
Schnelle Ablehnung, langer Klageweg
Auswärtiges Amt schafft Visa-Widerspruchsverfahren ab
Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit schafft das Auswärtige Amt weltweit das Remonstrationsverfahren für abgelehnte Visaanträge ab. Das trifft vor allem Ehepartner – und deutsche Gerichte.
Von Daniel Lautenbacher Donnerstag, 26.06.2025, 11:41 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 26.06.2025, 11:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Zum 1. Juli 2025 schafft das Auswärtige Amt weltweit das Remonstrationsverfahren für abgelehnte Visaanträge ab. Diese Entscheidung betrifft vor allem auch Ehepartner und enge Familienangehörige deutscher Staatsangehöriger sowie Berufstätige aus Drittstaaten.
Das bisherige Verfahren ermöglichte es Antragstellenden, ablehnende Entscheidungen kostengünstig und vergleichsweise schnell durch die zuständige Auslandsvertretung überprüfen zu lassen – ohne sofort den Klageweg beschreiten zu müssen. In der Praxis erfüllte die Remonstration oft die Funktion einer Fachaufsichtsbeschwerde: Die Einwände mussten geprüft und gegebenenfalls eine neue Entscheidung getroffen werden. Diese leichte Widerspruchsmöglichkeit zur schnellen Fehlerkorrektur fällt nun weg.
Weniger Rechtsschutz, mehr Aufwand
Mit dem Wegfall des Remonstrationsverfahrens entfällt eine direkte Möglichkeit, fehlerhafte Entscheidungen ohne gerichtliches Verfahren korrigieren zu lassen. Das führt in gewisser Weise auch zu einer Einschränkung des Grundrechts aus Artikel 17 des Grundgesetzes, welches das Recht auf Petitionen – und damit auch auf inhaltliche Beschwerden gegenüber Behörden – eigentlich garantieren soll. Zwar bleibt der Klageweg weiterhin offen, eine schnelle, direkte Korrektur der Behörde von Beschwerden, wegen einer fehlerhaften Entscheidung, ist künftig jedoch nicht mehr vorgesehen.
„Vor allem im Bereich des Ehegattennachzugs und der Arbeitsmigration sind oft zahlreiche Dokumente zu beschaffen.“
In der bisherigen Praxis konnten Antragsteller zudem im Rahmen der Remonstration fehlende Unterlagen nachreichen. Dieser pragmatische Spielraum entfällt nun. Bei Ablehnung muss der gesamte Antrag, einschließlich aller Begleitdokumente, neu gestellt oder direkt geklagt werden – beides ist zeitaufwändig, kostenintensiv und für viele Antragsteller schwer zu bewältigen. Vor allem im Bereich des Ehegattennachzugs und der Arbeitsmigration sind oft zahlreiche Dokumente zu beschaffen.
Verlagerung auf die Verwaltungsgerichte
Anstelle einer erneuten Prüfung durch die jeweilige Auslandsvertretung bleibt künftig nur die Möglichkeit der Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin – bundesweit zuständig für Visaverfahren. Dieses ist jedoch bereits heute mit langen Bearbeitungszeiten konfrontiert. Besonders im Bereich des Familiennachzugs dürfte das gravierende Folgen haben: Betroffene müssen damit rechnen, über Jahre auf eine gerichtliche Entscheidung zu warten, selbst wenn es nur um formale Fehler oder unvollständige Unterlagen geht.
„Die Maßnahme des Auswärtigen Amts dürfte zu einem deutlichen Mehraufwand führen – nicht nur für Antragsteller:innen, sondern auch für Gerichte.“
Die Maßnahme des Auswärtigen Amts dürfte zu einem deutlichen Mehraufwand führen – nicht nur für Antragsteller:innen, sondern auch für Gerichte. Die Behauptung, durch die Abschaffung des Verfahrens interne Ressourcen freizusetzen, um mehr Anträge in kürzerer Zeit zu bearbeiten, erscheint aus dieser Perspektive zumindest fragwürdig. Statt Verfahren zu beschleunigen, droht eine Verlagerung des Arbeitsaufwands auf die Verwaltungsgerichte – und somit eine weitere Belastung der Justiz, einschließlich einer längeren Verfahrensdauer für alle Beteiligten.
Bestehendes Recht bleibt – aber ohne Wirkung?
Obwohl das Remonstrationsverfahren als solches abgeschafft wird, bleibt das grundrechtlich verankerte Petitionsrecht bestehen – demnach sollten Fehler auch weiterhin direkt gerügt werden können. Daraus ergibt sich die berechtigte Erwartung, dass Antragsteller:innen weiterhin eine Möglichkeit zur behördlichen Nachprüfung erhalten sollten. Ob und wie dieses Recht künftig in der Praxis gewahrt wird, ist jedoch unklar. In vielen Fällen dürfte die Klage vor dem Verwaltungsgericht nun der einzige verbleibende Weg sein.
Aus Sicht vieler Betroffener bedeutet das: längere Verfahren, höhere Kosten und größere Unsicherheit. Familien, Ehepartner und beruflich eingebundene Antragsteller werden damit zusätzlich belastet – obwohl ihre Anliegen häufig existenzielle Bedeutung haben.
Handlungsempfehlung
Trotz der neuen Verfahrenspraxis sollten Antragsteller bei erkennbaren Fehlern weiterhin versuchen, eine Remonstration oder Fachaufsichtsbeschwerde einzureichen – insbesondere dann, wenn Zeitdruck besteht oder die Fehler offensichtlich sind. Gleichzeitig darf die Klagefrist nicht aus den Augen verloren werden: Wer eine gerichtliche Überprüfung anstrebt, muss die Frist wahren – unabhängig davon, ob ein Widerspruch in Form einer Remonstration – noch angenommen oder bearbeitet wird. Meinung
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Navid Kermani „Wer Respekt vor der Drecksarbeit hat, Bomben auf…
- Landessozialgericht Asylbewerber darf nicht ohne jede Mindestsicherung sein
- Thüringer Zustände Nazi-Shirts im Klassenzimmer – gekauft von der Mama
- Wer ist hier der Dreck? Wenn „Drecksarbeit“ zur Staatsräson wird
- Germany first Bund kürzt Mittel für Entwicklungszusammenarbeit dramatisch
- „Geschmacklose“ Meinungsfreiheit Rassistische Dachdecker-Anzeige laut Staatsanwalt…