
Lex Muslim
Österreich verbietet Kopftuch bis 14 in Schulen
Bis zu 800 Euro Strafe für Eltern: Die Regierung spricht mit Blick auf das Kopftuchverbot von einem Schutz für Mädchen. Die Islamische Glaubensgemeinschaft warnt vor Stigmatisierung. Das Gesetz verbietet nur die muslimische Kopfbedeckung – und steht in der Kritik.
Sonntag, 14.12.2025, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 14.12.2025, 14:00 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Muslimische Mädchen in Österreich dürfen bis zum Alter von 14 Jahren künftig in Schulen kein Kopftuch mehr tragen. Im Parlament wurde eine entsprechende Gesetzesänderung beschlossen. Familien- und Integrationsministerin Claudia Plakolm sprach im Parlament von einem historischen Schritt zum Schutz von Mädchen. Das Kopftuch sei kein harmloses Stück Stoff. „Es ist ein Zeichen der Unterdrückung“, sagte die konservative Politikerin (ÖVP). Kein Mädchen in Österreich solle damit aufwachsen, dass sein Körper versteckt werden müsse, argumentierte sie.
Das Verbot betrifft das „Kopftuch, welches das Haupt nach islamischen Traditionen verhüllt“, wie es in dem Gesetzestext heißt. Es tritt mit Beginn des Schuljahrs 2026/2027 in Kraft. Bereits im Februar beginnt eine sogenannte Aufklärungsphase, mit der die neue Regelung an den Schulen vorbereitet werden soll.
Strafen von bis zu 800 Euro
Bei Verstößen gegen das Verbot soll die Schulleitung zunächst ein Gespräch mit dem betroffenen Mädchen und seinen Eltern führen. Sollte das Kind weiterhin Kopftuch tragen, müssen die Eltern mit der zuständigen Schulbehörde sprechen. Als äußerste Maßnahme drohen Geldstrafen zwischen 150 und 800 Euro.
Die Gesetzesänderung wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien – ÖVP, Sozialdemokraten (SPÖ) und liberale NEOS – angenommen. Auch die oppositionelle FPÖ unterstützte die Maßnahme. Die Grünen lehnen ein Kopftuchverbot nicht grundsätzlich ab, doch sie stimmten gegen das vorliegende Gesetz, das aus ihrer Sicht nicht verfassungskonform formuliert wurde.
Warum kein Verbot für alle religiösen Kopfbedeckungen?
Eine ähnliche Regelung der ÖVP-FPÖ-Koalition aus dem Jahr 2019 war vom Verfassungsgerichtshof gekippt worden. Das Verbot war damals nur für Grundschulen vorgesehen. Die Richter bemängelten unter anderem, dass das Gesetz nur auf muslimische Mädchen abziele und nicht auf alle religiösen Kopfbedeckungen. Die aktuelle Regierung argumentiert nun, dass es darum gehe, geschlechtsbezogene Unterdrückung zu verhindern. Dieses Problem bestehe etwa bei der jüdischen Kippa oder der Patka der Sikhs nicht, heißt es.
Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) kritisierte das neue Verbot, weil es Kinder stigmatisiere und den gesellschaftlichen Zusammenhalt schwäche. Die IGGÖ kündigte an, das Gesetz verfassungsrechtlich prüfen zu lassen.
Kritik am pauschalen Kopftuchverbot
Kritiker bezweifeln, dass ein pauschales Verbot tatsächlich dem Schutz von Mädchen dient. Statt individuelle Lebenslagen zu berücksichtigen, greife der Staat tief in die religiöse Erziehung von Familien ein und setze Mädchen unter Druck. Fachstellen warnen vor Loyalitätskonflikten zwischen Schule und Elternhaus sowie vor sozialer Ausgrenzung bis hin zum Rückzug aus dem Schulalltag. Auch verfassungsrechtliche Bedenken bleiben bestehen: Das Gesetz werfe erneut Fragen der Gleichbehandlung und der Religionsfreiheit auf.
In der Kritik steht auch die Politik selbst. Die Debatte zum Gesetz habe ein problematisches Bild vom Islam transportiert. Indem das Kopftuch pauschal als Symbol von Unterdrückung dargestellt wird, verfestige die Politik bestehende Vorurteile und trage zur Stigmatisierung der muslimischen Bevölkerung bei. Kritiker sehen darin weniger einen Beitrag zur Gleichberechtigung als vielmehr ein Signal an ein gesellschaftliches Klima, in dem Islamfeindlichkeit politisch anschlussfähig gemacht wird. (dpa/mig) Aktuell Ausland
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