
Späte Einsicht
Familienunternehmer: Einladung der AfD war ein Fehler
Der Verband der Familienunternehmer bekennt: Seine Einladung an AfD-Vertreter zu Gesprächen im Oktober sei ein Fehler gewesen. Dabei war lange davor bereits klar, welche Folgen das Erstarken des rechten Populismus hat – gerade für Firmen. Forschung sieht Probleme beim Anwerben von Fachkräften im Ausland.
Von Dirk Baas Dienstag, 02.12.2025, 16:10 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 02.12.2025, 16:13 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Mit seiner Einladung an AfD-Vertreter zu einem Parlamentarischen Abend im Oktober hat der Verband der Familienunternehmer eine heftige Debatte über den Umgang mit der in Teilen extremistischen Partei losgetreten. Kritiker sehen die „Brandmauer“ eingerissen, erste Familienunternehmen haben den Verband aus Protest verlassen. Nun also die späte Einsicht: „Wir erkennen an, dass sich diese Einladung als Fehler erwiesen hat und nicht zu dem geführt hat, was wir beabsichtigt haben. Wir müssen andere Wege der Auseinandersetzung finden, wie wir der AfD kritisch begegnen und gleichzeitig deutlich machen können, wofür wir stehen“, heißt es auf der Homepage.
Kritische Stimmen aus der Wirtschaft zu AfD-Positionen gibt es viele. Zahlreiche Unternehmen warnen schon länger, dass der Aufstieg der AfD mit ihren radikalen Positionen eigene Interessen und auch den wirtschaftlichen Erfolg konterkarieren könnte. Eine ausländerfeindliche Politik schrecke Zuwanderer aus dem Ausland ab, nach Deutschland zu kommen – und verschärfe den Fachkräftemangel. Schon heute fehlen dem Arbeitsmarkt nach Schätzungen knapp 600.000 Personen. Zudem heißt es, die Partei sei ein Standortrisiko, bedrohe Investitionen, Exporte sowie Absatzmärkte und reduziere die Innovationsfähigkeit.
„Die empirische Evidenz deutet darauf hin, dass großer Zuspruch für rechtspopulistische Parteien nachteilig im Werben um Fachkräfte ist“, sagt Tommy Krieger dem „Evangelischen Pressedienst“.
Allerdings sei es grundsätzlich nicht einfach, einen kausalen Einfluss von Rechtspopulismus auf Standortattraktivität nachzuweisen. „Die Schwierigkeit besteht darin, dass es nicht zufällig ist, wo rechtspopulistische Parteien erstarken und man schwer trennen kann, ob Fachkräfte wegen des Erfolges einer rechtspopulistischen Partei fernbleiben oder aufgrund der Faktoren, die zu diesem Erfolg geführt haben“, erklärt der Forscher vom ZEW – Leibniz-Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung.
„Verfasste Wirtschaft“ sieht Standortrisiko
„Die verfasste Wirtschaft (…) bewertet die Partei (AfD) als vor allem politisches, aber auch ökonomisches Standortrisiko“, heißt es in einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) aus dem Jahr 2024. In einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln bei großen Arbeitgebern 2023 sah die Hälfte der Manager „Schwierigkeiten, in AfD-Hochburgen Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen“.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hielt es nach den Erfolgen bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen im Vorjahr für sehr wahrscheinlich, dass die Wahlergebnisse zu einer Abwanderung von Fachkräften führen werden. „Vor allem junge, gut qualifizierte und hoch motivierte Bürgerinnen und Bürger werden dorthin gehen, wo sie mehr Offenheit und Wertschätzung erfahren“, sagte der Ökonom.
Wohnortwahl von Migranten untersucht
Einen genaueren Einblick in die Problemlage gibt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Zwei Untersuchungen zeigen, wie sich fremdenfeindliche Einstellungen auf die innerdeutsche Arbeitskräftemobilität auswirken, aber auch die Wohnortwahl von Zuwanderern beeinflussen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Arbeitskräfte, die innerhalb Deutschlands umziehen, seltener in Regionen ziehen, in denen fremdenfeindliche Einstellungen besonders verbreitet sind“, sagt Forscherin Tanja Buch. Vor allem junge Arbeitskräfte und Hochqualifizierte mieden jene Gebiete, in denen solche Einstellungen sehr verbreitet seien.
Die Autorin der anderen IAB-Studie zur Wohnortwahl von Zuwanderern, Carola Burkert, sagt: „Fremdenfeindliche Einstellungen verringern die Zuwanderung von Arbeitskräften, die gezielt aus dem Ausland kommen. EU-Migranten reagieren dabei empfindlicher auf regionale fremdenfeindliche Einstellungen als Personen aus nichteuropäischen Ländern.“
Tommy Krieger merkt an: „Nicht ganz nachvollziehen kann ich, warum Fachverbände nur das Argument der Fachkräfteanwerbung anbringen.“ 2024 sei eine Studie von Ökonomen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zu den Folgen erschienen, wenn Populisten die Regierung eines Staates übernehmen. „Das Ergebnis ist, dass das Wirtschaftswachstum merklich sinkt.“ Ein wesentlicher Grund sei die Erosion demokratischer Strukturen. Krieger: „Abgesehen davon gibt es auch aufgrund der wirtschaftspolitischen Forderungen der AfD gute Gründe, warum man aus ökonomischer Perspektive vor der AfD warnen kann.“ (epd/mig) Aktuell Wirtschaft
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