Nazi-Raubgut
Kommission will mehr Rechte für Nachfahren von NS-Opfern
Zehntausende mögliche Fälle von NS-Raubgut gelten noch immer als ungelöst. Für Konflikte gibt es seit Jahren eine Kommission, allerdings mit wenig Kompetenzen. Das soll sich ändern.
Dienstag, 05.09.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 05.09.2023, 13:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Mit einem Restitutionsgesetz sollen Nachfahren von NS-Opfern aus Sicht der so bezeichneten Raubgut-Kommission mehr Rechte und Möglichkeiten für Rückgaben bekommen. Auch 20 Jahre nach Gründung der Kommission gibt es gerade mal 23 Beschlüsse zum Umgang mit Fällen von Nazi-Raubgut. „Die geringe Anzahl von Empfehlungen der Kommission beruht auf der entsprechenden geringen Anzahl von Anrufungen“, hieß es am Montag in einer Mitteilung.
Zur Begründung wurde auf die aktuelle Rechtslage verwiesen. „Denn bis heute können die Opfer und deren Nachfahren nur dann vor die Kommission ziehen, wenn die kulturgutwahrenden Einrichtungen einer Anrufung der Kommission zustimmen.“ Demgegenüber stehe eine hohe Anzahl von bis heute nicht restituierter NS-Raubkunst. „Alleine die sogenannte Lost-Art-Datenbank, in der internationale Such- und Fundmeldungen von NS-Raubkunst veröffentlicht werden, verzeichnet rund 40 000 Such- und weitere 35 000 Fundeinträge entzogener Kulturgüter“, so die Kommission.
Fehlender Wille zur Wiedergutmachung
Die Kommission unter Vorsitz des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, berät in besonders komplexen Raubkunstfällen. Sie wurde 2003 von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden eingerichtet, um bei Differenzen zwischen den Beteiligten über die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter zu vermitteln.
Die aktuellen Bedingungen nennt die Kommission unbefriedigend. „Auch im In- und Ausland reißt die Kritik nicht ab, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht hinreichend in der Lage und auch nicht wirklich Willens ist, das NS-Unrecht im Hinblick auf die Kulturgüter angemessen und umfassend wiedergutzumachen.“
Mehr Optionen für NS-Opfer
Für eine Reform schlägt die Kommission vor, dass Nachfahren der NS-Opfer Möglichkeiten bekommen, einseitig ein Verfahren vor der Kommission in Gang zu setzen. Zudem soll die Stellung der Kommission gestärkt werden, um nicht nur Empfehlungen aussprechen zu können. Über ein Restitutionsgesetz soll geregelt werden, dass auch private Einrichtungen oder Privatpersonen, die über NS-Raubkunst verfügen, in ein Restitutionsverfahren einbezogen werden sollten. Damit solle auch ein Entschädigungs- oder Ausgleichsanspruch geregelt werden.
Die Bundesrepublik Deutschland habe sich international und national zur Verantwortung als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs bekannt, insbesondere zur Aufarbeitung des NS-Unrechts und zur Rückgabe verfolgungsbedingt abhanden gekommener Kulturgüter. „Dieser politisch-moralischen Verantwortung wird sie nicht gerecht, weil die bisherigen Regelungen, insbesondere bei strittigen Fällen, ungenügend sind“, so die Kommission.
„Wichtige Impulse“
Aus dem Haus von Kulturstaatsministerin Claudia Roth hieß es, die Grünen-Politikerin habe sich mit den Kabinettskollegen Christian Lindner (Finanzen) und Marco Buschmann (Justiz/beide FDP) auf Kernpunkte für eine veränderte Verjährungsregelung, einen Herausgabeanspruch und einen einheitlichen Gerichtsstand verständigt. Mit Ländern und Kommunen solle im Oktober über Inhalte und Umsetzung einer Reform der Kommission gesprochen werden. Es gelte, die Arbeit der Kommission deutlich zu stärken. Roth will einen Vorschlag erarbeiten.
Auch der Vorsitzende der Kulturministerkonferenz, Niedersachsens Kulturminister Falko Mohrs (SPD), verwies darauf, Bund, Länder und Kommunen befänden sich bereits in engem Austausch, wie die Arbeit der Kommission „weiter gestärkt und verbessert werden kann“. Im Oktober sollten gemeinsam mit Roth „wichtige Impulse für die Arbeit der kommenden Jahre gesetzt werden“. (dpa/mig) Aktuell Feuilleton
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