Europawahl-Versammlung
AfD-Kandidatin muss ihren Migrationshintergrund erklären
Die Aufstellung der AfD-Bewerber für das Europaparlament wird beim Verfassungsschutz genau beobachtet. Das Bundesamt erkennt dabei auch rechtsextremistische Verschwörungstheorien. Bei der Europawahlversammlung wurden rassistische Töne laut.
Montag, 31.07.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 31.07.2023, 13:32 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Bei der Europawahlversammlung der AfD in Magdeburg sind nach Einschätzung des Verfassungsschutzes teilweise „rechtsextremistische Verschwörungstheorien“ verbreitet worden. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, sagte der Deutschen Presse-Agentur am Sonntagabend: „Zwar sind die komplette Wahlbewerberliste und auch das Wahlprogramm für die Europawahl noch nicht final abgestimmt. Doch bereits jetzt zeigt sich, dass Personen, die in der Vergangenheit mit Positionen aufgefallen sind, die nicht mit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar sind, der AfD-Delegation im kommenden Europäischen Parlament angehören werden.“
Vertreter des ehemaligen gemäßigteren Lagers hätten bei der Aufstellung an diesem Wochenende so gut wie keine Rolle mehr gespielt. „Vielmehr äußerten diverse Wahlbewerber rechtsextremistische Verschwörungstheorien, wie beispielsweise die vom sogenannten ‚Großen Austausch‘“, sagte Haldenwang. Er fügte hinzu: „Die bisherige Europawahlversammlung der AfD, die wir als Verdachtsfall bearbeiten, belegt einmal mehr unsere Einschätzung, dass innerhalb der Partei starke verfassungsfeindliche Strömungen bestehen, deren Einfluss weiter zunimmt.“
So wurden die vorderen Spitzenplätze der Kandidatenliste für die Europawahl ausnahmslos mit Politikern besetzt, die Europa in eine „Festung“ gegen Migranten verwandeln wollen. Diese brauche man „zum Schutz unserer Heimat, und das machen wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern“, sagte Co-Parteichefin Alice Weidel.
Deutsch nur mit deutschem Familienbuch
Maximilian Krah, Einstecktuch, üppiger Seitenscheite, Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, rief den Delegierten in Magdeburg zu: „Wir sind ein Volk, weil, wenn wir unsere Familienalben zeigen, dann erkennen wir, dass schon unsere Großväter und unsere Urgroßväter ein Volk sind.“
Passend dazu wurde die Kandidatin Mary Khan-Hohloch aufgefordert, zu erklären, weshalb sie sich trotz ihres eigenen Migrationshintergrunds gegen Zuwanderung positioniert. Auf die Frage, ob dies nicht paradox sei, antwortete Khan-Hohloch: „Absolut gar nicht.“ Ihr Vater sei in den 1970er Jahren so wie weitere Perser als politischer Flüchtling nach Deutschland gekommen. Zu dieser Zeit habe es Sach- statt Geldleistungen gegeben. Ihr Vater habe eine Ausbildung machen müssen, Firmen gegründet und seinen Kindern „die Liebe zu diesem Land, das ihn aufgenommen hat“, gegeben. Damit setzte sich Khan-Hohloch im Kampf um Listenplatz 14 durch.
Wahlprogramm nach Listenaufstellung
Die AfD hatte am Samstag und Sonntag in Magdeburg ihre ersten 15 Kandidaten für die Europawahl gewählt. Am Sonntagabend wurde die Versammlung unterbrochen, ab Freitag sollen rund 15 weitere Kandidaten gewählt werden.
Das Wahlprogramm soll erst nach der Listenaufstellung beschlossen werden. Möglicherweise könnte es erst bei einer zusätzlichen Versammlung diskutiert werden, die spätestens im Januar stattfinden müsste. Erst dann wird feststehen, ob die AfD diesmal mit der Forderung antritt, die Europäische Union radikal zu reformieren, so dass wieder mehr Entscheidungen national getroffen werden. Es könnte sich aber auch das „Dexit“-Lager durchsetzen, das einen Austritt Deutschlands aus der EU befürwortet. Ein weiterer Streitpunkt dürfte die Haltung zur Nato sein.
„Massive ausländerfeindliche Agitation“
Irmhild Boßdorf, die am Wochenende auf Rang neun landete, warb in ihrer Bewerbungsrede mit einem Schlagwort der Identitären Bewegung um Stimmen. Sie forderte eine „millionenfache Remigration“ und sagte, eher als den menschengemachten Klimawandel sollten die Deutschen den „menschengemachten Bevölkerungswandel“ fürchten.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt die Identitäre Bewegung in seinem aktuellen Bericht im Kapitel zu Rechtsextremismus auf. Das Kölner Verwaltungsgericht hatte 2022 festgestellt, in der „massiven ausländerfeindlichen Agitation“ der Bewegung komme „eine Missachtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte zum Ausdruck. Aussagen wie „Remigration“ oder „Bevölkerungsaustausch stoppen“ seien ausländer- und islamfeindlich.
„Deutschland zuerst“
Andere Listenplätze gingen an AfD-Vertreter, die „Deutschland zuerst“ riefen sowie „Multikulti“ oder eine „Masseneinwanderung“ beklagten. Platz zwei sicherte sich der bayerische Bundestagsabgeordnete Petr Bystron. In seiner Bewerbungsrede sagte er: „Das Schlimmste, die Migrantenquoten, die zwangsweise Zuweisung von Migranten, das ist ein Angriff auf alles, was uns lieb ist, unsere Kultur, unsere Religion, ja, unsere Heimat.“
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD im März 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Diese Einstufung, die den Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln erlaubt, hatte das Kölner Verwaltungsgericht im März 2022 bestätigt. Die AfD legte Berufung ein. Das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster ist noch nicht abgeschlossen. (dpa/mig) Aktuell Politik
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