Studie

Weniger Ehrenmorde als gedacht

Die Mehrzahl der in den Medien als „Ehrenmord“ bezeichneten Gewalttaten in Migrantenfamilien haben andere Ursachen und werden nicht aus Ehrgründen begangen. Dies ist das Ergebnis einer Studie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Mittwoch, 02.12.2009, 8:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

In Ihrer Dissertation über „Ehrenmorde aus kulturanthropologischer Perspektive“ hat die Volkskundlerin Anna Caroline Cöster sich auf die Suche nach den Hintergründen sogenannter Ehrenmorde begeben. Das Bundeskriminalamt spricht zwar von 55 Ehrenmorden innerhalb der vergangenen acht Jahre. „Diese Zahl ist aber viel zu hoch“, so ihr Resultat. Aus 25 untersuchten Gerichtsurteilen habe es sich „nur in zehn Fällen tatsächlich um einen geplanten Mord im Namen der Ehre“ gehandelt.

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Fememorde haben seit der Ermordung Hatun Sürücüs 2005 in Berlin wiederholt Entsetzen ausgelöst. Weltweit rechnen die Vereinten Nationen mit 5000 Todesopfern jährlich. Zu derartigen Exzessen kommt es auch in westlichen Ländern, jedoch weniger häufig als gedacht. Von 55 Opfern in acht Jahren spricht das BKA. Aber ist jeder dieser Morde ein Ehrenmord? Anna Caroline Cöster nähert sich den Hintergründen, um dem Phänomen schärfere Konturen zu verleihen. Auch die Bedrängnis möglicher Opfer bringt sie zur Sprache. Hier geht es  zum Inhaltsverzeichnis.

Fehlende Hintergrundinformationen
Gegenüber MiGAZIN erklärt sie, weshalb Ehrenmorde zahlenmäßig viel größer wahrgenommen werden, als es der Realität entspricht. „Dies hat meines Erachtens zwei Gründe: Zum einen hat man erst seit Ende der 1990er Jahre und insbesondere nach dem Mord an Hatun Sürücü im Jahr 2005 begonnen, Ehrenmorde wahrzunehmen. Es gibt in Pressearchiven Hinweise darauf, dass Ehrenmorde auch schon zu Beginn der 1980er Jahre verübt wurden, aber man hat sie in dieser Zeit statistisch noch nicht erfasst. Zum anderen beruhen die Zahlen, die immer wieder aufgegriffen werden, häufig auf der Vorstellung, dass ein Mann ausländischer Herkunft, der ein nahes Familienmitglied tötet, einen Ehrenmord begeht.“

Vielmehr seien detaillierte Hintergrundinformationen zu den Familien und dem Geschehen vor der Tat notwendig, um herausfinden zu können, ob es sich um einen Ehrenmord handelt oder nicht. „Diese Hintergrundinformationen fehlen bei der statistischen Erfassung der Fälle jedoch meist, da die Hintergründe bereits aus Datenschutzgründen auch nicht publik gemacht werden dürfen“, so die Wissenschaftlerin weiter.

Vermischung von Affekttaten und Ehrenmorden
So komme es, dass auch Fälle in die Statistiken mit einfließen, bei denen die Tat nicht auf verletzte Ehre (im kollektiven Sinne) zurückzuführen ist. Eine Affekttat eines Einzelnen sei jedoch kein Ehrenmord. Durch die Vermischung von Affekttaten und Ehrenmorden falle es jedoch schwer, ehrbezogene Gewalt von Formen häuslicher Gewalt zu trennen. Cöster weiter: „Da ehrbezogene Gewalt, deren extremste Form der Ehrenmord ist, aber eine spezifische Form häuslicher Gewalt darstellt, ist es notwendig hier zu trennen, um sie adäquat angehen zu können“. Diese Trennung habe nichts damit zu tun, Gewalt an Migrantinnen zu rechtfertigen. Das sei absolut nicht ihr Anliegen. “Es geht mir nur um eine Trennung von ehrbezogener und häuslicher Gewalt ohne das eine gegen das andere abwiegen zu wollen.“

Mit einem Beispiel führt Die Volkskundlerin weiter aus, wie das zu verstehen ist: „In einem der in die Statistiken eingehenden Fälle wurde eine Frau von ihrem Ehemann während eines Streits in der häuslichen Küche erstochen. Dieser war über seine Tat derart entsetzt, dass er die Frau ins Krankenhaus brachte. Taten wie diese sind zweifellos schlimm und verachtenswert, aber es handelt sich nicht um Ehrenmorde.“

Ehrenmorden liege nicht das Verständnis eines individuellen Ehrbegriffs, sondern eines kollektiven Familienehrbegriffs (türkisch namus) zugrunde. Sie würden meist nicht unüberlegt begangen. Darüber herrsche jedoch oft Unwissen, „was dazu führt, dass auch Taten als Ehrenmorde deklariert werden, die keine sind.“ Gesellschaft Studien

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  1. Ghostrider sagt:

    Jedes 2. Tötungsdelikt in Deutschland ist eine Beziehungstat !

