Migrationsexpertin
Kampf gegen Schleuser trifft fast immer nur Geflüchtete
Der Kampf gegen Schleuserkriminalität trifft fast immer die Geflüchteten. Die eigentlichen Kriminellen kommen ungestraft davon, kritisiert Migrationsexpertin Hänsel. EU-Richtlinien seien bewusst schwammig formuliert.
Von Leonie Harth Donnerstag, 03.10.2024, 10:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 29.09.2024, 14:29 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Kampf gegen Schleuserkriminalität an den EU-Außengrenzen trifft laut der Migrationsexpertin Valeria Hänsel fast immer Geflüchtete. Ausbeuterische kriminelle Netzwerke kämen ungestraft davon, sagte die Referentin für Migration und Flucht bei der Hilfsorganisation medico international dem „Evangelischen Pressedienst“. Stattdessen würden Geflüchtete unter anderem in Griechenland, Italien und Spanien kriminalisiert, wenn sie beispielsweise ein Flüchtlingsboot gesteuert haben.
Die Referentin der in Frankfurt am Main ansässigen Hilfsorganisation verwies unter anderem auf Schätzungen des Vereins „Borderline-europe“, denen zufolge im Februar 2023 mehr als 2.100 Menschen wegen Schmuggels in griechischen Gefängnissen saßen, davon fast 1.900 Nicht-EU-Bürger. Hänsel kritisierte in dem Zusammenhang die Definition des Schmuggels von Migranten in einer entsprechenden EU-Richtlinie. Diese sei „sehr offen gehalten“ und ermögliche den Mitgliedsstaaten, „Menschen zu kriminalisieren, ohne dass sie jeglichen Profit bekommen haben“.
Expertin rechnet mit Verschärfungen
Anders als die Vereinten Nationen unterscheide die EU Menschenhandel, der auf Ausbeutung und Gewalt beruhe, nicht klar genug von Schleuserei. „Schleuserei bedeutet erstmal nur Beihilfe zur Grenzüberquerung“, sagte Hänsel. Es müsse eine Klausel geben, dass Personen nur als Schleuser kriminalisiert werden können, „wenn sie erheblichen Profit in ausbeuterischer Absicht machen“.
Sie rechne allerdings damit, dass die EU-Gesetzgebung im Gegenteil weiter verschärft und humanitäre Hilfe noch leichter als Schleuserei kriminalisiert werden könnte, darunter auch die Versorgung von Geflüchteten mit Essen oder die Informationsweitergabe zwischen Familienmitgliedern über Messengerdienste wie WhatsApp.
Geflüchtete, „das kleinste Glied in der Kette“
Netzwerke, die Geflüchtete ausbeuten und sich an deren Grenzübertritt bereichern, gelte es zu bekämpfen, betonte Hänsel: Aber dafür dürften nicht die Geflüchteten selbst – „das kleinste Glied in der Kette“ – verhaftet und angeklagt werden. Stattdessen müssten Einreisen erleichtert werden. Um das Recht auf Asyl wahrzunehmen, müsste die legale Einreise möglich sein.
Medico international hat gemeinsam mit dem gemeinnützigen Verein de:criminalize einen spendenbasierten „Fonds für Bewegungsfreiheit“ geschaffen. Damit sollen Geflüchtete unterstützt werden, die aus Sicht der Hilfsorganisation zu Unrecht der Schleuserei beschuldigt werden. Mit dem Geld sollen Rechtsberatungen für die Betroffenen finanziert werden, ebenso wie Grundlegendes, was Menschen in Haft benötigen: Hygieneartikel, Kleidung, Telefonkarten. Zudem will die Hilfsorganisation diese Fälle in der Öffentlichkeit sichtbar machen. (epd/mig) Aktuell Panorama
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