Asylverfahren
„Das Ende der Fahnenstange ist erreicht“
Experten kritisieren das Vorhaben der Bundesregierung, Asylverfahren weiter zu beschleunigen. Rechtlich gebe es kaum noch Möglichkeiten, die Asylverfahren zu straffen. Für 2016 rechnet man mit einer Asylklagewelle.
Von Frank Leth Freitag, 11.09.2015, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 13.09.2015, 21:58 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Absicht der Bundesregierung, die Asylverfahren zu beschleunigen und sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge vom Balkan schneller abzuschieben, stößt bei Experten auf Skepsis. Albert Lohmann, Richter am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und Mitglied des Vereins „Neue Richtervereinigung“, sagte im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst: „Rechtlich gibt es kaum noch Möglichkeiten, die Asylverfahren zu straffen.“ Vielmehr sei „das Ende der Fahnenstange erreicht“.
Die Bundesregierung erwartet in diesem Jahr mehr als 800.000 Flüchtlinge. Bei einem abgelehnten Asylantrag legen viele Antragsteller Rechtsmittel ein. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ziehen 40,2 Prozent von ihnen im Fall der Ablehnung vor Gericht. Verwaltungsrichter Lohmann rechnet daher damit, dass die Gerichte 2016 eine Asylklagewelle erreichen wird.
Bund und Länder wollen sich mit mehr Personal gegen die Prozessflut wappnen. Die Länder planen, mehr Richterstellen bereitzustellen, das BAMF soll 2.000 zusätzliche Sachbearbeiter einstellen, die über die Asyl-Anträge entscheiden. „Die müssen sich aber erst einmal einarbeiten. Das dauert seine Zeit“, erklärte Lohmann. Gleiches gelte für die Arbeit der Richter.
Vorschläge, dass sich einzelne Richter ausschließlich mit Asylanträgen befassen sollen, sieht der Jurist aus Gelsenkirchen kritisch: „Ich kenne keinen, der über Jahre ausschließlich in diesem Bereich arbeiten will.“ Denn die Fluchtschicksale seien oft sehr belastend. (epd/mig)
Probleme sieht Lohmann auch bei der Bezeichnung „Wirtschaftsflüchtling“. Denn: „Das suggeriert, dass die Menschen einfach zurückgeschickt werden können.“ Das sei aber nicht immer der Fall. So liege zwar bei Flüchtlingen aus Albanien oder dem Kosovo fast nie ein klassischer Asylgrund vor. Wenn aber geltend gemacht werde, dass etwa eine lebensbedrohliche Krankheit im Heimatland nicht behandelt werden könne, bestehe für sie aus humanitären Gründen ein Abschiebungsschutz, erläuterte der Jurist.
Sobald Flüchtlinge konkrete und individuelle Fluchtgründe vorbringen, werde es mit der Beschleunigung des Verfahrens schwierig. Immer wieder ändere sich auch die Situation im Herkunftsland der Flüchtlinge, so dass von heute auf morgen Asyl begründet sein könne oder eben Abschiebehindernisse bestünden. Müsse ein Gericht Auskünfte vom Auswärtigen Amt oder von Menschenrechtsorganisationen einholen, dauere das seine Zeit: „Da kommt man mit Beschleunigung nicht weiter.“ (epd/mig) Aktuell Politik
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