    Quelle: iPersonic, Gewalt gegen Frauen. Wer hilft, wenn die Beziehung eskaliert?

    Hauptursache: Eifersucht, gekränkte Ehre und Schulden. 98% der Straftäter sind Deutsche.

    Interessant ist, dass nur 0,7 % der Tötungsdelikte bei Beziehungstaten mit Schußwaffen vollzogen werden.

    Der gefährlichste Mensch ist somit der eigene Partner !

    Damit will ich keine Ehrenmorde, die es übrigens auch bei den Italienern zu beklagen gibt, in irgend einer Form rechtfertigen, aber wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

    Ghostrider

  2. Pragmatikerin sagt:

    @Ghostrider,

    Sie haben Recht; wenn man einige altgeiente verh. Paare fragt, ob sie nicht mal an Scheidung gedacht haben, antowrten die meisten: „An Scheiduntg nie, aber an Mord“ ;-). Dies ist ein alter Witz, aber es schein ein Körnchen Wahrheit dahinter zu stecken.

    Pragmatikerin

  3. Pragmatikerin sagt:

    Verbesserung: altgediente verh. Paare

  4. bogo70 sagt:

    @Pragmatikerin,
    Fühlen sie sich Direkt oder Indirekt angesprochen, dass ist mir ziemlich egal. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich jetzt vor Angst zittere oder was soll ihre Drohung bewirken, krampfartige Lachanfälle? Fällt es ihnen schwer zwei Fragen zu beantworten oder die Argumente gegen eine Pauschalisierung zu entkräften? Sie sind doch immer die Erste, die von den Muslimen eine Stellungnahme verlangt, ist es zuviel an Erwartung ausnahmsweise eine Stellungnahme von ihnen zu bekommen, vor allem in Anbetracht der Tatsache das ich keineswegs pauschalisiere, sondern nur die Gemeinsamkeiten im menschlichen Verhalten aufzeige. Ihrem letzten Kommentar nach, steckt auch in Ihnen ein kleiner mordlüsterner Moslem oder ist es doch ein Christ? Ach sorry ich vergaß, sie sind ja Atheistin. ;-)

  5. Pragmatikerin sagt:

    >). Roter Hering

  6. Realist sagt:

    Ich finde dass die Anzahl an Ehrenmorde nicht so wichtig ist, wenn es auch nur ein dutzend dieser Fälle in Deutschland gegeben hätte, dann muss man sich doch trotzdem fragen, bei wievielen Menschen die Drohung mit dem Tod schon erfolgreich war, weiss man gar nicht.
    Diese Ehrenmorde sind mit Sicherheit eine „Seltenheit“, aber sie zeigen wie entschlossen manche Muslime sich gegen unsere Werte wehren und somit gegen die Integration. Wahrscheinlich wird nicht jeder Muslim mit dem Tod gedroht, aber Verstoßungen von der Familie sind nachweisbar auf der Tagesordnung.
    Egal ob es im Koran steht oder nicht, es wird aufjedenfall unter grossem Verschweigen von konservativen Muslimen geduldet.

  7. basil sagt:

    @bogo
    Sie können Ehrenmorde in Deutschland nicht relativieren mit irgendwelchem Irrsinn der in Jordanien passiert.
    Warum machen Sie den Versuch, wenn Sie Ehrenmorde angeblich nicht verniedlichen wollen?

  8. bogo70 sagt:

    Ich verharmlose gar nichts, der Artikel um den es hier geht sollte ihnen die Situation vor Augen führen. Sie sollten sich damit beschäftigen was einen Mord zum Ehrenmord macht und die verlinkte Seite von Pragmatikerin macht Morde, die keine Ehrenmorde sind, doch zu solchen. Das ist die Aussage, sehen sie sich die Fälle an. Da sind Morde die im Affekt oder unter Drogen begangen wurden zu Ehrenmorden erklärt worden, selbst die Tötung des eigenen Vaters und der Ehefrau wird bei ehrenmord.de als Ehrenmord geführt,

    Was hat das noch mit der Ehre zu tun? Bei Ehrenmord geht es darum, die Ehre der Familie und die eigene zu schützen bzw. widerherzustellen, befördert wird das von der Familie des Täters oder vom Täter selbst. Warum sollte der Mörder dann seinen Vater töten, der sich schützend vor die Schwiegertochter stellt? In mindestens zwei Fällen hat sich der Täter nach dem Mord selbst getötet oder es versucht, auch das ist kein Ehrenmord, ein Ehrenmörder tötet um seine Ehre widerherzustellen, warum sollte er sich dann selbst töten und für Muslime ziemlich unehrenhaft sterben? Das Einzige, wozu sich der Autor bei ehrenmord.de durchringen konnte, ist es diese Morde als untypisch für Ehrenmord zu unterstreichen.

