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Bundestag (Archiv) © Deutscher Bundestag / Kira Hofmann / photothek

„Defacto Inhaftierung“

Scharfe Debatte im Bundestag über Umsetzung der EU-Asylreform

Bundesinnenminister Dobrindt will die EU-Asylreform schnell und in Teilen verschärft umsetzen. Die Opposition wirft der Regierung vor, Familien und Kinder de facto inhaftieren zu wollen. Auch von Kinderrechtsorganisationen kommt Kritik.

Donnerstag, 09.10.2025, 15:06 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 09.10.2025, 15:06 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Der Bundestag hat kontrovers über eine geplante Verschärfung der Regeln bei der Umsetzung der EU-Asylreform in deutsches Recht debattiert. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) betonte am Donnerstag im Parlament in Berlin: „Unser Land darf kein Magnet mehr für illegale Migration sein.“ Von den Verschärfungen der deutschen Migrationspolitik profitierten auch die europäischen Nachbarn.

Deutschland ist dem Innenminister zufolge „nicht mehr Bremser, sondern Treiber der Migrationswende in Europa“. Es brauche sowohl nationale als auch europäische Lösungen. Weltoffenheit und europäische Einigung könne man nur erhalten, wenn man Ordnung bei der Migration herstelle, sagte Dobrindt.

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Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (Geas) soll die Einreise von Flüchtlingen besser ordnen und deren Verteilung zwischen den EU-Staaten fairer gestalten. Über Asylanträge von Menschen mit geringer Bleibeperspektive soll künftig bereits an der EU-Außengrenze entschieden werden. In Deutschland muss das im Wesentlichen für Verfahren an Flughäfen umgesetzt werden.

Kinderhilfswerk sieht „gravierende Defizite“

Die EU-Mitgliedsstaaten müssen die Geas-Reform bis Mitte 2026 umsetzen. Dobrindt strebt an, dass Teile der deutschen Umsetzung bereits früher in Kraft treten. Bei Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen stößt die Reform auf Kritik, weil auch Minderjährige in den Grenzverfahren festgehalten werden, es sei denn, sie kommen ohne Begleitung Erwachsener an.

Das Deutsche Kinderhilfswerk sieht etwa „gravierende kinderrechtliche Defizite“ in den Gesetzesentwürfen. Insbesondere die Verlängerung der Verweildauer in Erstaufnahmeeinrichtungen und die Möglichkeiten der Bewegungsbeschränkungen in den Unterkünften seien nicht akzeptabel, erklärte die Vizepräsidentin des Hilfswerkes, Anne Lütkes.

Grüne kritisieren „defacto Inhaftierung“

Zusätzlich will Dobrindt mit dem Gesetzentwurf die Voraussetzungen dafür schaffen, dass mehr Flüchtlinge, für die ein anderer EU-Staat zuständig ist, in gesonderten Einrichtungen untergebracht werden. Damit wird das Ziel verfolgt, die Asylbewerber schneller in diese Staaten zurückzuführen. In Brandenburg und Hamburg gibt es bereits sogenannte Dublin-Zentren.

Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic warf der Regierung vor, mit den geplanten sogenannten Sekundärmigrationszentren Menschen de facto zu inhaftieren. „Familien kommen nach Deutschland, um hier Schutz zu suchen, und werden stattdessen eingesperrt“, sagte Mihalic.

Linke zur Reform: „autoritäre Wende“

Noch schärfer äußerte sich die Linken-Abgeordnete Clara Bünger. Sie bezeichnete die Reform als „autoritäre Wende“ und warf der Regierung vor, eine Politik zu übernehmen, „die lange das Markenzeichen der AfD war: Abschottung, Haft, Entrechtung“. Besonders empörte sie sich über Regelungen, nach denen auch Kinder festgehalten werden könnten, sofern es ihrem Wohl diene: „Haft kann nie, wirklich nie dem Wohl eines Kindes dienen.“

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik (SPD), hingegen verteidigte den Regierungsentwurf. Dieser vereinte „Humanität und Ordnung“ und setze europäische Vereinbarungen sowie den Koalitionsvertrag um. Die Kritik aus der Zivilgesellschaft, von Verbänden und Kirchen nehme sie ernst und könne einige Punkte auch nachvollziehen. „Denn es wird Regelungen geben, die an die Grenze dessen gehen, was das Grundgesetz, die EU-Grundrechtecharta und die Genfer Flüchtlingskonvention zulassen“, sagte Pawlik. (epd/mig) Leitartikel Politik

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