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Bericht zum Stand der Einheit

Ostbeauftragter warnt vor Stigmatisierung ganzer Regionen

Die Wirtschaft in Ostdeutschland brummt, trotzdem ist die gesellschaftliche Stimmung gedrückt. Viele Ostdeutsche fühlten sich weiterhin als Bürger zweiter Klasse, sagt der Ostbeauftragte der Bundesregierung und wirbt um mehr Verständnis. Chemnitz und Köthen sollten nicht pauschalisiert werden.

Donnerstag, 27.09.2018, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 27.09.2018, 17:31 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), warnt vor einer Stigmatisierung ganzer ostdeutscher Regionen nach den rechtsextremen Aufmärschen in Chemnitz und Köthen. „Die Stigmatisierung hilft kein Stück weiter“, sagte Hirte am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des Jahresberichtes zum Stand der Deutschen Einheit. Er sei der festen Überzeugung, dass die übergroße Mehrheit der Ostdeutschen „mit rechtsradikalen Spinnern“, die den Hitlergruß zeigen oder ein jüdisches Geschäft angreifen, genauso wenig zu tun habe wolle, wie „mit linksradikalen Spinnern“, die marodierend durch Hamburg ziehen.

Die wirtschaftlichen Erfolge in den ostdeutschen Bundesländern würden derzeit von gesellschaftlichen Debatten überlagert, sagte der Thüringer CDU-Politiker. Dabei entstehe mitunter ein Zerrbild.

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Hirte: Chemnitz medial präsenter als Dortmund

Unbestritten gebe es im Osten mehr Probleme mit rechts als im Westen. „Aber die mediale Wahrnehmung überspitzt das Problem“, sagte Hirte. Wenn es in Chemnitz oder Köthen zu rechtsextremen Ausschreitungen komme, werde breiter darüber berichtet, als wenn in Dortmund rechtsextreme Demonstranten antisemitische Parolen skandieren. Rechte Gewalt sei „völlig inakzeptabel“ und ihr müsse sich in Köthen genauso entgegengestellt werden wie in Kandel oder Dortmund.

Als Ursache für den Widerspruch zwischen guter Wirtschaftslage in Ostdeutschland und der Gemütsverfassung seiner Bewohner sieht Hirte deren zum Teil schmerzlichen Umbruchserfahrungen nach dem Mauerfall. Das habe Spuren hinterlassen, viele fühlten sich abgehängt und als Bürger zweiter Klasse. Nicht alles, was heute im Osten geschehe, könne auf Fehler in der DDR zurückgeführt werden. „Die Transformation der 1990er Jahre gehört deshalb genauso in unseren Blick“, sagte der Ostbeauftragte. Er verstehe sein Amt deshalb als Auftrag, denen eine Stimme zu geben, die das Gefühl haben, dass der Osten nicht gehört werde.

Vertrauen darf nicht egal sein

Der Ostbeauftragte sagte weiter, es dürfe Politik und Gesellschaft nicht egal sein, wenn so viele Menschen scheinbar das Zutrauen in Staat und Politik verloren haben. „Das müssen wir ohne erhobenen Zeigefinger ernst nehmen“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium.

Hirte betonte, der Osten habe in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte wirtschaftliche Entwicklung vollzogen. Die wirtschaftliche Lage sei besser als je zuvor, die Arbeitslosigkeit auf 7,6 Prozent gesunken. Zwar gebe es nach wie vor Unterschiede zu Westdeutschland. „Im Vergleich der europäischen Regionen aber verfügen die ostdeutschen Länder heute über eine Wirtschaftskraft, die mit der in vielen französischen oder britischen Regionen vergleichbar ist.“

Traumhafte Kinderbetreuungsquoten

Von den Kinderbetreuungsquoten im Osten könnten viele westdeutsche Regionen nur träumen, betonte er. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei deutlich einfacher möglich.

Allerdings werde die demografische Entwicklung das Wachstum bremsen. Bis 2030 wird mit einem Bevölkerungsrückgang von 800.000 Menschen gerechnet. Schon heute leben von den knapp 3,5 Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland mit mehr als 800.000 überproportional viele im Osten. Hirte forderte, verstärkt Bundesbehörden in den ostdeutschen Ländern anzusiedeln und mehr Fachkräfte anzuwerben. (epd/mig) Aktuell Politik

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