Weltflüchtlingstag vorbei
EU beginnt Militäreinsatz gegen Schleuser
Kaum ist der Weltflüchtlingstag vorbei, beginnt die EU mit ihrem geplanten Militäreinsatz gegen Schleuserbanden im Mittelmeer. Kritiker befürchten einer Verschärfung der Notlage von Flüchtlingen. EU-Minister wiederum versichern die Einhaltung humanitärer Rechte.
Dienstag, 23.06.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 27.06.2015, 13:01 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Europäische Union hat offiziell mit der Aufklärungsphase ihres geplanten Militäreinsatzes gegen Schleuserbanden im Mittelmeer begonnen. Mit Hilfe von Schiffen, Flugzeugen und Drohnen wollen sich die 28 Länder einen Überblick darüber verschaffen, wo im südlichen Mittelmeerraum die Schleppernetzwerke operieren. Es gehe zunächst um „Überwachung und Auswertung“, unterstrich die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini während eines EU-Ministertreffens am Montag in Luxemburg. Über ein militärisches Vorgehen gegen die Boote und andere Besitztümer der Schleuser werde zu einem späteren Zeitpunkt entschieden, sagte sie.
Die EU wolle mit „Überwachungs- und Kontrollaktivitäten“ beginnen, erläuterte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der gemeinsam mit seinen EU-Amtskollegen einstimmig den Beginn der Phase eins beschlossen hatte. Deutschland will sich mit der Fregatte „Schleswig-Holstein“ und dem Tender „Werra“ an der Operation beteiligen. Beide Schiffe befinden sich bereits im Mittelmeer, wo sie mit der Rettung schiffbrüchiger Menschen beauftragt sind.
Militäreinsatz ist Reaktion auf Flüchtlingstragödie
Der EU-Einsatz ist eine Reaktion auf die Flüchtlingstragödie vor Libyen im April. Beim Untergang eines überfüllten Fischkutters waren mehr als 800 Menschen ertrunken. Die EU wolle das Geschäftsmodell derjenigen zerstören, die aus der Misere anderer Menschen Profit zögen, sagte die Italienerin Mogherini. Der Einsatz müsse aber Teil einer breiteren Strategie werden. So wolle Europa auch Menschenleben retten, eng mit afrikanischen Ländern zusammenarbeiten und die Ursachen der Auswanderung angehen.
In der noch nicht beschlossenen Phase zwei der Operation könnte es laut Mogherini darum gehen, „verdächtige Schiffe zu beschlagnahmen“. In der Phase drei schließlich wolle die EU „Schiffe beseitigen, vorzugsweise vor der Benutzung“, sowie Schleuser und Menschenhändler verhaften. Der Startzeitpunkt dieser Etappen hänge auch von einem UN-Mandat und der Zustimmung der betroffenen Küstenländer ab, unterstrich Mogherini. Ob und wann die EU vom UN-Sicherheitsrat und dem krisengeschüttelten Transitland Libyen grünes Licht erhält, ist laut Diplomaten weiter unklar.
Rettung von Menschen nicht erwähnt
Die EU-Minister versichern in ihrem Beschluss, dass das humanitäre Recht und die Menschenrechte jederzeit eingehalten würden. Trotzdem zogen die Militärpläne auch am Montag wieder heftige Kritik auf sich. „Ein Militäreinsatz gegen Schleuser im Mittelmeer wird keine Menschenleben retten, sondern die Notlage der Flüchtlinge weiter verschärfen“, sagte etwa die innenpolitische Sprecherin der Linken im Berliner Bundestag, Ulla Jelpke. „Flüchtlinge werden so gezwungen, auf noch kleinere Boote und noch gefährlichere Fluchtrouten auszuweichen, während die Preise für die Fluchthilfe weiter in die Höhe getrieben werden.“
Die Rettung schiffbrüchiger Menschen ist in dem Mandat des Eunavfor-Einsatzes nicht ausdrücklich erwähnt. In internen EU-Papieren ist lediglich formuliert, dass gemäß internationaler Abkommen alle Einsatzkräfte die Pflicht zur Seenotrettung haben. Sie müssen allen Menschen zu Hilfe kommen, die „Gefahr laufen, verloren zu gehen, oder in irgendeiner Art von Not sind“.
Strässer: absolut falscher Ansatz
Sehr kritisch äußerte sich auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer. Eine militärische Auseinandersetzung sei der absolut falsche Ansatz, sagte der SPD-Politiker in Berlin. Er wolle sich nicht vorstellen, was passieren könne, wenn die Boote mit Flüchtlingen an Bord beschossen werden. Strässer forderte stattdessen eine Seenotrettung, die „ihren Namen verdient“.
Steinmeier unterstrich hingegen, dass auch die „humanitäre Dimension“ des Themas Flucht berücksichtigt werde. So bekämen die Türkei und Griechenland laut jüngsten Beschlüssen jeweils eine halbe Million Euro, damit dort mit Hilfe des UN-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR Flüchtlinge versorgt werden könnten. Um Seenotrettung kümmere sich die EU bereits intensiv. Von hoher Bedeutung seien auch die internationalen Bemühungen um die Stabilisierung Libyens, sagte der Außenminister. (epd/mig) Leitartikel Politik
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