„reaktionär“ und „rassistisch“
Jusos klar gegen Koalition mit CDU in Berlin
Die geplante Koalition mit der wenig geliebten CDU ist bei der Berliner SPD umstritten. Bei der SPD-Jugendorganisation Jusos ist die Haltung allerdings eindeutig: Eine Koalition kommt nicht in Frage. Kritisiert wird insbesondere die Namensabfrage nach der Silvesternacht - Fischen am rechten Rand. Giffey erhöht derweil den Druck.
Sonntag, 12.03.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 13.03.2023, 5:55 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Mit großer Mehrheit hat sich die Berliner SPD-Jugendorganisation Jusos gegen die geplante Koalition mit der CDU gestellt. Ein Antrag des Landesvorstandes mit dem Titel „NoGroKo – Berlin geht nur mit links“ erhielt am Samstag die sehr große Mehrheit der etwa 80 Delegierten einer Jusos-Konferenz in der SPD-Bundeszentrale in Berlin. Die Jusos forderten vehement und unter großem Applaus die Fortsetzung der Koalition mit Grünen und Linken und lehnten die Zusammenarbeit mit der CDU grundsätzlich ab. Zwei stellvertretende SPD-Landesvorsitzende hatten zuvor in einer sachlichen Debatte vergeblich dafür geworben.
Viele Delegierte kritisierten, dass die SPD-Landesvorsitzende und Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und ihr Co-Vorsitzender Raed Saleh nicht erschienen waren, um sich der Debatte zu stellen. Giffey besuchte stattdessen den SPD-Kreisverband Pankow.
Jusos werfen CDU „rassistische Erzählungen vor“
In dem Antrag hieß es über den CDU-Landesvorsitzenden Kai Wegner, der nach derzeitigem Plan Regierender Bürgermeister werden soll: „Kai ist der falsche Vorname fürs Rote Rathaus.“ Er sei für das Amt gänzlich ungeeignet. „Wer im Wahlkampf bewusst durch rassistische Erzählungen am rechten Rand fischt“, könne nicht von Sozialdemokraten zum Bürgermeister gewählt werden. Mit der CDU gebe es keine „soziale und gerechte Stadt“, hieß es. „Eine Partei, die mit rechtspopulistischen Inhalten Wahlkampf gemacht hat und Leute nach ihren Vornamen in Kategorien eingeteilt hat, ist für uns keine geeignete Koalitionspartnerin.“
Die CDU hatte im Wahlkampf polarisiert, weil sie nach den Silvester-Krawallen die Vornamen von Verdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit erfragte, um zu erfahren, ob sie Migrationshintergrund haben. Wegner sagte damals: „Wir müssen die Namen wissen, damit wir passgenaue Antworten geben und die Jugendlichen erreichen können.“
Gegen eine „Koalition mit Reaktionären“
Mit einer neuen Internetseite starteten die Jusos die angekündigte Kampagne gegen die geplante Koalition. Die Landesvorsitzende Sinem Taşan-Funke sagte: „Wir werden erst ruhen, wenn wir diese große Koalition verhindert haben.“ Folgen sollen nun viele Diskussionsveranstaltungen. Taşan-Funke betonte, eine gemeinsame Regierung mit der CDU sei eine „Koalition mit Reaktionären“. Der Co-Vorsitzende Peter Maaß sprach von einer „ehrenlosen CDU“.
Angesichts dieser Skepsis erhöht Berlins SPD-Chefin Franziska Giffey den Druck. Sollte es in Berlin nicht zu Schwarz-Rot kommen, lande die SPD auf der „Zuschauerbank“, erklärte die noch amtierende Regierende Bürgermeisterin am Samstag. „Denn davon bin ich überzeugt: Wenn die SPD diesen Weg nicht geht, glaube ich nicht, dass es zu einer rot-grün-roten Koalition kommt“, sagte Giffey im RBB-Inforadio.
Die Vize-Landesvorsitzende der SPD und Staatssekretärin im Bundesbauministerium, Cansel Kızıltepe, betonte, die Grünen hätten entscheidende inhaltliche Zusagen nicht gemacht. Aussagen zum 29-Euro-Ticket, Wohnungsbau und kostenlosen Kitas seien vage geblieben. Sie sagte aber auch: „Ja, die CDU ist konservativ. Das ist nicht immer ganz einfach. Die Kampagne war rassistisch, auch mich hat das persönlich getroffen.“ Es habe aber die Zusage gegeben, dass es dazu persönliche Stellungnahmen mit Korrekturen geben werde.
Jusos: CDU „rassistisch“
Michael Biel, Berliner Vize-SPD-Vorsitzender und Wirtschafts-Staatssekretär sagte: „Wir dürfen nicht den Fehler machen, grüner als die Grünen zu werden.“ Die Grünen hätten sich in den Gesprächen vor allem auf eine Finanzdebatte konzentriert, um das eingesparte Geld für Klimaschutz auszugeben. Er sagte: „Hier spricht ein schwuler Mann zu euch, und glaubt mal nicht, dass ich den CDU-Leuten in die Arme laufe.“
Alle Juso-Redner lehnten die CDU als Koalitionspartner entschieden und zum Teil emotional ab und erhielten dafür begeisterten Beifall. Es sei klar, „dass mit Konservativen nicht koaliert werden darf“, sagte ein Redner, andere nannten die CDU „rassistisch“. Eine Delegierte sprach von einer „Männertruppe der CDU“, eine andere vom falschen „Welt- und Menschenbild“ der CDU. Eine junge Frau sagte über die ihrer Ansicht nach fehlende Beteiligung der Jugend in der SPD: „Wenn das so weitergeht, dann sind wir irgendwann nicht mehr da, dann könnt ihr das alleine machen.“
Jusos in Berlin mit 5.000 Mitgliedern
Die Jusos haben in Berlin etwa 5.000 Mitglieder, automatisch gehören SPD-Mitglieder unter 35 Jahren dazu. Die insgesamt knapp 19 000 Berliner SPD-Mitglieder können bis zum 21. April darüber abstimmen, ob sie den bis dahin ausgehandelten Koalitionsvertrag mit der CDU akzeptieren oder ablehnen. Die Verhandlungskommissionen von CDU und SPD hatten ihre Gespräche am Donnerstag begonnen und bereits erste Einigungen über Themen vorgelegt.
Bei der Wiederholungswahl am 12. Februar hatte die CDU mit 28,2 Prozent vorne gelegen, SPD und Grüne erhielten beide 18,4 Prozent, die Linke kam auf 12,2 Prozent und die AfD auf 9,1. Die FDP flog mit 4,6 Prozent aus dem Parlament. (dpa/mig) Aktuell Politik
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