
Zwangsarbeit?
Salzgitter stimmt für Arbeitspflicht für Asylbewerber
Salzgitter prüft eine Arbeitspflicht für Asylbewerber – ein politisch heikles Vorhaben. Während Befürworter auf Integration und Gemeinsinn setzen, warnen Menschenrechtler vor unwürdigen Bedingungen und einer Politik, die an den falschen Stellschrauben dreht.
Donnerstag, 11.12.2025, 11:34 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 11.12.2025, 11:34 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Stadt Salzgitter in Niedersachsen will eine Arbeitspflicht für Asylbewerber prüfen. Das hat der Stadtrat am Abend mehrheitlich entschieden. Asylbewerber sollen – so der Plan – zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden. Die Verwaltung der Großstadt mit rund 100.000 Einwohnern soll das nun prüfen und ein Konzept dafür erarbeiten.
Die Regelung soll unter anderem Integration und Spracherwerb der Flüchtlinge fördern sowie einen positiven Beitrag zur Gemeinschaft leisten, wie es in dem Antrag heißt.
Grundlage für die Arbeitspflicht ist das Asylbewerberleistungsgesetz. Das sieht für Arbeit in Asyleinrichtungen sowie für kommunale oder gemeinnützige Einrichtungen eine Aufwandsentschädigung von 80 Cent je Stunde vor. Wer die Tätigkeit ohne Begründung ablehnt, erhält demnach weniger staatliche Unterstützung. Die Kürzungen sind deutlich höher, als Betroffene mit der „Aufwandsentschädigung“ verdient hätten.
Einige Kreise in Ostdeutschland haben schon solche Regelung
In Thüringen haben mehrere Landkreise bereits eine Arbeitspflicht für Asylbewerber eingeführt, etwa Greiz, der Saale-Orla-Kreis und der Saale-Holzland-Kreis. Auch in Sachsen-Anhalt wurden Asylbewerber bereits zu ebenfalls verpflichtenden Arbeitseinsätze eingeteilt, etwa im Landkreis Harz und im Burgenlandkreis.
Die Landkreise berichten von unterschiedlichen Erfahrungen – in einigen Fällen hätten Flüchtlinge so eine reguläre Anstellung gefunden, in anderen Fällen hätten sie sich geweigert, der Arbeitspflicht nachzukommen. Um wie viele positive wie negative Fälle es sich handelt, ist nicht bekannt.
In Salzgitter forderte der Rat die Verwaltung auf, sich auf Bundesebene für einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylbewerber einzusetzen. Die Fraktionen der CDU und FDP/Freie Wähler stimmten einstimmig für den Antrag der SPD-Fraktion. Aus den Reihen der Sozialdemokraten stimmte die Mehrheit der Ratsmitglieder mit „Ja“.
Oberbürgermeister: „Keine Zwangsarbeit“
Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) betonte, die Regelung dürfe nicht als Zwangsarbeit verstanden werden. Er betonte, ehrenamtliche Aufgaben könnten sinnstiftend sein. Die meisten Asylbewerber würden arbeiten wollen. CDU-Ratsherr Thomas Huppertz sprach mit Blick auf die Pläne von einem möglichen Vorbild für ganz Deutschland.
Ein Ratsherr der Fraktion Grüne-Die Partei kritisierte bei der Arbeitspflicht einen zu hohen Aufwand bei zu geringem Nutzen. Tatsächlich ist die Kritik an diesen Maßnahmen scharf. Menschenrechtler werfen Städten und Gemeinden, die Asylbewerber für 80 Cent die Stunde zur Arbeit verpflichten, Schikane vor. Das sei unwürdig. Wer den Menschen zur Integration verhelfen wolle, habe ganz andere Instrumente zur Hand und könne Barrieren abbauen. Mit dieser Politik fischten manche Politiker am rechten Rand.
Für Kontroversen sorgt das Thema auch in anderen Kommunen in der Region. Der Landkreis Peine hat eine ähnliche Regelung bereits beschlossen. In der Stadt Braunschweig wurde am Dienstag ein ähnlicher Antrag abgelehnt. Auch im Landkreis Helmstedt sollte am Abend über einen vergleichbaren Antrag abgestimmt werden.
Land verweist auf Zuständigkeit der Kommunen
Das Innenministerium erklärte auf Anfrage, dass für die Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes die Landkreise und kreisfreien Städte zuständig seien. Dem Land liege daher kein Überblick darüber vor, welche Kommunen Arbeitsgelegenheiten anbieten oder entsprechende Schritte prüfen.
Solche Tätigkeiten seien einfache gemeinnützige Arbeiten und kein reguläres Arbeitsverhältnis. Arbeitsfähige Leistungsberechtigte müssten zumutbare Angebote grundsätzlich annehmen; bei unbegründeter Ablehnung könnten Leistungen gekürzt werden.
Hohe Nachfrage nach freiwilligen Arbeitsgelegenheiten
In der Landesaufnahmebehörde gebe es seit einigen Jahren ein freiwilliges Angebot zur Aufnahme von Arbeitsgelegenheiten. „Dieses wird sehr gut von den Bewohnerinnen und Bewohnern angenommen“, hieß es vom Ministerium. Häufig übersteige die Zahl der Interessierten die verfügbaren Plätze.
Nach Angaben des Ministeriums bezogen zum Stichtag 31. Dezember 2024 landesweit 45.850 Menschen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Eine kommunale Aufschlüsselung liege nicht vor; Zahlen für 2025 stünden noch aus. (dpa/mig) Aktuell Politik
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Umfrage Muslime befürchten Diskriminierung bei Wehrpflicht
- SEK stürmt Kindergeburtstag Studie deckt auf: Antiziganismus bei der Polizei Alltag
- „Asylverfahren zweiter Klasse“ Bundestag schafft Pflichtanwalt bei Abschiebungen wieder ab
- Rechtsstaat unter Druck Menschenrechtsinstitut: schlechte Noten für Merz und…
- KAS-Studie Rechtsextremismus beunruhigt Deutsche stärker als Zuwanderer
- Deutliche Worte aus Karlsruhe Richter fordert rasche Entscheidung über Visa für Afghanen