
Gericht stopp Schulverweis
Richter: Neonazi-Gruß könnte auch Whatsapp-Emoji sein
Das Verwaltungsgericht Greifswald stoppt vorerst den Schulverweis gegen einen Neuntklässler. Die Schule wirft ihm vor, während eines KZ-Besuchs ein rechtsextremes Zeichen gezeigt zu haben. Der Richter sieht das anders: das Zeichen könne auch ein Whatsapp-Emoji sein. Das Auschwitz-Komitee kritisiert.
Donnerstag, 26.06.2025, 18:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 26.06.2025, 18:47 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Das Verwaltungsgericht Greifswald hat bei einer im früheren Konzentrationslager Auschwitz gezeigten Geste eines Schülers keinen eindeutig rechtsextremen Hintergrund erkannt. Das geht aus dem Beschluss hervor, mit dem das Gericht am Mittwoch den angestrebten Schulverweis gegen den Jugendlichen vorerst gestoppt hatte und der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Der Vorfall betrifft zwei Neuntklässler aus Greifswald, die während einer Studienfahrt in der KZ-Gedenkstätte Ende Mai ein Video aufgenommen hatten, wie die „Ostsee-Zeitung“ berichtet und das Bildungsministerium in Schwerin bestätigt hatte.
Einer der Jugendlichen war darin mit einer dem rechtsextremen „White-Power-Zeichen“ ähnlichen Handhaltung zu sehen. Daraufhin waren die Schulverweise ausgesprochen worden, gegen den sich der Schüler zur Wehr gesetzt hatte.
Gericht sieht keine Anhaltspunkte, welches Zeichen gezeigt wurde
„Der Bescheid postuliert, dass der Antragsteller das ‚White-Power-Zeichen‘ gezeigt habe. Dieses Zeichen ist dem sowohl bei Tauchern als auch sonst (Whatsapp-Emoji 👌) genutzten OK-Zeichen sehr ähnlich“, heißt es in dem Gerichtsbeschluss.
Bei beiden bilden Daumen und Zeigefinger einen Kreis. Der Unterschied bestehe darin, dass bei dem „OK-Zeichen die übrigen Finger geschlossen gerade nach oben zeigen, beim ‚White-Power-Zeichen‘ abgestreckt werden, um ein ‚W‘ zu symbolisieren“, so das Gericht weiter.
Da der Schüler auf dem Video die „die Finger nicht gerade ausgestreckt“ habe, handele es „sich bei der Geste also weder um ein korrektes ‚OK‘ noch um ein korrektes ‚White-Power-Zeichen‘“. Somit fehle es an Anhaltspunkten dafür, welches Zeichen tatsächlich gezeigt werden sollte.
Auschwitz Komitee kritisiert Greifswalder Gerichtsbeschluss
Das Internationale Auschwitz Komitee übte Kritik an der Gerichtsentscheidung: Auschwitz-Überlebende hätten „zunehmend das Gefühl, mit ihren Erinnerungen, Emotionen und Empfindungen missachtet und verdrängt zu werden“, heißt es in einer Mitteilung des Komitees.
„Die Überlebenden des Holocaust fragen sich immer dringlicher, wie die deutsche Gesellschaft zukünftig mit diesem Potenzial des Hasses und der Verachtung leben will, dem mittlerweile durch rechtsextreme Agitatoren auch immer mehr junge Menschen ausgesetzt sind.“
Kritik an Schule und am Staatlichen Schulamt
In dem Beschluss wird auch Kritik an der Schule sowie am Staatlichen Schulamt geübt. So sei der Entscheidung, das Schulamt einzuschalten nicht von der dafür zuständigen Schulkonferenz, sondern nur von einem Teilgremium beschlossen worden.
Zudem habe es das Schulamt versäumt, näher auf die vermeintliche Intention der Geste einzugehen: „Aus der dem Gericht vorliegenden, kaum lesbaren Kopie des Verwaltungsvorgangs lässt sich lediglich entnehmen, dass der Antragsteller bislang im Schulalltag nicht negativ aufgefallen ist“, heißt es in dem Beschluss. Insbesondere seien keine nationalistischen oder rechtsradikalen Tendenzen bekannt.
Auch das Gericht habe nichts derartiges feststellen können: „Es fehlt deshalb an einer hinreichenden Grundlage für die Annahme, es habe sich tatsächlich um die ‚White-Power-Geste‘ gehandelt.“ Laut Schweriner Bildungsministerium will das Staatliche Schulamt Greifswald Beschwerde gegen den Beschluss einlegen. (dpa/mig) Aktuell Recht
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