
Rheinland-Pfalz
Mehr Meldungen zu Diskriminierung von Sinti und Roma
Bei der Arbeit, in der Schule, im Internet oder am Haus: Hass und Hetze gegen Sinti und Roma gibt es an vielen Orten. Die erfassten Fälle steigen. Aber viele werden gar nicht gemeldet. Betroffene haben kein Vertrauen.
Dienstag, 28.10.2025, 11:53 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 28.10.2025, 11:53 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) in Rheinland-Pfalz hat im vergangenen Jahr deutlich mehr Vorfälle registriert als im Jahr zuvor – zugleich dürfte das Dunkelfeld noch viel höher sein. 59 Vorfälle wurden 2024 laut Jahresbericht gemeldet, 32 mehr als im Vorjahr. Ein Viertel betraf Minderjährige. Zahlen für 2025 gibt es noch nicht.
Antiziganismus richte sich nicht nur gegen Sinti und Roma, sondern auch gegen andere Minderheiten wie jenische Menschen oder manche Gruppen mit slawischem Hintergrund sowie gegen Berufsgruppen wie Schausteller, erläuterte Jacques Delfeld Junior vom Landesverband Deutscher Sinti und Roma.
Vieles wird nicht angezeigt
Die Meldungen bei MIA seien noch keine repräsentativen Zahlen. Die Minderheiten seien immer noch sehr vorsichtig und skeptisch, erläuterte Delfeld, warum viele Diskriminierung, Beleidigung, Sachbeschädigung oder Angriffe nicht meldeten. Es gehe darum, ein tiefes Verständnis für das Thema aufzubauen.
Viele Betroffene misstrauten einem System, das ihre Familien seit Generationen ausschließe und diskriminiere, erklärt der Bericht die hohe Dunkelziffer. Einige wollten sich auch nicht als Angehörige einer von Antiziganismus betroffenen Gruppe offenbaren, aus Angst vor negativen Konsequenzen. Die meisten Vorfälle würden nicht bei der Polizei angezeigt, selbst wenn sie strafrechtlich relevant seien, heißt es im Bericht. MIA anonymisiert die Meldungen.
Beispiele aus dem Alltag
In dem jetzt vorgelegten Jahresbericht führt MIA zahlreiche Fälle aus dem Alltag aus: „An einer Schule sagt ein Lehrer bei einem Workshop gegen Antiziganismus, dass Sinti und Roma ‚gewisse Eigenheiten‘ und ‚komische‘ beziehungsweise ‚seltsame‘ Bräuche hätten.“
In einem weiteren Beispiel geht es um eine Supermarktkassiererin, die Sintezza ist: „Sie bedient eine vierköpfige Familie. Es ist hektisch. Dann fällt auf: Ein Kind hat einen Lutscher mitgenommen, ohne zu zahlen. Die Mutter geht von der Tür zurück und bezahlt ihn. Kurz darauf kommt die Teamleiterin. Sie fragt die Kassiererin, wie die Familie ausgesehen hat und ob es ‚Zigeuner‘ gewesen seien. Die Teamleiterin weiß, dass die Kassiererin Sintezza ist.“
Bundesweit wurden im vergangenen Jahr 1.678 Vorfälle gemeldet, wie der Geschäftsführer der MIA-Bundesgeschäftsstelle Guillermo Ruiz sagte. Das sind im Schnitt mehr als vier pro Tag und 36 Prozent mehr als im Vorjahr. „Antiziganismus ist leider Normalität.“ Antiziganismus sei kein Tabu, erst recht nicht mit dem Rechtsruck in der Gesellschaft.
Nicht alle Bundesländer haben Meldestelle
Regionale Geschäftsstellen von MIA gebe es bisher erst in sechs Bundesländern. Sie trügen mit ihrer Sichtbarkeit auch dazu bei, dass die Zahl der gemeldeten Vorfälle steigt.
Im bundesweiten Vergleich steche die Zahl von Sachbeschädigungen und NS-bezogenem Antiziganismus in Rheinland-Pfalz heraus, heißt es in dem Bericht.
MIA fordert frühe Sensibilisierung
Viele Betroffene bemerkten aber gar nicht, dass so manche Äußerung eine Kränkung oder Beleidigung sei, „weil man es gar nicht anders kannte“, sagte der rheinland-pfälzische Antiziganismusbeauftragte Michael Hartmann. Und auch unterhalb der Stelle von Antiziganismus sei es auffällig, wie arrogant manche Behörde berechtigte Anfragen der Minderheiten ignoriere.
Eine frühzeitige Sensibilisierung für antiziganistische Stereotype und Diskriminierungsformen insbesondere in Bildungseinrichtungen und Lehrplänen, gehört zu den wichtigsten Forderungen von MIA. Lehrkräfte, pädagogische Personal, Polizei und Behörden sollten zudem mehr gezielte Fortbildungsangebote wahrnehmen. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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