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Nach dem Anschlag auf eine Synagoge in Manchester/England © Paul Ellis/AFP

Großbritannien

Angriff auf Synagoge löst Antisemitismus-Debatte aus

Nach der tödlichen Attacke auf eine Synagoge in Manchester am höchsten jüdischen Feiertag kommen tragische Details ans Licht. Der Anschlag wirft ein Schlaglicht auf Antisemitismus in Großbritannien und Europa. Derweil lädt Israel Rechtsextremisten ein. Bei einer Demo gibt es erneut zahlreiche Festnahmen.

Sonntag, 05.10.2025, 13:29 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.10.2025, 13:29 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Der Terroranschlag auf eine Synagoge in Manchester mit zwei Toten und mehreren Verletzten hat die Debatte über die Sicherheit von Juden in Europa erneut angefacht. Großbritanniens Premierminister Keir Starmer, der den Ort des Geschehens am Tag nach dem Angriff mit seiner jüdischen Ehefrau Victoria besuchte, warnte: „Wir müssen es klar benennen, es ist ein Hass, der wieder aufflammt, und Großbritannien muss ihn erneut besiegen“. Einige israelische Politiker äußerten Kritik an London.

Der israelische Staatspräsident Izchak Herzog sagte, in Großbritannien und weiteren Ländern hätten „Fälle von gewalttätigem Antisemitismus ein beispielloses Ausmaß erreicht“. Er legte einen Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg nahe – und betonte: „Die freie Welt kann und darf nicht zulassen, dass der Konflikt zu einem politischen Instrument gegen das jüdische Volk wird.“ Den Opfern sprach er sein Beileid aus.

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Bei dem Anschlag am Donnerstag, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, waren zwei Menschen getötet und mehrere schwer verletzt worden. Der Angreifer hatte nach Angaben der Polizei vor der Synagoge ein Auto in Menschen gesteuert und dann mit einem Messer zugestochen. Er soll zudem versucht haben, in das Gebäude zu gelangen. Er wurde von der Polizei erschossen. Bei den Getöteten handelt es sich um Mitglieder der jüdischen Gemeinde, zwei Männer im Alter von 53 und 66 Jahren.

Opfer durch Polizeischüsse getötet

Nach und nach kamen weitere, teils tragische Details zum Vorschein. So wurde eines der beiden Todesopfer wohl von der Kugel aus einer Polizeiwaffe getroffen. Der Angreifer habe keine Schusswaffe gehabt, teilte die Greater Manchester Police mit. Daher werde davon ausgegangen, dass die Verletzung eine tragische und unbeabsichtigte Folge des Polizeieinsatzes gewesen sei. Auch einer der Verletzten, die im Krankenhaus behandelt werden, habe eine Schusswunde, die aber nicht lebensgefährlich sei, hieß es weiter. Beide sollen sich während des Terrorangriffs hinter der Tür der Synagoge verschanzt haben.

Bei dem Angreifer handelte es sich den Polizeiangaben zufolge um einen 35 Jahre alten britischen Staatsbürger syrischer Abstammung. Zudem seien zwei Männer im Alter zwischen 30 und 40 Jahren und eine Frau zwischen 60 und 70 Jahren im Zusammenhang mit der Tat festgenommen worden, so die Polizei weiter.

Der Angriff rief Erinnerungen an den Anschlag auf die jüdische Gemeinde in Halle (Saale) wach. Dort hatte an Jom Kippur 2019 ein deutscher Rechtsextremist versucht, in die dortige Synagoge einzudringen, um ein Massaker anzurichten. Als dies misslang, suchte er einen nahe gelegenen Döner-Imbiss auf. Er ermordete zwei unbeteiligte Menschen. Die Ermittlungen brachten zutage, dass der Täter ursprünglich mit dem Gedanken gespielt hatte, eine Moschee zu stürmen.

Israelischer Außenminister kritisiert britische Behörden

Direkte Kritik an London kam von Israels Außenminister Gideon Saar: „Ich stehe an der Seite der wunderbaren jüdischen Gemeinde Großbritanniens, die derzeit unter einer schrecklichen Welle des Antisemitismus leidet.“ Britische Behörden hätten dem nichts entgegengesetzt, sagte er. Israel erwarte von der Regierung „einen Kurswechsel“ und „eine konsequente Bekämpfung der grassierenden antisemitischen und antiisraelischen Hetze in Großbritannien“. Saar gehört zum rechten Flügel der israelischen Regierung an.

