Dennoch soll das Verfahren freiwillig bleiben. Die Grünen sehen darin einen Widerspruch und fordern Konsequenzen.

Freitag, 17.06.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 24.06.2011, 0:08 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), Christine Lüders, hat ein positives Zwischenfazit zum Pilotprojekt „Anonymisierte Bewerbungsverfahren“ gezogen. Zum einen hätten sich die Befürchtungen der Wirtschaftsverbände als unbegründet erwiesen. Zum anderen seien im zurückliegenden Halbjahr „bei den teilnehmenden Unternehmen und Institutionen bereits mehr als 4.000 Bewerbungen anonymisiert bearbeitet worden“, erklärte Lüders am Donnerstag in Berlin. Davon seien insgesamt 111 Stellen über das anonymisierte Verfahren besetzt. Ob die eingestellten Personen zu den Kreisen zählen, die häufig von Diskriminierung betroffen sind, ließ sie allerdings offen.

Anonymisierte Bewerbungsverfahren sollen freiwillig bleiben
Offen ließ Lüders auch, wieso das anonymisierte Bewerbungsverfahren nach dem Willen der ADS auch in Zukunft freiwillig bleiben soll. Wie Lüders erläuterte, sind die bisher gemachten Erfahrungen durchweg positiv.

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Die Rückmeldungen der Personaler zu dem Projekt seien ebenso positiv wie die nun erfolgende Fokussierung auf die Qualifikationen. Auch das Fehlen einiger persönlicher Angaben in den Bewerbungsunterlagen werde als unproblematisch eingeschätzt. Hinzu komme, dass offenkundig alle im Modellprojekt angewendeten Methoden umsetzbar seien.

Durchweg positive Bilanz
„Auch die Rückmeldungen der Bewerbenden sind ermutigend“, fügte Lüders hinzu. So gab in der Befragung nach dem Bewerbungsprozess eine Mehrheit von 45 Prozent an, dass sie anonymisierte Bewerbungsverfahren bevorzugen würden. Rund 19 Prozent hatten keine Präferenz, lediglich 36 Prozent bevorzugten das herkömmliche Verfahren. Auch was die Einschätzung des Zeitaufwandes angeht, äußerten sich die Befragten positiv: 44 Prozent meinten, dass es für sie keinen zeitlichen Unterschied mache, ob sie sich herkömmlich oder anonymisiert bewerben. Rund 32 Prozent erklärten, mehr Zeit für das herkömmliche Verfahren zu benötigen. Lediglich 24 Prozent sagten, dass sie für das anonymisierte Verfahren mehr Zeit brauchen.

Die Leiterin der ADS unterstrich: „Die Ergebnisse dieser Zwischenanalyse bestärken uns in der Auffassung, dass anonymisierte Bewerbungsverfahren auch in Deutschland mit seiner sehr traditionellen Bewerbungskultur durchführbar sind.“ Denn das neue Verfahren werde in der Tendenz sowohl von den Personalverantwortlichen als auch von den Bewerbenden als unproblematisch empfunden.

Positive Bilanz ohne Konsequenzen
Woher diese Zurückhaltung dann kommt, möchte auch Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer und Sprecher für Menschenrechtspolitik der Grünen, wissen und sieht die Bundesregierung unter Zugzwang.

„Einerseits zieht die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine positive Bilanz, andererseits sind keinerlei Konsequenzen erkennbar. Wenn die Zwischenbilanz des Pilotprojekts wirklich so positiv ausfällt, wie die Antidiskriminierungsstelle behauptet, sollten sämtliche Stellenausschreibungen des Bundes nun rasch auf das anonymisierte Bewerbungsverfahren umgestellt werden. Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung der Privatwirtschaft dieses Verfahren empfiehlt, sich aber selber nicht daran hält“, so Beck.

Kristina Schröders (CDU) Familienministerium steigt aus
Das anonymisierte Bewerbungsverfahren sei ein Schritt in die richtige Richtung. Viel zu häufig werde bei der Stellenvergabe anhand unsachlicher Kriterien und nicht nach der fachlichen Qualifikation entschieden. Diskriminierungen jedweder Art hätten im Bewerbungsverfahren aber nichts verloren. Endlich werde die ADS zumindest ansatzweise ihrem eigenen Anspruch gerecht und tue etwas. Jetzt müsse sie aber auch am Ball bleiben.

„Es gilt, die eigenen Bundesministerien und die Bundesregierung zu überzeugen, das anonymisierte Bewerbungsverfahren selber flächendeckend einzuführen. Dass aber das Bundesfamilienministerium zwar bei dem Pilotprojekt mitmachte, nun aber das Verfahren nicht fortführen will, spricht Bände. Die menschenrechtliche Pflicht zur Antidiskriminierung scheint in den schwarz-gelben geführten Ministerien noch nicht ausreichend angekommen zu sein“, so Beck abschließend. (bk)
Gesellschaft Leitartikel

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  1. Clemens M. sagt:

    Diskriminierung findet am meisten statt, wenn Sprachkenntnisse und Bildung gering sind, die familäre und religiöse Bindung aber sehr stark ist. Dies trifft auf türkischstämmige Migranten am ehesten zu, weshalb unter ihnen ein größerer Teil weniger integriert ist als bei anderen Migrantengruppen.
    (Auf diesem Hintergrund sind Auftritt türkischer Politiker hier besonders kontraproduktiv).
    Gerade weil auch der Anteil türkischer Jugendlicher die arbeitslos sind (als zukünftige Ernährer der Familie) kann man nur dafür plädieren, dass gerade hinsichtlich Bildung und Spracherwerb viel passiert. Allerdings ist es nicht einfach gerade der Gruppe der besonders wenig bildungsaffinen zu erreichen. Da wäre die Migrantenverbände gefragt, die hier viel erreichen könnten. manchmal hat man aber den Endruck, dass es ihnen wichtiger ist auf die Diskrimnierung hinzuweisen – die wiederum auf obengenannten Faktoren beruht.

  2. Tobi sagt:

    so ein ignorant das macht mich extrem wütend

    ich bin ein mann habe einen ausländischen Namen und sehe entsprechend aus

    ich spreche perfekt deutsch und habe Abitur und habe studiert und trotzdem bin ich da draussen der Ausländer.

    CLEMENS Sie sind ein ignorant Sie haben keine Ahnung von den Leiden die wir tagtäglich erleben

    Es ist fatal zu glauben, dass nur Kopftuch-tragende frauen diskriminiert werden