    Machen wir jetzt einfach jeden Mord der von Muslimen begangen wird zu einem Ehrenmord und nehmen folglich alle Muslime in Sippenhaft, denn auch sie könnten ja eines Tages im Namen der Ehre töten? Es geht eizig um die unseriöse Art der Auflistung in Pragmatikerins Link und basil, wer sagt ihen, dass es keine deutschen bzw. christliche Ehrenmörder in Deutschland gibt, unsere Medien? Hauptbestandteil des Ehrenmordes ist es die Familienehre herzustellen, wieviele deutsche Männer töten jedes Jahr ihre Familie und sich selbst, um der Schande von Überschuldung und Versagen zu entgehen und wieviele Deutsche Männer töten aus Eifersucht bzw. weil sie es nicht ertragen können von anderen als Versager gesehen zu werden, ist das kein gestörtes Ehrgefühl? Wie nennt man so etwas Familiendrama und Beziehungstat, Ehrenmord an Muslimen festzumachen, entbehrt jeglicher Logik und würde bedeuten, außer Muslimen hätte keiner von uns ein gestörtes Ehrgefühl.

    Wenn ein Mord irgendwie benannt werden muss, dann sollen gefälligst auch serbische, grichische, albanische, sizilianische, brasilianische und sonstige Ehrenmorde so benannt werden. In Albanien ist der offizielle Glauben Islam, aber wahrhaftige Muslime suchen sie dort vergeblich, Ehrenmorde finden sie dafür um so häufiger. Griechen und Serben legen auch Wert auf die Ehrhaftigkeit ihrer Töchter, der offizielle Glauben ist christlich Orthodox, wer weis wieviele Ehrenmorde von diesen Volksgruppen begangen werden?

    Die patriarchale Gesellschaft, legitimiert die Gewalt in Familien und an Frauen. Ein altes albanisches Sprichwort besagt – Zitat: „Wer dich knüppelt, liebt dich und ich kenne nicht wenige deutsche Frauen, die sich von ihren Ehemännern knüppeln lassen und glauben es sei Liebe.

    Der Bezug von Ehrenmorden auf den Islam ist schon grundlegend falsch, jede patriarchale Gesellschaft hat ihre Ehrenmorde und eine Gesellschaft die glaubt sich vollständig vom Patriarchat befreit zu haben, sollte soviel Verstand besitzen, Ehrenmorde in den eigenen Reihen auch als solche zu bezeichnen, aber dann auch bitte schön unter dem Aspekt – „was macht einen Mord zu einem Ehrenmord?“

  9. Ghostrider sagt:

    @Bogo70

    Danke Bogo70, für diese sehr ausführliche Darstellung in Bezug auf Ehrenmorde und Beziehungstaten. Wie schon in meinem Kommentar auf Seite 2 geschildert, fühlen sich auch deutsche „gehörnte“ Ehemänner in ihre Ehre gekränkt und begehen daraufhin Beziehungstaten.

    Die Beziehungstäter gehen sogar oft noch einen Schritt weiter und löschen gleich die ganze Familie aus. Also auch die unschuldigen Kinder.
    Ich möchte jetzt auch nicht wieder von den „Deutschen“ speziell sprechen, denn solche Beziehungstaten werden in ganz Europa leider praktiziert.

    Aber die Integrationsfähigkeit der Muslemen in Bezug mit Ehrenmorden in Deutschland in Frage zu stellen, ist absurd.

    Jedes 2. Tötungsdelikt in Deutschland ist eine Beziehungstat. 98% der Täter sind Deutsche. Bei iPersonic kann man Daten und Fakten dazu nachlesen. Einfach mal googeln.

    Keine Beziehungstat ist zu rechtfertigen. Aber ganz besonders grausam ist es, wenn Kinder den Zoff ihrer Eltern mit dem Leben bezahlen. Wie kaltblütig also handeln solche Mörder?

    Ghostrider

  10. Pragmatikerin sagt:

    Ehrenmorde und Islam (Blog Zölibat & Mehr)

    Ehrenmorde sind zutiefst mit dem Islam verbunden, auch wenn dessen Vertreter dies immer wieder leugnen. Wo der Islam herrscht, da gibt es die mit Abstand höchste Zahl solcher Morde im Namen eines Ehrbegriffs, der sich bei näherer Betrachtung als zutiefst patriarchalisch, vormodern und feige erweist. „Ehrenmorde“ sind die finale Bestrafung von Frauen, die gegen das bis ins kleinste Detail durchorganisierte Überwachungsreglement ihrer männerdominierten islamischen Welt verstoßen haben, ob bewusst oder unbewusst. Wie Zwangsverhüllung, Zwangsheiraten und die massenhaft durchgeführten weiblichen Genitalverstümmelungen dienen sie letztlich dem Ziel der totalen Kontrolle des Mannes über die Frau.

    Den ganzen Artikel können Sie unter nachstehemdem Link lesen.

    Warnen möchte ich allerdings vor den schrecklichen Bildern, von Frauen , die bestialisch verstümmelt wurden, bevor sie umgebracht oder für ihr Leben „gezeichnet“ verletzt wurden.

    […]