
Streit mit Verfassungsschutz
„Vertuschung, V-Leute und Schutz rechter Netzwerke“?
Seit dem NSU-Skandal haftet dem Verfassungsschutz der Verdacht an, sie schütze rechte Netzwerke. So äußerte sich auch der Hamburger Linken-Politiker Deniz Çelik. Der Verfassungsschutz sieht das anders und klagt dagegen. Ein Extremismusforscher hat jetzt ein Gutachten vorgelegt.
Montag, 01.12.2025, 14:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 01.12.2025, 14:21 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
In der anstehenden juristischen Auseinandersetzung des Hamburger Verfassungsschutzes gegen den Bürgerschaftsabgeordneten Deniz Çelik hat der Linken-Politiker Rückendeckung durch einen Extremismusexperten erhalten. Die beanstandete Aussage Çeliks sei keineswegs unbegründet, „sondern stellt eine wissenschaftlich und politisch legitime Schlussfolgerung dar“, heißt es in einer gutachterlichen Stellungnahme des Politikwissenschaftlers der Freien Universität Berlin, Hajo Funke, die Çelik erbeten hat und die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Der Nachrichtendienst hatte zuletzt Klage gegen Çelik eingereicht. Ziel sei es, eine einstweilige Verfügung vor Gericht zu erwirken, die ihm verbietet, zu behaupten, der Verfassungsschutz sei durch „Vertuschung, V-Leute-Skandale und immer wieder auch durch den Schutz rechter Netzwerke aufgefallen“. So hatte es der Linkspolitiker in einer Pressemitteilung im Oktober formuliert.
Verfassungsschutz forderte Unterlassungserklärung
Wegen der Äußerung hatte bereits die Innenbehörde Çelik aufgefordert, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Die beanstandete Formulierung sei besonders geeignet, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Funktionalität und Legitimität des Verfassungsschutzes zu untergraben und damit seine Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen, hieß es. Kritik sei legitim. Der Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft habe aber „kein Recht zur Lüge“. Çelik hatte die Abgabe einer Unterlassungserklärung verweigert.
Mit Blick auf Çeliks Statement betonte Funke: „Es ist meine Hoffnung und Erwartung, dass eine derart empirisch fundierte Meinungsäußerung nicht eingeschränkt wird.“ Der Hamburger Verfassungsschutz nehme im NSU-Komplex eine spezifische, oft unterschätzte Rolle ein. So sei die Hansestadt nicht nur Tatort eines der zehn Morde – an Süleyman Tasköprü am 27. Juni 2001 –, „sondern auch ein Knotenpunkt nachrichtendienstlicher Aktivitäten, die retrospektiv gravierende Fragen nach Mitwisserschaft, Aktenunterdrückung und systematischer Blindheit aufwerfen“.
Funke: CD-Rom schwerwiegender Beleg für Vorwissen
Als einen der schwerwiegendsten Belege für das Vorwissen der Behörden vor der Selbstenttarnung des NSU im Jahr 2011 nannte Funke eine beim Hamburger Verfassungsschutz entdeckte CD-Rom. Diese enthalte ein Archiv von mehr als 15.800 Dateien – von Abbildungen germanischer Gottheiten und Wehrmachtssoldaten bis hin zu Skinhead-Feiern.
Çeliks Anwälte haben nach eigenen Angaben inzwischen beim Landgericht Hamburg beantragt, den bestehenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Dieser sei unzulässig und unbegründet. „Die beanstandete Passage ist als Meinungsäußerung zulässig“, heißt es in dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Schriftsatz. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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