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Bund kürzt Mittel für Entwicklungszusammenarbeit dramatisch
Die Regierung schraubt die Ausgaben kräftig nach oben – zugleich werden die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit gekürzt. Hilfsorganisationen sind „fassungslos“. Erfolge im Kampf gegen Kindersterben und Hunger würden zunichtegemacht.
Dienstag, 24.06.2025, 15:42 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 24.06.2025, 15:46 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Die Bundesregierung kürzt die Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit. Der Etat des Entwicklungsministeriums soll dieses Jahr um fast eine Milliarde niedriger ausfallen als 2024, wie aus dem Kabinettsbeschluss zum Bundeshaushalt 2025 vom Dienstag hervorgeht. Hilfsorganisationen kritisieren die Budgetplanung scharf, Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) spricht von „schmerzhaften“ Festlegungen innerhalb der Koalition.
Insgesamt sieht der Haushaltsentwurf für 2025 Ausgaben von 503 Milliarden Euro vor, wie das Bundesfinanzministerium mitteilte. Das sind etwa 14 Milliarden mehr als 2024. Für das Entwicklungsministerium sind 10,3 Milliarden Euro vorgesehen – bereits zwischen 2022 und 2024 wurde das Budget von 13,8 auf 11,2 Milliarden Euro zurückgefahren. Ministerin Alabali Radovan versicherte, Deutschland stehe zu seiner Verantwortung in der Welt, „trotz schmerzhafter Vorgaben für Haushaltseinsparungen im Entwicklungsbereich durch die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages“.
Deutschland verfehlt Zielmarke für Entwicklungshilfe
Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) sagte bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs in Berlin, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen werde die sogenannte ODA-Quote gesenkt. „Das war für mich auch eine schwere Entscheidung“, sagte er. Eine konkrete Zahl nannte Klingbeil nicht.
Die international gebräuchliche Quote für öffentliche Entwicklungshilfe („Official Development Assistance“) beschreibt, wie hoch die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit gemessen am Bruttonationaleinkommen sind. Als Zielmarke der Vereinten Nationen gelten 0,7 Prozent; 2024 erreichte Deutschland vorläufigen Zahlen zufolge 0,67 Prozent.
Oxfam: Kürzungen machen „fassungslos“
Die Hilfsorganisation Oxfam erklärte, die geplanten Kürzungen machten „fassungslos“. Die Bundesregierung folge „dem erschreckenden Beispiel vieler wohlhabender Staaten, die ihre Entwicklungsausgaben zurückfahren“. Dies bedeute „für zahllose Menschen Hunger und Armut“.
Auch die Präsidentin von Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe, Dagmar Pruin, erklärte, dass die Regierung angesichts der weltweiten Krisen Werte wie Solidarität und Menschlichkeit in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen müsse. „Die Mittel für die internationale Zusammenarbeit zu kürzen, steht hierzu im krassen Widerspruch.“ Die Organisation „Help – Hilfe zur Selbsthilfe“ sprach von Kürzungen der humanitären Hilfe um 53 Prozent. Das sei eine „dramatische Reduktion“. Offizielle Angaben des zuständigen Auswärtigen Amtes dazu gab es zunächst nicht.
Appell: Beispiel bei Entwicklungshilfe setzen
Bereits vor dem erwarteten Kabinettsbeschluss hatte ein Bündnis aus 30 Nichtregierungsorganisationen, darunter Caritas International und Welthungerhilfe eindringlich vor Kürzungen in der Entwicklungshilfe gewarnt. Deutschland dürfe den globalen Trend zur Streichung von Entwicklungsinvestitionen nicht fortsetzen, hieß es in dem Appell an die Bundesregierung.
Jahrzehnte an Fortschritten seien gefährdet. Denn die Entwicklungszusammenarbeit zeige viele Erfolge, betont das Bündnis. So habe sich seit 2000 die Kindersterblichkeit mehr als halbiert, die Müttersterblichkeit sei um über ein Drittel gesunken. Im Kampf gegen den Hunger seien Fortschritte erzielt worden, viele Kinder könnten zum ersten Mal eine Schule besuchen. „Radikale Kürzungen, wie wir sie derzeit in einigen Geberländern beobachten, machen viele der erzielten Erfolge zunichte“, mahnen die Organisationen.
Es gebe keine nationalen Lösungen für globale Herausforderungen, heißt es in dem Appell weiter: „Entweder wir verlieren allein – oder gewinnen gemeinsam.“
GIZ: Internationale Zusammenarbeit stärkt „deutsche Interessen“
Bei der Jahrespressekonferenz der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) am Montag in Berlin mahnte auch der Staatssekretär im Entwicklungsministerium, Niels Annen (SPD), eine starke Entwicklungszusammenarbeit an. Es sei eine „Frage von Solidarität, dass wir als eines der reichsten Länder dort unterstützen, wo es nötig ist“, sagte Annen, der auch GIZ-Aufsichtsratsvorsitzender ist.
GIZ-Vorstandssprecher Thorsten Schäfer-Gümbel betonte, die internationale Zusammenarbeit stärke „zuallererst deutsche und europäische Interessen – und vor allem das Wohlstandsmodell“. Der frühere hessische SPD-Parteichef verwies auf eine Studie der Universität Göttingen und der Entwicklungsbank KfW von vergangenem Jahr, wonach pro investiertem Euro in der internationalen Zusammenarbeit die deutschen Warenausfuhren um durchschnittlich 36 Cent stiegen.
Klingbeil: Wirtschaft oberstes Ziel
Klingbeil bezeichnete es als oberstes Ziel der Haushaltsplanungen, die Wirtschaft anzukurbeln. Außerdem solle Deutschland moderner werden und sicher sein. Wichtig sei auch, Strukturreformen anzugehen, etwa bei den Sozialversicherungen, betonte Klingbeil.
Vorerst stützt die Regierung allerdings die gesetzlichen Krankenkassen und die Pflegeversicherung mit milliardenschweren Darlehen. Die Krankenversicherungen bekommen dieses und nächstes Jahr jeweils 2,3 Milliarden Euro, wie Finanzstaatssekretär Steffen Meyer sagte. Für die Pflegeversicherung seien dieses Jahr 500 Millionen und nächstes Jahr 1,5 Milliarden Euro eingeplant. Meyer sprach von einer „Brücke“ für die Zeit, bis die im Koalitionsvertrag verabredeten Reformkommissionen ihre Ergebnisse vorlegen.
Der Haushaltsentwurf wird nun vom Bundestag bearbeitet. Die Beratungen beginnen in der übernächsten Woche. (epd/mig) Aktuell Politik
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