Der Ministerpräsident des Landes, Benjamin Netanjahu, drückte seine Anteilnahme aus. „Israel trauert mit der jüdischen Gemeinde in Großbritannien nach dem barbarischen Terroranschlag“, sagte er nach Angaben seines Büros. „Schwäche gegenüber Terrorismus führt nur zu mehr Terrorismus“, warnte er zugleich.

Auf die Opfer im Gaza-Streifen gingen die israelischen Politiker in ihren Erklärungen nicht ein, obwohl sie aufgrund der immer weiter steigenden Zahlen in Kritik stehen. Der Krieg Israels im Gaza-Streifen hat inzwischen knapp 60.000 Menschen das Leben genommen. Die meisten Todesopfer sind Angaben zufolge Zivilisten, Frauen, Kinder und Ältere. In dem schmalen Küstengebiet ist durch die Zerstörung jegliche Versorgung nahezu vollständig zum Erliegen gekommen, Hilfsorganisationen sprechen von einer humanitären Katastrophe. Israel steht international zunehmend in der Kritik. Dem Land wird vorgeworfen, einen Völkermord zu begehen. Inzwischen dringt auch der große Verbündete Israels, die USA, auf Waffenruhe. Die Bevölkerung im Gaza-Streifen ist mehrheitlich muslimisch.

Israelischer Minister lädt britischen Rechtsextremisten ein

Auch deshalb schlägt eine Einladung aus Israel hohe Wellen. Der israelische Diasporaminister Amichai Chikli hatte den umstrittenen britischen Rechtsextremen Tommy Robinson nach Israel eingeladen. Robinson sei „ein mutiger Anführer an vorderster Front im Kampf gegen den radikalen Islam“, schrieb Chikli in einem X-Beitrag. Robinson habe sich „als wahrer Freund Israels“ erwiesen. Welchen Islam oder welche Muslime er als „radikal“ einstuft, ließ der israelische Politiker offen. Chikli selbst gehört dem rechtsextremen Lager in der israelischen Regierung an und gilt als nationalistisch und religiös konservativ.

Tommy Robinson, der eigentlich Stephen Yaxley-Lennon heißt, ist einer der bekanntesten Rechtsextremen Großbritanniens und höchst umstritten. Der frühere Chef der rechtsextremen Vereinigung English Defence League ist bekannt für seine islamfeindlichen Aktivitäten. Er wurde bereits mehrfach verurteilt.

Scotland Yard fordert Absage propalästinensischer Demo

Derweil versucht der britische Premier die Wogen zu glätten. Er hatte jüdischen Einrichtungen im Land erhöhten Polizeischutz zugesagt. Um das leisten zu können, forderte Scotland Yard jedoch die Veranstalter einer propalästinensischen Demonstration in London zur Verschiebung oder Absage ihrer Kundgebung am Samstag auf. Die Proteste der Initiative „Defend Our Juries“, die sich gegen das Verbot der Gruppe Palestine Action richten, erforderten erhebliche Ressourcen, hieß es in einer Mitteilung. Das zwinge die Polizei, Kräfte aus anderen Teilen des Landes nach London zu berufen, die dann nicht zur Verbrechensbekämpfung zur Verfügung stünden.

Die Veranstalter der Demo lehnten eine Absage ab. Die Polizei solle sich einfach um „echten Terrorismus“ kümmern, hieß es in einem Post auf X. Palestine Action war Anfang Juli als terroristisch eingestuft worden, nachdem Aktivisten auf einen Luftwaffenstützpunkt eingedrungen waren und Flugzeuge der Royal Air Force mit Farbe besprüht hatten. So wurden bei den Protesten am Samstag mehr als 300 Menschen festgenommen. In den vergangenen Wochen wurden bereits Hunderte Menschen bei ähnlichen Protesten festgenommen. Oft handelte es sich dabei um Demonstranten, teils Rentner und Menschen mit Behinderung. Öffentliche Äußerungen zugunsten der Gruppe werden als Terrorunterstützung gewertet, gegen die strikt vorgegangen wird. (dpa/mig) Aktuell Ausland

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