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Plattenbau © vargklo auf flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Studie

Ungleichheit in Deutschland auf Höchststand

Die Kluft zwischen den Einkommen ist laut einer Untersuchung in Deutschland so groß wie nie zuvor - trotz der guten wirtschaftlichen Entwicklung in den vergangenen Jahren. Experten fordern mehr Deutschkurse für Migranten.

Dienstag, 08.10.2019, 5:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Einkommen sind laut einer Erhebung der Hans-Böckler-Stiftung in Deutschland so ungleich verteilt wie noch nie. Der Gini-Koeffizient, das gängigste Maß für Einkommensungleichheit, habe Ende 2016 mit einem Wert von 0,297 um zwei Prozent höher gelegen als 2005, wie eine am Montag in Düsseldorf veröffentlichte Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Stiftung zeigt. Im Vergleich zum Ende der 1990er-Jahre sei die Kennzahl sogar um rund 19 Prozent gestiegen. Politiker der SPD und der Linkspartei sehen Handlungsbedarf.

Der Gini-Koeffizient kann Werte von 0 bis 1 annehmen. Bei einem Wert von 0 besitzen alle gleich viel, während der Wert 1 für maximale Ungleichheit steht, bei der eine Person alles besitzt.

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Trotz der über Jahre guten wirtschaftlichen Entwicklung wächst die Ungleichheit der Einkommen in Deutschland der Studie zufolge weiter. Das liege vor allem an zwei Faktoren: Gruppen mit hohen Einkommen hätten „von sprudelnden Kapital- und Unternehmenseinkommen profitiert“. Zugleich seien die 40 Prozent der Haushalte mit den geringsten Einkommen zurückgefallen. Die Mittelschicht habe dagegen von der guten Arbeitsmarktlage und Lohnsteigerungen profitiert.

Politiker und Ökonomen liegen falsch

Die Armutslücke ist der Studie zufolge zwischen 2011 und 2016 preisbereinigt um 29 Prozent gewachsen und um 779 Euro auf 3.400 Euro gestiegen. Diese Summe beziffert den Betrag, der armen Haushalten im Kalenderjahr rechnerisch fehlt, um die Armutsgrenze von 60 Prozent des mittleren Einkommens zu überschreiten. Die Studie basiert auf der repräsentativen Befragung von 25.000 Menschen.

„Die aktuellen Daten zeigen, dass all jene Politiker und Ökonomen falsch liegen, die Entwarnung geben wollten, weil sich der rasante Anstieg der Einkommensspreizung nach 2005 zunächst nicht fortgesetzt hat“, sagte Dorothee Spannagel, eine der Autorinnen der Studie. Zwar wachse die Ungleichheit aktuell tatsächlich deutlich langsamer. „Alles in allem haben wir den riskanten Weg zu größerer Ungleichheit immer noch nicht verlassen“, warnte sie.

Experten fordern Deutschkurse für Migranten

Um die Ungleichheit der Einkommen am unteren Ende einzudämmen, sind den Experten zufolge nicht nur zusätzliche finanzielle Leistungen notwendig. Genauso wichtig sei es, dass Haushalte am unteren Ende der sozialen Leiter im Bedarfsfall unbürokratisch und zielgerichtet unterstützt und beraten werden. „Dazu gehören etwa der Zugang zu psychosozialer Beratung, Deutschkurse für Migranten, aber auch passgenaue arbeitsmarktbezogene Maßnahmen wie Umschulungen oder Weiterbildungen“, heißt es in der Studie

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, bezeichnete die zunehmende Ungleichheit als „Gift für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft“: „Das ist nur zu beenden, wenn die Löhne spürbar steigen, Kapital- und Vermögenseinkünfte angemessen besteuert werden und eine große Steuerreform kleine und mittlere Einkommen spürbar entlastet.“

Paritätische fordert Kindergrundsicherung

Auch der SPD-Politiker Karl Lauterbach äußerte sich scharf: „Unser jetziges Wirtschaften produziert sozialen Unfrieden zu Lasten der Umwelt und unserer Kinder“, schrieb er auf Twitter: „Eine gleichere Gesellschaft hätte eine bessere Lebensqualität.“

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, forderte angesichts der neuen Erhebung auf Twitter die Einführung einer Kindergrundsicherung und eine Grundrente. Der Paritätische fordert die Anhebung der Regelsätze in Hartz IV um mindestens 37 Prozent auf 582 Euro monatlich für alleinstehende Erwachsene. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft Studien

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