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Schiff der libyschen Küstenwache © Max Cavallari/SOS Mediterranee

Angriff auf „Ocean Viking“

Verstörende Videos zeigen Beschuss von Seenotrettern durch libysche Küstenwache

Ein EU-finanziertes Boot der libyschen Küstenwache hat das Rettungsschiff „Ocean Viking“ mit 87 Geretteten an Bord unter Dauerfeuer gesetzt. Zahlreiche Einschusslöcher auf Kopfhöhe, zerstörte Ausrüstung und Scheiben. Seenotretter werfen Europa Mitverantwortung vor – und fordern umfassende Aufarbeitung.

Montag, 25.08.2025, 15:35 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 25.08.2025, 18:31 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Das Seenotrettungsschiff „Ocean Viking“ ist nach Angaben seiner Betreiberorganisation von der libyschen Küstenwache beschossen und beschädigt worden. Das Schiff sei am Sonntagnachmittag im Mittelmeer in internationalen Gewässern gezielt unter Beschuss genommen worden, erklärte SOS Méditerranée am Montag in Berlin. Verletzt worden sei niemand, alle hätten jedoch um ihr Leben gefürchtet. Umfangreiches Bildmaterial, das dem MiGAZIN vorliegt, zeigt das verstörende Geschehen und zahlreiche Einschusslöcher. Auf Handyaufnahmen sind während des Angriffs zahlreiche Schüsse zu hören.

Zum Zeitpunkt des Beschusses seien neben der Crew 87 aus Seenot gerettete Menschen an Bord gewesen. Die „Ocean Viking“ habe sich dabei rund 40 Seemeilen nördlich der libyschen Küste befunden, als sich ein Patrouillenboot der Küstenwache genähert habe. Die Seenotretter, die dort zu einer Notfallsuche von der italienischen Leitstelle autorisiert gewesen seien, seien unrechtmäßig zum Rückzug aufgefordert worden. Ohne Vorwarnung hätten dann zwei Männer das Feuer eröffnet und das Schiff mindestens 20 Minuten lang mit Dauerfeuer beschossen, meldete SOS Méditerranée.

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Einschusslöcher auf Kopfhöhe

Das libysche Patrouillenboot habe das Schiff gezielt umkreist und insbesondere die Brücke ins Visier genommen. Es habe Einschusslöcher auf Kopfhöhe gegeben, Antennen seien zerstört worden, vier Brückenfenster zerbrochen. Schnellrettungsboote und weitere Rettungsausrüstung seien schwer beschädigt worden.

„Dieser Vorfall war nicht nur ein empörender und inakzeptabler Akt“, betonte SOS Méditerranée. „Die Methoden, Umstände und Abläufe zeigen klar, dass es sich um einen gezielten Angriff auf unsere Crew und – darüber hinaus – auf unsere Rettungskapazitäten handelte.“ Dies sei kein Einzelfall. Die libysche Küstenwache habe „eine lange Geschichte rücksichtslosen Verhaltens, das Menschen auf See gefährdet, Menschenrechte eklatant verletzt und internationales Seerecht vollkommen missachtet“.

Angreifer-Schiff gehörte Italien

Die Seenotrettungsorganisation warf europäischen Staaten vor, dennoch ihre Unterstützung, Ausstattung und Ausbildung der libyschen Küstenwache fortzusetzen. Das bei dem Angriff eingesetzte Corrubia-Patrouillenboot sei 2023 von Italien im Rahmen eines EU-Programms an die Libyer übergeben worden. SOS Méditerranée fordere eine umfassende Untersuchung der Ereignisse vom Sonntag und eine strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen, betonte Einsatzleiterin Soazic Dupuy.

Das italienische Innenministerium wollte den Vorfall nicht kommentieren. Eine Anfrage bei der EU-Kommission blieb zunächst unbeantwortet.

Auswärtiges Amt zeigt sich „ernst“

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, man habe Berichte über Angriffe auf die „Ocean Viking“ vom Wochenende zur Kenntnis genommen. Zur Identität der mutmaßlich beteiligten Einheiten der libyschen Küstenwache lägen keine eigenen Erkenntnisse vor. Man nehme die Berichte von Nichtregierungsorganisationen zu möglicherweise rechtswidrigem Verhalten der libyschen Küstenwache jedoch sehr ernst. In Gesprächen mit libyschen staatlichen Akteuren würden bestehende Defizite klar angesprochen. Die Bundesregierung hatte kürzlich beschlossen, staatliche Hilfen für Seenotretter zu streichen.

Die „Ocean Viking“ nahm Kurs auf ihren Heimathafen Syrakus. Dort sollen die 87 Geretteten an Land gebracht und die nötigen Reparaturen vorgenommen werden. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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