Schlauchboot, Flüchtlinge, Meer, Griechenland
Ein Boot der griechischen Küstenwache versucht ein Schlauchboot von Flüchtlingen mit einem gefährlichen Manöver an der Weiterfahrt zu hindern (Archiv)

Flüchtlingsboote zurückgedrängt

Bericht über massive Menschenrechtsverletzungen in der Ägäis

Schläge, Drohungen und Aussetzen auf dem Meer: Die Organisation mare liberum hat erschütternde Anschuldigungen zusammengetragen, wie schutzsuchende Menschen auf dem Weg in die EU von Sicherheitskräften behandelt worden sein sollen - auch ein Fall mit deutscher Beteiligung ist bekannt geworden.

Freitag, 12.02.2021, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 11.02.2021, 16:21 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Die Menschenrechte von Flüchtlingen in der Ägäis werden einem Bericht zufolge systematisch verletzt. Im vergangenen Jahr sei eine massive Eskalation im Umgang mit den Menschen auf der Flucht zu verzeichnen gewesen, erklärte die Organisation Mare Liberum am Donnerstag in Berlin. Allein von März bis Dezember 2020 seien mehr als 9.700 Fliehende gewaltsam in die Türkei zurückgedrängt und damit ihres Rechts auf Asyl beraubt worden.

Neben der griechischen Küstenwache sei die europäische Grenzschutzagentur Frontex hauptsächlich für die sogenannten Push-backs verantwortlich, heißt es in dem Bericht der Organisation, die im östlichen Mittelmeer den Umgang mit Flüchtenden beobachtet. Auch Schiffe unter Nato-Kommando hätten sich daran beteiligt. Mare Liberum gesteht ein, dass das Ermitteln der Vorfälle schwierig ist und es immer wieder voneinander abweichende Informationen gibt. „Die dem Bericht zugrundeliegenden Zahlen sind daher als Annäherung an die tatsächlichen Zahlen zu verstehen.“

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Bei den von Mare Liberum dokumentierten erzwungenen Ausweisungen seien in einigen Fällen sogar Flüchtlinge zurückgedrängt worden, die bereits griechischen Boden erreicht hätten, heißt es in dem Bericht. Auch viele Kinder seien unter den Opfern dieses illegalen Vorgehens. In den meisten Fällen würden die Schlauchboote der Schutzsuchenden zerstört und Gewalt gegen die Menschen ausgeübt. „Diese Push-backs sind keine Einzel- oder Extremfälle europäischer Abschottung, sondern vielmehr der gegenwärtige und alltägliche ‚Modus Operandi‘ an einer EU-Außengrenze“, erklärte Paul Hanewinkel, einer der Autoren des Berichts.

Fall mit deutscher Beteiligung

Dem Bericht zufolge war auch die deutsche Bundespolizei an einem Push-back im August beteiligt. Angehörige der Bundespolizei hätten ein überfülltes Schlauchboot gestoppt und die Menschen nicht gerettet. Stattdessen hätten sie das Boot an die griechischen Behörden übergeben, die die 40 Menschen an Bord anscheinend in die Türkei zurückgedrängt hätten.

Der Zwischenbericht des Frontex-Aufsichtsgremiums bewertet die von den Griechen getroffenen Maßnahmen als „plausibel“. Seit Monaten kritisieren auch die Vereinten Nationen und Menschenrechtler Frontex dafür, in Push-backs, also in das rechtswidrige Zurückdrängen von Schutzsuchenden, involviert zu sein.

EU-Kommission „zutiefst besorgt“

EU-Kommission und Frontex – Frontex ist eine EU-Agentur mit Sitz in Warschau – nahmen am Donnerstag auf Anfrage Stellung zu den Vorwürfen. Die Kommission sei „zutiefst besorgt über Berichte über Push-backs oder andere Formen der Nichteinhaltung des EU-Rechts“, erklärte eine Kommissionsprecherin in Brüssel. Der Frontex-Sprecher teilte mit, die Beamten seien an Menschenrechte und das Refoulement-Verbot gebunden. Beide verwiesen auf eine laufende Untersuchung des Management Boards von Frontex zu möglichen Push-backs.

Im Management Board sitzen Vertreter der Kommission und der Mitgliedstaaten, es soll die Arbeit von Frontex beaufsichtigen. Von 13 untersuchten Vorfällen seien bislang fünf so eingestuft worden, dass sie weiter untersucht würden. Bei den acht anderen Fällen fand man laut Frontex „keinen Beleg irgendwelcher Verletzungen von Grundrechten“. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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