Filiz’ Kolumne

Bildungschancen von Kindern aus Zuwandererfamilien

Viele Kinder aus Einwandererfamilien verlassen die Schule mit einem Hauptschulabschluss. Nur wenige schaffen das Abitur. Noch dramatischer ist die Zahl derjenigen, die ohne einen Abschluss die Schule verlassen. Fast ein Viertel der Kinder aus Zuwandererfamilien brechen die Schule ab. Das ist etwa die dreifache Quote als bei Kindern ohne Migrationshintergrund. Die Zahl ist erschreckend.

Von Mittwoch, 15.09.2010, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 12.01.2011, 23:37 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Bundesregierung hat zum wiederholten Male angekündigt – letztmalig auf dem Bildungsgipfel – dass hier Handlungsbedarf bestehe, und kündigte an, die Zahl der Schulabbrecher zu halbieren. Welche Maßnahmen die Bundesregierung hierzu ergreifen will und vor allem wie viel Geld sie dafür in die Hand nehmen will, wurde nicht bekannt gegeben.

An dieser Stelle ist es sinnvoll zu hinterfragen, warum so viele Kinder aus Zuwandererfamilien die Schule ohne einen Abschluss verlassen? Grundsätzlich kann man sagen, dass die Startchancen von Kindern aus Zuwandererfamilien schlechter sind. So hat schon die PISA-Studie festgestellt, dass das deutsche Bildungssystem Kinder aus sozial schwachen Familien besonders benachteiligt.

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Die frühe Selektion nach der Klasse vier führt zu einem zunehmenden Lerndruck und Lernstress bei SchülerInnen, LehrerInnen aber auch Eltern, sodass eine individuelle Förderung oft auf der Strecke bleibt. Dabei ist es gerade bei Kindern mit Zuwanderungshintergrund sinnvoll, auf die besondere Situation Rücksicht zu nehmen.

Wenn Sprachdefizite vorliegen, wird zu wenig dafür getan, sie zu beheben. Sprachkompetenzen wie die Mehrsprachigkeit werden nicht gefördert. Dieses Versäumnis beginnt leider auch schon im Kindergarten. ErzieherInnen und LehrerInnen sind oft nicht in ihrer Ausbildung interkulturell geschult worden und so wird der Umgang mit Kindern aber auch mit Eltern erschwert.

Oft korreliert das Ganze auch mit dem sozialen Umfeld der Familien. So sind die Kinder besonders betroffen, deren Eltern selber wenig Bildung erfahren haben. Diese Eltern können ihre Kinder oft selber nicht fördern, was dazu führt, dass sie in der Schule nicht mehr mithalten können. Wird dann bereits nach der Klasse vier eine Empfehlung ausgesprochen und heißt diese Empfehlung Haupt- oder Förderschule ist es für die Kinder sehr, sehr schwierig noch auf eine höhere Schulform zu wechseln.

Mit der Einführung des Abiturs nach der Klasse 12 in vielen Bundesländern hat sich der Lerndruck auch in Gymnasien und Realschulen erhöht, sodass nicht der Wechsel auf eine höhere Schulform die Regel ist, sondern die Abschulung.

Bildung ist der zentrale Schlüssel für die Teilhabe an unserer heutigen Gesellschaft. Unser Arbeitsmarkt fragt zunehmend nach hoch qualifizierten Arbeitskräften. Sind die Fachkräfte im Land nicht vorhanden, fordert die Wirtschaft die Zuwanderung von Hochqualifizierten.

Viele junge Menschen sind frustriert und sehen wenig Perspektiven einen guten Ausbildungs- und Arbeitsplatz zu finden. Kommt dann Diskriminierung hinzu, die darin besteht, dass potenzielle Arbeitgeber bei gleicher Leistung das „deutsche“ Kind vorziehen, kann es passieren, dass sich diese Jugendlichen isolieren und nicht mehr mit dieser Gesellschaft identifizieren wollen. Meinung

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  1. Bekir Altas sagt:

    Auf die Herkunft und/oder den sozialen Status kommt es an. Das haben u.a. die Forschungsergebnisse der Shell-Studie und IAB-Umfrage ergeben. Dabei ist das auch nicht neu. Leider fällt es der Politik aber weiterhin schwer diese Chancenungleichheit zu beenden, obwohl die Folgen allseits bekannt sind. Die Gründe hierfür sind vielfältig; ebenso die Lösungsansätze. Sie schlagen in Ihrer Kolumne unter anderem die Abschaffung der frühen Selektion im Bildungssystem an. Die Selektion fällt besonders Kindern aus sozial benachteiligten Milieus und Migrantenkindern schwer; oft sind sie auch „Mehrfachbenachteiligungen“ ausgesetzt (vgl. Studien von Methilde Gomolla). Insofern finde ich Ihre Schlussfolgerung begrüßenswert. Mich würde nur interessieren welche alternativen Lösungsvorschläge sie vorschlagen. Nur mit einer Verlängerung der gemeinsamen Lernjahre wäre es wohl nicht getan. In diesem Zusammenhang würde es mich auch interessieren, wie Sie den Bürgerentscheid in Hamburg bewerten?

  2. Roswitha Haala sagt:

    Zitat:
    „Welche Maßnahmen die Bundesregierung hierzu ergreifen will und vor allem wie viel Geld sie dafür in die Hand nehmen will, wurde nicht bekannt gegeben.“

    Das ist typisch. Zum Vergleich Bundeshaushalt 2014:

    Rüstung: 32.835,68 Milliarden €,
    wie viel Angst muss dahinter stecken, obwohl es hier in Deutschland Möglichkeiten gäbe, deren Ziele mit verheerenden Auswirkungen leicht zugänglich sind?

    Bildung, Wissenschaft und Forschung: 13,8 Milliarden €

    Das pädagogische Handwerk für bessere Bildungschancen für alle lernte ich und damit auch andere Pädagogikstudent_innen bereits in den 70-ern. Die politisch geschaffenen, unterfinanzierten Rahmenbedingungen an allgemeinbildenden Schulen, in der Weiterbildung und gerade in den BAMF-IntV-Integrationskursen widersprechen seitdem ebenso krass dem aktuellen Pädagogikstudium sowie den papierenen Unterrichtszielen.

    Integration im allgemeinen Sinne wäre möglich, um-fair-teilen statt (gewollter?) Selektion mit hohen sozialen Folgekosten.
    .

  3. Roswitha Haala sagt:

    Bezahlung von Kinderbetreuung in Integrationskursen ab 01.06.2014, Auszug aus BAMF*-Trägerrundschreiben:

    “Teil E Integrationskursbegleitende Kinderbetreuung
    § 17 Grundsatz
    (1) Eine Kinderbetreuungsmaßnahme wird nur vergütet, wenn mindestens drei berechtigte Kinder betreut werden (Grundvoraussetzungen). Berechtigte Kinder sind: (…)
    § 18 Vergütung
    Auf Antrag werden für eine Kinderbetreuungsmaßnahme die Kosten für eine Betreuungsperson in Höhe von 14,50 € pro Zeitstunde vergütet. Der Abrechnungszeitraum beträgt mindestens einen Kalendermonat.
    Der Kursträger ist verpflichtet, im Rahmen der Abrechnung dem Bundesamt anzugeben, ob und in welcher Höhe Beiträge bzw. Zuschüsse von Dritten für die Kinderbetreuungsmaßnahme geleistet wurden; diese Beiträge bzw. Zuschüsse werden bis zur Höhe der ansonsten vom Bundesamt gezahlten Vergütung in Abzug gebracht. (…)”

    14,50 € pro Zeitstunde für das Betreuungspersonal der Kinderbetreuung (vergleiche hierzu eine Handwerksrechnung mit Arbeitseinsatz eines Lehrlings, ländlicher Raum nicht unter 18 €!):

    Sprich max. 14,50 € Honorar für die Betreuungsperson!
    Das Betreuungspersonal muss davon 100% aller Sozialversicherungsbeiträge entrichten. Erhält keinen bezahlten Urlaub/Feiertag, keinen bezahlten Krankheitsfall, etc.. Besitzt keinen Kündigungsschutz, keinen ALG I – Anspruch.

    Ist weit entfernt von dem Einstiegsgehalt der Erzieher_innen, falls die entsprechende, berufliche Qualifikation vorhanden sein sollte.

    Frauenarbeit (vorwiegend) und Kinder sind im Regierungsverständnis nichts wert!
    Bleibt die Frage, ob der Träger davon auch noch die Räumlichkeit, Materialien etc. finanzieren muss, dann sinkt das Honorar ins Abgrundtiefe.

    Das unterfinanzierte Betreuungspersonal in BAMF*-Integrationskursen sollte einmal den Zoll zur Überprüfung der Scheinselbstständigkeit einladen.

    * Bundesamt für Migration und Flüchtlinge/BAMF