Bundeskabinett © Odd Andersen/AFP
Bundeskabinett © Odd Andersen/AFP

„Weder fair noch klug“

Kabinett beschließt Verschärfungen für geflüchtete Familien und schnell Integrierte

Der Familiennachzug für eine Gruppe von Flüchtlingen wird ausgesetzt, die kürzere Einbürgerungsfrist für gut Integrierte gestrichen: Die Bundesregierung hat Änderungen in der Asyl- und Migrationspolitik auf den Weg gebracht. Es gibt viel Kritik.

Donnerstag, 29.05.2025, 15:04 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 29.05.2025, 15:13 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Bundesregierung hat Verschärfungen in der Asyl- und Migrationspolitik auf den Weg gebracht. Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch in Berlin die Aussetzung des Familiennachzugs zu Kriegsflüchtlingen für zwei Jahre und die Abschaffung der kurzen Einbürgerungsfrist für besonders gut integrierte Ausländer. Es geht um jeweils verschiedene, kleinere Gruppen von Migranten und Flüchtlingen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) wird daher unter anderem Symbolpolitik vorgeworfen. Er selbst ist dagegen überzeugt, damit „den Politikwechsel bei der Migrationspolitik deutlich zu machen“, wie er es formulierte.

Flüchtlinge mit dem subsidiären Schutzstatus haben bereits seit 2016 keinen rechtlichen Anspruch mehr auf den Familiennachzug. Seit 2018 gibt es ein Kontingent mit 12.000 Plätzen im Jahr, um einigen von ihnen das Nachholen von Kindern, Ehepartnern oder Eltern zu ermöglichen. Das soll nun gestrichen werden. Dies bringe direkte Entlastungen bei den Kommunen, sagte Dobrindt. Nachzüge soll es nur noch in Härtefällen geben, wenn laut Dobrindt etwa eine dringend notwendige medizinische Versorgung im Herkunftsland nicht möglich ist.

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Scharfe Kritik von Menschenrechtler

Menschenrechtsorganisationen, Sozialverbände und Kirchen hatten bis zuletzt die Regelung scharf kritisiert. Für Zehntausende sei der Familiennachzug der letzte Hoffnungsschimmer, erklärte Amnesty International. „Das Ziel, Migration zu reduzieren, darf nicht zulasten von Familien gehen – Familien gehören zusammen“, sagte Diakonie-Vorständin Elke Ronneberger. „Save the Children“ erklärte, der Familiennachzug sei „einer der wenigen sicheren, planbaren und legalen Wege für Kinder, um gemeinsam mit ihren engsten Angehörigen in Sicherheit zu leben“.

Über den Nachzug konnten im vergangenen Jahr überwiegend Kinder nach Deutschland kommen. Subsidiären Schutz erhalten Flüchtlinge, wenn sie keine individuelle Verfolgung nachweisen können, im Heimatland aber trotzdem einer Gefahr für Leib und Leben etwa wegen eines Krieges ausgesetzt wären. Dobrindt setzt auf eine schnelle Beratung seiner Regelung. Ziel sei es, dass nach dem Bundestag auch der Bundesrat noch vor der Sommerpause im Juli darüber entscheiden könne. Damit könnte der Stopp des Nachzugs bereits im Spätsommer kommen.

Hintergrund: Anders als anerkannte Flüchtlinge haben Menschen mit dem sog. subsidiären Schutz keinen Rechtsanspruch auf das Nachholen ihrer Familie. Dieses Recht wurde für diese Gruppe nach der großen Fluchtbewegung 2016 ausgesetzt. 2018 wurde ein Kontingent eingeführt, über das bis zu 1.000 enge Angehörige pro Monat einreisen können. Die neue Bundesregierung will es wieder für zwei Jahre aussetzen. Zahlen des Auswärtigen Amts zeigen, dass das Kontingent vor allem Kindern die Einreise nach Deutschland ermöglicht. Den subsidiären Schutz erhalten Flüchtlinge, wenn sie keine individuelle Verfolgung nachweisen können, ihnen aber dennoch Tod, Folter oder unmenschliche Behandlung im Heimatland droht, etwa wegen eines Krieges. Vor allem syrische Flüchtlinge erhielten ab 2015 diesen Schutzstatus. Ende vergangenen Jahres lebten rund 380.000 subsidiär Geschützte in Deutschland. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, den Familiennachzug für diese Gruppe erneut befristet auszusetzen. Nach einem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs aus dem Jahr 2021 ist das möglich. Das Gericht verlangt allerdings eine Prüfung der Einzelfälle nach spätestens zwei Jahren.

Längere Einbürgerungsfrist trifft schnell integrierte

Der Wegfall der verkürzten Einbürgerungsfrist wird dagegen eher Menschen treffen, die schon nach kurzer Zeit in Deutschland gute Sprachkenntnisse haben und ihren Lebensunterhalt selbst sichern können. Die schwarz-rote Koalition macht damit einen Teil der Ende Juni 2024 in Kraft getretenen Einbürgerungsreform wieder rückgängig.

Die damalige Mehrheit von SPD, Grünen und FDP hatte die Wartezeit bis zur Einbürgerung von früher acht auf fünf Jahre, die für eine Einbürgerung bei besonderen Integrationsleistungen von sechs auf drei Jahre gesenkt. Dieser zweite Teil soll wieder gestrichen werden. Den deutschen Pass gäbe es dann für alle nach frühestens fünf Jahren.

Polat: „Weder fair noch klug“

Dobrindt schaffe damit eine Regelung ab, die sich unter anderem gerade an Hochqualifizierte richte, kritisierte die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat. „Das ist weder fair noch klug – vor allem nicht in Zeiten, in denen Deutschland Fachkräfte braucht“, sagte sie. Auch die Linken-Abgeordnete Bünger sprach von einem „integrationsfeindlichen Signal“.

Die Einbürgerung nach bereits drei Jahren dürfte in der Praxis keine große Bedeutung haben. In Berlin waren nach Auskunft des dortigen Landesamts seit der Reform gerade einmal 500 von knapp 30.000 Einbürgerungen Ermessenseinbürgerungen nach drei Jahren. Die bundesweite Einbürgerungsstatistik liegt noch nicht vor. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoğlu, sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“, die Regelung betreffe nicht sehr viele Menschen. „Und diejenigen, die sie betrifft, warten einfach noch zwei Jahre“, ergänzte er. (epd/mig) Leitartikel Politik

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