Gefährliche Hautbleichung
Schönheits-Elixiere made in Afrika
Im Senegal ist Fatou Sarr eine kleine Berühmtheit. Die junge Frau hat sich mit einer Aloe-Vera-Produktion in Bio-Qualität selbstständig gemacht - und will damit Frauen vom gefährlichen Trend der Hautbleichung abbringen. Und Auswanderungswünsche junger Senegalesen versteht sie nicht.
Von Martina Zimmermann Mittwoch, 08.05.2019, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 12.05.2019, 20:17 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die 27-jährige Fatou Sarr steht mit Jeans und Polo-Shirt auf dem Feld, beugt sich über eine Gruppe stacheliger Blätter, von denen die größten einen halben Meter hoch sind, und wählt die zu erntenden Blätter aus. „Aloe Vera wächst hier prächtiger als alle anderen Pflanzen“, sagt sie. 2015 hat die junge Senegalesin in der Region Thiès, rund eine Autostunde von Senegals Hauptstadt Dakar entfernt, die ersten Pflanzen in die Erde gesetzt. Inzwischen misst das Feld fast einen Hektar, auf dem rund 800 Aloe-Vera-Stöcke gedeihen.
Für Trockenperioden speichert die Pflanze in ihren fleischigen Blättern das Wasser in Form von Gel, das für Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel oder für Kosmetik verwendet wird. Aloe Vera hilft unter anderem bei Hautinfektionen, aber auch bei Magen- und Verdauungsproblemen. Sarr verkauft das Gel pur, mischt es in Cremes, Öle, Seifen und Lotionen. Ihre Firma nannte sie „TaKhar“. Das bedeutet in der Serere-Sprache, die Sarr spricht, Pflanze.
Die Senegalesin will dazu beitragen, dass sich Afrikanerinnen mit natürlichen afrikanischen Mitteln pflegen, statt ihre schwarze Haut mit gefährlichen Produkten heller zu machen. Dieser Mode folgen im Senegal laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) 27 Prozent der Bevölkerung, meist Frauen. „Manche haben ihre Haut abgebeizt und leiden unter Infektionen, die sogar zu Krebs führen können“, sagt Sarr.
„Die Leute sagen, Landwirtschaft ist nichts für Frauen.“
Ihre ersten Pflänzchen züchtete sie in ihrer Wohnung in Dakar, wo sie zunächst Cremes zum persönlichen Gebrauch herstellte. 2012 kam der studierten Informatikerin die Idee für die Aloe-Vera-Zucht. Dass der Anbau biologisch sein sollte, war für sie von Anfang an klar: Der Anbau sollte „weit weg von Dakar und seiner Umweltverschmutzung“ erfolgen. Bis das Feld gekauft und eine Firma gegründet waren, dauerte es drei Jahre. Nur ihr Ehemann habe ihr geholfen. „Die Familie schickt dich auf die Schule, damit du eine gute Arbeit bekommst“, sagt sie. Aber eine Chefin habe sich niemand vorstellen können. „Die Leute sagen, Landwirtschaft ist nichts für Frauen.“
Bisher gibt es im Senegal keine Bio-Zertifizierung. Die Labels diverser Organisationen von Biolandwirten werden nicht offiziell anerkannt. Sarrs Ziel ist es, ein ausländisches Bio-Label für ihre Erzeugnisse zu erhalten. Bis dahin spricht sie von „natürlichen“ Produkten, verkauft ihre Kosmetik in Supermärkten im Senegal und verschickt sie in andere westafrikanische Länder.
„Und am Sonntag ruhe ich mich aus.“
Wie viel Aloe-Vera-Gel sie genau produziert, kann Sarr gar nicht sagen. Manche Kunden bestellten 100 Liter, andere nur vier. Sobald sie einen Auftrag hat, fährt Sarr von Dakar mit einem Sammeltaxi zum Feld. Der Weg führt über die Autobahn durch afrikanische Landschaften, dann durch Dörfer mit Obstständen am Straßenrand, vorbei an Eselskarren und Werkstätten.
Mahomed Traore ist die gute Seele des Feldes. Tagsüber arbeitet der 33-Jährige, der vor zwölf Jahren aus Mali in den Senegal kam, in der sengenden Hitze mit T-Shirt und Wollmütze auf dem Kopf. „Am Montag gieße ich, am Dienstag jäte ich Unkraut, am Mittwoch säubere ich das Feld, am Donnerstag kümmere ich mich um die Papayas auf dem Feld und am Freitag um den Kompost“, sagt er und zeigt auf die Würmerzucht in einer alten Badewanne. Samstag ist für ihn der zweite Gieß-Tag, „und am Sonntag ruhe ich mich aus.“ Nachts wacht Traore über das Feld, das durch Bäume von den Nachbargrundstücken abgegrenzt ist.
Auswanderungswünsche kann Sarr nicht verstehen
Traore arbeitet mit bloßen Händen, hat nur Jätwerkzeuge und Gartenschere. Wird er dem Unkraut alleine nicht Herr, zum Beispiel während der Regenzeit, hilft die Chefin höchstpersönlich. Reicht das immer noch nicht, stellt Sarr Tagelöhner an.
Die Auswanderungswünsche vieler junger Senegalesen versteht Sarr nicht. „Du gehst nach Europa, hast dort einen kleinen Job und das Geld, das du verdienst, geht für Miete und Essen drauf.“ Dabei sei das Geld für Schleuser viel besser in der Heimat angelegt. „Denn hier kannst Du etwas aufbauen“, sagt sie. (epd/mig) Aktuell Wirtschaft
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