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Pflegekraft aus dem Ausland (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Pflegenotstand

Warum Fachkräfte aus dem Ausland unverzichtbar sind

Kliniken suchen dringend Fachkräfte. Ohne ausländisches Personal geht kaum etwas. Für die tunesische Pflegerin Teyssir Ben Rejeb hat sich der Umzug gelohnt – und sie hat ein klares Ziel.

Von Montag, 11.11.2024, 12:48 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 12.11.2024, 9:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

In Tunesien hätte sie jahrelang auf eine freie Stelle warten müssen, trotz eines abgeschlossenen Studiums als Krankenpflegerin. In Berlin hingegen nahm man sie sofort mit Handkuss. Seit einem Jahr arbeitet die tunesische Krankenpflegerin Teyssir Ben Rejeb am Auguste-Viktoria-Klinikum in Schöneberg, das zu Vivantes gehört. Trotz Heimweh – für die 25-Jährige hat es sich gelohnt.

„Für mich ist wichtig, dass es hier die Möglichkeit gibt, sich weiterzubilden“, erklärt sie. In ihrem Heimatland sei die Ausbildung sehr theoretisch; um mehr zu lernen, hätte sie einen Master machen müssen. Außerdem sei das Gehalt in Deutschland gut und das Leben im Ausland eine „neue Challenge“.

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Stellen monatelang unbesetzt

Es ist eine Win-Win-Situation. Denn die Krankenhäuser haben akuten Personalmangel und sind dringend auf qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland wie Ben Rejeb angewiesen. Darum soll es auch beim Deutschen Pflegetag gehen, der am 7. und 8. November in Berlin stattfindet.

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In keiner anderen Berufsgruppe in Berlin ist es nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit so schwer, neues Personal zu finden wie in der Pflege. In den letzten zwölf Monaten waren in Pflegeberufen im Schnitt rund 570 Stellen nicht besetzt, wie eine Auswertung zeigt. Jede zweite Stelle blieb länger als drei Monate unbesetzt.

„Nur mit der Ausbildung können wir den Bedarf der kommenden Jahre nicht decken“, sagt Claudia Reich-Braun, Abteilungsleiterin des Rekrutierungscenters bei Vivantes. Jährlich durchliefen an den insgesamt neun Standorten 300 Menschen die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft. Und trotzdem: „Ich denke, es fehlen über den gesamten Konzern verteilt immer noch um die 400 bis 600 Kräfte.“ Um eine ausreichende Besetzung auf den Stationen zu gewährleisten, arbeite Vivantes viel mit Zeitarbeitskräften. Das sei aber teuer.

Zahl deutscher Pflegekräfte rückläufig

Deswegen wird intensiv im Ausland gesucht. Einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zufolge kam vergangenes Jahr jede sechste Pflegekraft in Deutschland aus dem Ausland (Stand: Juni 2023). Die Zahl deutscher Pflegekräfte sei rückläufig, während die der ausländischen Beschäftigten zunehme. In die Rekrutierung im Ausland wird viel Aufwand gesteckt. Die Berliner Universitätsklinik Charité hat ein Team, das selbst in die Länder reist. Vivantes setzt auf Partnerfirmen vor Ort.

„Momentan haben wir einen Schwerpunkt in Nordafrika“, sagt Reich-Braun. Aber auch in Mexiko oder der Türkei werde Personal angeheuert. Voraussetzung sei ein Pflegeabschluss und ein B2-Sprachniveau in Deutsch. In Berlin angekommen, werden die neuen Fachkräfte zunächst als Pflegehelfer angestellt und durchlaufen eine sechsmonatige Schulung aus Theorie- und Praxiseinheiten. Danach sind sie anerkannte Pflegefachkräfte. Im Schnitt dauere der Prozess rund ein Jahr, in Einzelfällen auch mal zwei Jahre.

„Es gibt ältere Patienten, die möchten nur deutsche Pfleger“

„Die größte Herausforderung ist die Sprache“, sagt Reich-Braun. Ben Rejeb kann das bestätigen. „Der Berliner Dialekt ist ganz anders als Hochdeutsch“, sagt die 25-Jährige. Belastend seien auch die Rassismus-Erfahrungen. „Es gibt ältere Patienten, die möchten nur deutsche Pfleger.“ Ihre Kolleginnen und Kollegen aber seien sehr hilfsbereit.

Neben ihren tunesischen Kolleginnen und Kollegen, die mit ihr bei Vivantes angefangen hätten, sei ihre Integrationsbegleiterin ihre wichtigste Stütze. Sie sei wie eine Freundin, sagt die Pflegerin. „Sie kümmert sich auch um persönliche Probleme.“ Um den Start in Berlin zu erleichtern, gibt es an jedem Vivantes-Standort eine oder zwei Integrationsbegleiterinnen. Die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen kümmerten sich nicht nur um die fachliche Einleitung, sondern unterstützten auch beim Arztbesuch, bei der Wohnungssuche, bei der Orientierung im Berliner S-Bahnnetz oder trösteten bei Heimweh.

Erheblicher Personalbedarf bis 2030

Weil viele Fachkräfte bald in Rente gehen, die Bevölkerung gleichzeitig aber immer älter wird, rechnet die Berliner Gesundheitsverwaltung bis zum Jahr 2030 mit einem erheblichen Personalbedarf. Einer von der Behörde in Auftrag gegebenen Analyse zufolge könnten in Berlin bis zum Jahr 2030 rund 5.800 Pflegefachkräfte fehlen.

Auf Ben Rejeb kann Vivantes weiterhin zählen. „Ich fühle mich echt wohl“, sagt die 25-Jährige. Als Nächstes möchte sie sich gerne als Praxisanleiterin für Fachkräfte aus dem Ausland weiterbilden lassen. Ihr größtes Ziel? Ben Rejeb lacht. „Warum nicht Chefin“, sagt die Pflegerin. Eine Abteilung zu leiten, das könne sie sich gut vorstellen. (dpa/mig) Leitartikel Panorama

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