
Deutliche Worte aus Karlsruhe
Richter fordert rasche Entscheidung über Visa für Afghanen
Ein hochrangiger Ex-Richter aus Afghanistan und seine Familie mit Aufnahmezusage versuchen seit Jahren, nach Deutschland zu kommen. Nun gibt es eine höchstrichterliche Entscheidung aus Karlsruhe mit einer außergewöhnlich deutlichen Ansprache.
Sonntag, 07.12.2025, 13:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 07.12.2025, 13:12 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Das Bundesverfassungsgericht hat Deutschland verpflichtet, schnell über Visa-Anträge eines afghanischen Ex-Richters und seiner Familie zu entscheiden. Die Entscheidung habe „umgehend“ zu erfolgen, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss des Zweiten Senats. Wie die Bundesregierung entscheiden soll, gibt das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht vor.
Die 3. Kammer verwies die Sache auch nicht an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurück, das als Vorinstanz mit dem Fall beschäftigt war. Die Karlsruher Richterinnen und Richter begründeten dies mit der „besonderen Dringlichkeit“ und der „Besonderheit“ des Falles.
Beschwerdeführer waren ein ehemaliger Richter am Obersten Gericht Afghanistans, seine Ehefrau und die vier gemeinsamen Kinder. Sie hatten mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) Verfassungsbeschwerde und einen Eilantrag in Karlsruhe eingereicht mit dem Ziel der Erteilung eines vorläufigen Visums zur Einreise nach Deutschland.
Innenministerium sieht sich bestätigt
Das Bundesinnenministerium sieht sich durch die Entscheidung aus Karlsruhe in seiner Annahme bestätigt, „dass keine rechtsverbindliche Aufnahme für diesen Personenkreis besteht“, wie eine Ministeriumssprecherin mitteilte. Zur Forderung nach zeitnaher Entscheidung über die Visa-Anträge betonte sie, nach Zuleitung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts „werden wir die notwendigen Schritte einleiten.“
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) befürchtet, dass die Bundesregierung nun zwar entscheiden werde, aber nicht positiv. „Die Bundesregierung hat bereits angekündigt, dass sie Menschen mit Aufnahmeerklärung nach § 22 Satz 2 Aufenthaltsgesetz nicht einreisen lässt“, sagt Mareile Dedekind, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF. Sollte die Bundesregierung die Visumsanträge ablehnen, werde man Rechtsmittel einlegen, kündigte Dedekind an.
Das Bundesinnenministerium hatte die Betroffenen im Jahr 2022 in das Aufnahmeprogramm „Überbrückungsliste“ gesetzt. Das Auswärtige Amt hatte nach Angaben des Gerichts im Juli 2025 mitgeteilt, dass keine Sicherheitsbedenken bestünden und eine Aufhebung der Aufnahmeerklärung nicht beabsichtigt sei. Das OVG Berlin-Brandenburg hatte den Eilantrag der Familie abgelehnt.
GFF sieht Lebensgefahr für Betroffene
Die GFF drängt zur Eile. „Denn die Abschiebung nach Pakistan in die Hände der Taliban steht bevor – und damit Lebensgefahr. Für die Betroffenen in Pakistan rennt die Zeit“, erklärte die Organisation am Abend. Die pakistanische Regierung habe bereits angekündigt, alle Menschen mit deutscher Aufnahmezusage ab Januar 2026 abzuschieben.
„Nach drei Jahren in ständiger Angst hat die Familie immer noch keine Sicherheit vor Abschiebung und Folter“, sagte Mareile Dedekind, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF. Die Organisation kündigte Rechtsmittel an, sollte die Bundesregierung die Visumsanträge ablehnen.
Viele Afghanen warten weiter auf Aufnahme
Die neue Bundesregierung von Union und SPD hatte die Aufnahmeprogramme Anfang Mai vorerst gestoppt. In den vergangenen Wochen kamen dann aber mit mehreren Flügen Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusage von Pakistan nach Deutschland. Insgesamt hoffen noch knapp 1.900 Afghaninnen und Afghanen aus verschiedenen Aufnahmeprogrammen auf eine Aufnahme in Deutschland. Darunter sind auch ehemalige Ortskräfte mit ihren Angehörigen.
Sie hatten vor der erneuten Machtübernahme durch die Taliban vor mehr als vier Jahren für deutsche Institutionen gearbeitet. Für ihre Dienste wurde ihnen Schutz vor den Taliban versprochen. Dieses Versprechen habe die Bundesregierung zugunsten populistischer Eigeninteressen gebrochen, kritisieren Menschenrechtler. Damit sei dem Ansehen Deutschlands und der Bundeswehr in der Welt nachhaltig Schaden zugefügt worden. (dpa/mig) Aktuell Recht
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