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Zyperns Flagge © de.depositphotos.com

„Pogromartige Zustände“

Schwere Ausschreitungen gegen Geflüchtete in Zypern

Verletzte Menschen, Geschäfte in Trümmern, brennende Mülltonnen: Hunderte vermummte Rechtsextreme wüten in der Stadt Limassol gegen Geflüchtete. Beobachter sprechen von „pogromartigen Zuständen“, die Polizei zeigt sich hilflos. Fast zeitgleich demonstrieren Menschen gegen Rassismus.

Sonntag, 03.09.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 28.09.2023, 11:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Nach einer Demonstration gegen Geflüchtete und Migranten hat es in der zyprischen Hafenstadt Limassol schwere Ausschreitungen gegeben. Rund 350 vermummte mutmaßliche Rechtsextreme – manche Medien berichteten von bis zu 500 – griffen am Freitagabend Geschäfte von Migranten und die Menschen selbst an. Der zyprische Präsident Nikos Christodoulidis zeigte sich entrüstet: Er schäme sich wegen der Vorfälle, sagte er zu Beginn einer Krisensitzung am Samstagvormittag. Bei dem Treffen waren auch der Innenminister, die Justizministerin, der Zivilschutz, die Polizei und die Feuerwehr dabei.

Schon am Samstagabend zeigte Limassol sein anderes Gesicht: Hunderte Menschen gingen gegen Rassismus auf die Straßen. „Zerschlagt den Faschismus – in Limassol und überall“, skandierten die Demonstranten. Am Sonntag blieb die Lage allerdings weiter angespannt. Die Polizei war im gesamten Stadtzentrum von Limassol präsent, wie Augenzeugen der Deutschen Presse-Agentur sagten.

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„Ich schäme mich“

„Ich schäme mich für das“, was Freitag stattfand, sagte Christodoulidis. „Auch diejenigen sollten sich schämen, die dafür verantwortlich sind.“ Damit meinte er sowohl die Organisatoren der Demonstration als auch die Polizei und die zuständigen Minister, denen er vorhielt: „Es kann nicht sein, dass der Staat seine Bürger und Fremde nicht schützen kann.“

Die Vermummten hatten nach Medienberichten „Migranten raus aus Zypern“ skandiert. Sie warfen Brandsätze und Steine, zündeten Mülltonnen an und zertrümmerten Geschäfte und Imbissbuden. Die Polizei setzte Tränengas und einen Wasserwerfer ein. Fünf Menschen wurden verletzt, es gab 13 Festnahmen, wie die „Cyprus Times“ schrieb. Ein Journalist, der über die Ausschreitungen berichtete, sagte, die Vermummten hätten Ausländer angegriffen, die wiederum von anderen Zyprern Hilfe erhielten, um sich in Sicherheit zu bringen. „Die Polizei war nicht fähig, die Bürger und Journalisten zu schützen.“ Auch ein TV-Team wurde von den Vermummten angegriffen. Zyprische Medien beklagten „pogromartige Zustände“.

Armut und überfüllte Geflüchtetenlager

Bereits am vergangenen Wochenende hatten Rechtsextreme in der Kleinstadt Chloraka Migranten angegriffen.

Laut zyprischem Innenministerium machen Geflüchtete und Migranten mittlerweile sechs Prozent der Bevölkerung aus. Die kleine Inselrepublik verzeichnet außerdem gemessen an der Bevölkerungszahl mit Abstand die meisten Asylanträge pro Jahr in der EU. Die Lager für Geflüchtete sind überfüllt, vielerorts haben sich Ghettos gebildet, wo die Menschen in Armut leben. Diese Zustände, an denen die Betroffenen selbst nichts ändern können, dienen Ultrarechten als Anlass für die Ausschreitungen.

Situation Folge von EU-Politik

Menschenrechtsorganisationen beklagen immer wieder, die Situation sei eine direkte Folge der EU-Flüchtlingspolitik. Die überfüllten Lager und das Armut dienten auch als Abschreckungsinstrument, damit nicht noch mehr Menschen kommen.

Zypern ist nach einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention seit 1974 geteilt. Die Republik Zypern ist seit 2004 Mitglied der EU. Das EU-Recht und Regelwerk gelten, so lange es keine Lösung für die Teilung gibt, nur im Südteil der Insel. Dort leben rund 900.000 Menschen, im Norden sind es rund 300.000. Zyprische Regierungen haben in den vergangenen Jahren immer wieder beklagt, dass Menschen aus der Türkei legal nach Nordzypern reisen und von dort über die grüne Grenze nach Südzypern und damit in die EU gelangen. (dpa/mig) Aktuell Ausland

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